Non-Performing Loans

Das ungenutzte Potenzial des deutschen NPL-Transaktionsmarkts

Markus Thanner

Deutsche Institute sind im internationalen Vergleich eher zurückhaltend, was das Transaktionsgeschäft mit notleidenden Forderungen angeht. Dafür gibt es Gründe. Eine Ursache mag im deutschen Bankensystem mit der starken Stellung genossenschaftlicher und öffentlich-rechtlicher Institute liegen, die NPLs häufig innerhalb der eigenen Gruppe weiterverwerten. Die deutsche Tugend der Vorsicht mag ein weiterer Grund sein, die sich in der langsamen Aufarbeitung der kritischen Bestände seit Bewältigung der Finanzkrise zeigte, sowie die Möglichkeit der Institute, langfristige Strategien zu fahren, ohne auf NPLs als Refinanzierungsmittel angewiesen zu sein. Der Autor analysiert die Voraussetzungen des deutschen NPL-Marktes und resümiert, dass die Zeit reif sein sollte, den Markt zu testen - sei es ob des mittlerweile herrschenden Konsolidierungsdrucks, den die genossenschaftlichen und öffentlich-rechtlichen Institute verspüren, sei es ob des starken Immobilienmarktes mit seiner hohen Anleger-Nachfrage, der für attraktive Rückzahlungsquoten sorgt. Red.

Zugegeben - dieser sehr weit gefasste Titel dieses Beitrags hätte auch anders lauten können, zum Beispiel "Warum verkaufen deutsche Banken so wenige notleidende Forderungen?" oder "Die größte europäische Volkswirtschaft hinkt beim NPL-Verkauf hinterher". Es soll aber nicht gleich das Kind mit dem Bade ausgeschüttet werden. Für die Zurückhaltung der deutschen Institute gibt es durchaus Gründe.

Weltweit erfreut sich der Markt für den Verkauf von Non-Performing Loans wieder einer hohen Beachtung. Das gilt für (insbesondere durch Immobilien) besicherte wie auch für unbesicherte Konsumentenforderungen gleichermaßen. Gemessen an der Größe und Bedeutung der deutschen Volkswirtschaft sowie am Kreditvolumen ist der Markt für Transaktionen notleidender Forderungen deutlich unterrepräsentiert. Dabei war der deutsche NPL-Markt zu Beginn des vergangenen Jahrzehnts bis etwa 2007 noch der Treiber in Europa. Heute sind es eher Länder wie UK, Spanien, Italien oder Polen, in denen regelmäßig große Volumina an notleidenden Forderungen über den Tisch gehen - und das bei einer zum Teil deutlich positiven wirtschaftlichen Entwicklung. Worin liegt diese Entwicklung begründet?

Ein wenig provozierend lässt sich vielleicht sagen, dass die Drei-Säulen-Struktur der deutschen Bankenlandschaft einer der größten Hinderungsgründe für den Verkauf von Non-Performing Loans ist - zumindest was den Verkauf über den freien Markt anbetrifft.

Eine Frage des Systems

Ungewöhnlich im internationalen Vergleich ist der sehr niedrige Marktanteil der Privatbanken im Verhältnis zu den öffentlich-rechtlichen und genossenschaftlichen Kreditinstituten. Während die Privatbanken am ehesten bereit sind, NPLs an externe Investoren abzugeben, bleiben die öffentlich-rechtlichen Institute (insbesondere Sparkassen) sowie auch die genossenschaftlichen Institute überwiegend innerhalb ihres Systems.

Das heißt, notleidende Forderungen werden überwiegend innerhalb der jeweiligen Gruppe weiterverwertet, jedoch nicht nach "außen" gegeben (Ausnahmen bestätigen hier die Regel). Regional fokussierte Institute führen oftmals Reputationsgründe an, die gegen einen Verkauf von NPLs sprechen, doch es ist vielfach auch eine Frage des geringen Volumens, dass externe Investoren nicht mit einbezogen werden. Somit ist für Investoren der Zugang zu einem Großteil des Marktes "verbaut".

Auch für die größeren Geschäftsbanken, die regelmäßig Transaktionen vornehmen, sind die Themen "Reputation" und "Verlässlichkeit" im Hinblick auf die auszuwählenden Transaktionspartner auf Käuferseite entscheidend. Der Trend geht hier eindeutig dahin, ausschließlich mit professionellen und hochspezialisierten Partnern zusammenarbeiten, die für den Verkäufer das Risiko von Kollateralschäden nach Verkauf minimieren. Der Markt standard geht dahin, strenge Auflagen zu machen, die Servicingansätze der Käufer/Servicer zu hinterfragen (Stichwort: "treat your customer fairly") und die Einhaltung regulatorischer und gesetzlicher Vorgaben zu überprüfen.

Verschiedene nationale Mentalitäten

Zur Bewältigung der Finanzkrise mussten zum Teil harte Maßnahmen ergriffen werden. Die Grundsatzfrage hierbei könnte gelautet haben: "Starke Schmerzen, aber schnelle Gesundung oder langes Leiden mit verzögerter Heilung?" Insbesondere die angloamerikanischen Institute haben sich für Ersteres entschieden, die deutschen Banken für Letzteres. Die US-Banken haben kurzfristig einen "Clear Cut" gemacht, der zwar schmerzhaft war, sie jedoch in die Lage versetzt hat, sich auch schnell wieder auf ihre Kernkompetenzen und gesundes Neugeschäft zu fokussieren. Das Ergebnis sind heute exzellente Ergebnisse und eine im internationalen Vergleich führende Position der US-amerikanischen Institute.

Im europäischen Vergleich gehört es zum Beispiel in UK und in Polen zur ganz normalen Strategie der überwiegenden Anzahl der Institute, zu einem bestimmten Zeitpunkt NPLs an den Markt abzugeben. Dabei werden durchaus unterschiedliche Strategien verfolgt. Die Spannbreite reicht von frischen Krediten (unmittelbar nach Kündigung) bis zu mehrfach erfolglos vollstreckten Forderungen. Klar ist jedoch, dass Bestände, die nicht mehr zur Bearbeitungsstrategie der Institute passen, abgegeben werden, bevor sie den hauseigenen Keller füllen.

Langsame Aufarbeitung in Deutschland

Die deutschen Banken haben sich dagegen eher für eine langsame Aufarbeitung ihrer kritischen Bestände entschieden. Auf lange Sicht mag dies sogar bessere Ergebnisse bringen, aber es bindet Kapital und verstellt wahrscheinlich auch zum Teil den Blick auf die eigentlichen Kompetenzen der Banken: werthaltiges Neugeschäft und Versorgung der Wirtschaft mit Kapital.

Im internationalen Vergleich hinken die deutschen Banken damit in der Restrukturierung ihrer Bilanzen hinterher. Und noch lange sind nicht alle Probleme der Vergangenheit beseitigt. Statt den schnellen Weg eines Forderungsverkaufs zu wählen haben die deutschen Banken eine langfristige Bearbeitung mit überwiegend eigenen Ressourcen gewählt.

Je nach Größenordnung einzelner Institute wurden eigene Restrukturierungsabteilungen aufgebaut, die sich um die notleidenden Bestände kümmern. Der Einfluss ausländischer Investoren und Servicer hat dabei durchaus für eine Professionalisierung des NPL-Bestandsmanagements gesorgt, das heißt viele Institute sind mittlerweile sehr professionell aufgestellt.

Das Ergebnis dieser Strategie zeigt sich jedoch in einer im internationalen Vergleich schwachen Rendite der Institute und einer fehlenden Positionierung selbst der größten deutschen Banken unter den Top-20 Banken der Welt.

Möglichkeit langfristiger Strategien

Es lässt sich jedoch auch feststellen, dass die deutschen Banken keine NPLs verkaufen, weil sie nicht verkaufen müssen. Das unterscheidet sie vielleicht von Instituten in Italien und Spanien, die aufgrund der wirtschaftlichen Entwicklung, regulatorischer Vorschriften und der Kapitalisierung gezwungen sind, schnelle Maßnahmen zu ergreifen. Die deutschen Institute haben dagegen die Möglichkeit, auf eine langfristige Strategie zu setzen und keine kurzfristigen Feuerwehraktionen vornehmen zu müssen, weil es unter Umständen auch sehr positive Tendenzen in der zukünftigen Steigerung regionaler Immobilienpreise gibt oder die Niedrigzinsphase eben auch die Kapitaldienstmöglichkeiten schwächerer Bonitäten fördert. NPL-Verkäufe werden auch nicht als Refinanzierungsmittel genutzt, da es aufgrund der EZB-Politik am Markt alternativlos günstige Refinanzierungsmöglichkeiten gibt.

Dennoch werden NPL-Verkäufe nicht komplett außen vor gelassen. Zum einen ging die Marktentwicklung der vergangenen zwei bis Jahre dahin, dass deutsche Institute überwiegend ihre Auslandskreditbestände abstoßen, die Kreditforderungen des deutschen Heimatmarktes aber unangetastet lassen. Viele Institute haben eine Refokussierung auf ihren Kernmarkt vorgenommen und sich von Auslandsengagements getrennt (zum Teil im Rahmen größerer Paketverkäufe).

Zum anderen gibt es in gewissen Bereichen - zum Beispiel im unbesicherten Konsumentenkreditgeschäft - regelmäßige Verkaufsaktivitäten. Gemessen an der Anzahl der Institute und dem Potenzial könnte das Transaktionsvolumen aber deutlich größer sein. Im (immobilien-) besicherten Bereich waren es unter anderem Sekundärmarkttransaktionen, die einen deutlichen Beitrag zum Gesamttransaktionsvolumen geleistet haben.

Dabei sind die Voraussetzungen für einen NPL-Verkauf derzeit überaus günstig. Eine Vielzahl finanzstarker Investoren stünde bereit und sucht geradezu nach geeigneten Anlagemöglichkeiten für ihr Kapital. Fremdkapitalmittel sind wieder zu haben, und das zu günstigen Konditionen. Und eine Vielzahl professioneller Servicer wäre in der Lage, die Forderungen zu bearbeiten. Deutschland wird immer noch als "safe haven" für Investitionen jeglicher Art gesehen. Das gilt insbesondere auch für Immobilien (und somit auch immobilienbesicherte Kredite), denn der deutsche Immobilienmarkt gilt als wenig volatil und verspricht eine stabile, wenn auch nicht übermäßig hohe Rendite. Nachdem Immobilien in A-Städten und A-Lagen knapp sind, geht der Fokus mehr zu B- und C-Städten und ebensolchen Lagen. Die meisten NPL-Sicherheiten liegen in genau diesen Regionen und Qualitätsklassen und erscheinen somit für Investoren attraktiv.

Es sind im Grunde genommen aber genau diese Rahmenbedingungen, die viele Institute eine Entscheidung hin zu einer eigenen Bearbeitung der Bestände fällen lassen. Die überaus positive Entwicklung der deutschen Wirtschaft und der starke Immobilienmarkt mit einer hohen Nachfrage auf Anlegerseite sorgen für attraktive Rückzahlungsquoten bei notleidenden Forderungen. In Zeiten, in denen ein Großteil der Darlehensnehmer einen Job hat, lassen sich auch Restrukturierungsmaßnahmen vereinbaren, die sich außerhalb von Zwangsvollstreckungsszenarien abspielen. Darüber hinaus ist auf absehbare Zeit keine signifikante Verschlechterung der Situation zu erwarten, so dass nicht einmal ein drohender Forderungsausfall akute Maßnahmen bewirkt.

Attraktives Preisniveau aus Verkäufersicht

Der Verkauf von notleidenden Forderungen stößt zwar mittlerweile auf breiter Basis auf Akzeptanz, doch noch längst nicht jedes Institut hat diese Restrukturierungsoption als festes Instrumentarium in seinem Workout-Baukasten verankert. In den Beständen der deutschen Banken dürfte noch einiges an Potenzial schlummern, das gehoben werden will. Unzweifelhaft können nicht sämtliche Altbestände mit derselben Intensität bearbeitet werden wie neue (ausgefallene) Forderungen. Insofern mag es opportun erscheinen, in regelmäßigen oder unregelmäßigen Abständen Forderungspakete an den Markt abzugeben, die nicht zur Kernkompetenz des eigenen Workouts gehören.

In Anbetracht der Tatsache, dass wir derzeit einen Verkäufermarkt beobachten und große Summen an Kapital investiert werden wollen, spricht das aus Verkäufersicht attraktive Preisniveau bei Transaktionen eindeutig für einen Verkauf. Erfahrungen aus Deutschland und auch aus anderen Ländern (als Beispiele sind UK, Polen, Italien und Spanien zu nennen) haben gezeigt, dass sich die Transaktionspreise auf einem konstant hohen Niveau bewegen und zum Teil sogar weiter steigen. Insofern dürfte dies ein gutes Argument sein, den Markt einfach mal zu testen.

Der Autor Markus Thanner Schatzmeister, Bundesvereinigung Kreditankauf und Servicing e.V., Berlin, und Geschäftsführer, HFI Finanz- und Investitionsberatungsgesellschaft Hamm mbH, Hamm
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