Mehr Wohlstand für alle - Perspektiven der deutschen Rentenpolitik

Gundula Roßbach, Foto: Frank Nürnberger (DRV Bund)

Durch eigene Leistung und Anstrengung zu Erfolg und Wohlstand kommen - das ist für die Autorin der Kern der sozialen Marktwirtschaft mit einer Parallelen zur Rentenversicherung. Nach einem erfüllten Arbeitsleben solle man im Alter auch ein adäquates Einkommen haben. Wenn auch viele Reformen in den vergangenen Jahrzehnten die Herangehensweise geändert hätten, bleibe bei allem Wandel dieser Kern bestehen. Als einen wesentlichen Schritt im Wandel der Zeit sieht Roßbach die Fokussierung auf die Alterssicherung insgesamt, nicht mehr alleine auf die gesetzliche Rentenversicherung. Damit kamen mit der privaten und betrieblichen Vorsorge zwei neue Säulen in den Blickpunkt. In einer aktuellen Bestandsaufnahme sieht die Autorin die Säule der Rentenversicherung gut aufgestellt, jedoch eine Stagnation bei den beiden anderen Säulen. Sie fordert, Regulierungen im Steuer- oder Sozialrecht zu überdenken, sofern diese eine dynamische Entwicklung am Arbeitsmarkt behindern - die Roßbach als zielführend für eine erfolgreiche Rentenpolitik bezeichnet. (Red.)

"Wohlstand für Alle" - der Titel des programmatischen Werkes von Ludwig Erhard fasst das Versprechen der sozialen Marktwirtschaft an die Bürger in drei knappen Worten zusammen. Die vom Markt, flankiert durch staatliche Regulierung, gesetzten Rahmenbedingungen sollen es allen ermöglichen, durch eigene Leistung und Anstrengung zu Erfolg und Wohlstand zu kommen. Dieses Konzept der sozialen Marktwirtschaft impliziert damit Leistungsanreize, die - zumindest theoretisch - zur Realisierung des gegebenen Versprechens "Wohlstand für Alle" beitragen.

Hier besteht eine deutliche Parallele zur Rentenpolitik. Denn auch dort gilt ein ähnliches Leistungsversprechen. Es mag nicht so plakativ formuliert und vor allem nicht so erfolgreich als Buchtitel zu sein wie das Versprechen "Wohlstand für Alle" - aber es hat letztlich für den Bereich der Alterssicherung eine ähnliche Bedeutung. Das Versprechen der Rentenpolitik lautet: Nach einem "erfüllten Erwerbsleben" hat man auch im Alter ein adäquates Einkommen. Ähnlich wie im Hinblick auf die soziale Marktwirtschaft gilt auch hier, dass durch die konzeptionelle Gestaltung der Rentenversicherung Anreize gesetzt werden, die zur Realisierung des angestrebten Sicherungsziels beitragen: Das Äquivalenzprinzip setzt Anreize für versicherungspflichtige Beschäftigung und Beitragszahlung; die Flankierung durch Maßnahmen des sozialen Ausgleichs stellt sicher, dass auch diejenigen nicht leer ausgehen, die aus bestimmten Gründen vorübergehend nicht zur Beitragszahlung (beziehungsweise zur ausreichenden Beitragszahlung) in der Lage sind.

Die konkrete Ausformulierung des Leistungsversprechens "Wohlstand für Alle" hat sich in den sechs Jahrzehnten seit Ludwig Erhard erheblich verändert. Ging es in den 60er- und 70er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts an erster Stelle um die materielle Ausstattung der Menschen - vor allem um Güter für den individuellen Konsum - waren es in den folgenden Dekaden eher immaterielle Dinge wie zum Beispiel Bildung oder Zugang zu Informationen, die von den Menschen als wichtige Faktoren ihres Wohlstandes angesehen wurden. In den letzten beiden Jahrzehnten werden zudem von den Menschen zunehmend auch Faktoren als für ihren Wohlstand relevant angesehen, die eher die kollektiven globalen Lebensbedingungen insgesamt betreffen, beispielsweise der Klimaschutz. Was die Menschen als "Wohlstand" ansehen, ändert sich offenbar in längeren Zeiträumen ganz erheblich - das Grundversprechen der sozialen Marktwirtschaft, diesen Wohlstand allen zugänglich zu machen, aber bleibt.

Soziale Marktwirtschaft im Wandel der Zeit

Auch die soziale Marktwirtschaft selbst hat sich seit Ludwig Erhard gewandelt: Die Marktbedingungen haben sich durch technologischen Wandel, gesellschaftliche Entwicklungen, die Europäische Union, die Globalisierung und vieles mehr seither grundlegend verändert. Hätten sich nicht auch die Mechanismen und Institutionen der Marktwirtschaft diesen Veränderungen der Marktbedingungen angepasst, würden sie sich an überkommenen Marktstrukturen orientieren - dann würde dies die wirtschaftliche Entwicklung behindern und Spielräume für Wohlstandsgewinne würden verschenkt. Der Wandel der konkreten Ausgestaltung der sozialen Marktwirtschaft bedeutet also nicht, dass ihr Grundversprechen "Wohlstand für Alle" aufgegeben würde. Im Gegenteil: Die Anpassung an die sich ändernden Rahmenbedingungen ist die Voraussetzung dafür, dass dieses Grundversprechen auch heute, sechs Jahrzehnte nach Ludwig Erhard, noch aufrechterhalten werden kann.

Die Parallele zur Alterssicherung und gerade auch zur gesetzlichen Rentenversicherung ist unübersehbar. Auch hier haben sich die konkreten Regelungen in den vergangenen Jahrzehnten immer wieder geändert; "Jahrhundertreformen" gab es in Abständen von 10 oder 15 Jahren. Aber auch hier sind diese Anpassungen kein Zeichen dafür, dass das Grundversprechen aufgegeben wurde. Es ist vielmehr unabdingbar, dass die konkreten Regelungen des Rentenrechts immer wieder angepasst werden müssen, wenn sich die maßgeblichen Rahmenbedingungen verändern. Zur Aufrechterhaltung des Versprechens "Adäquates Alterseinkommen nach einem erfüllten Erwerbsleben" bedarf es auch in der Alterssicherung der stetigen Anpassung an Veränderungen bei den relevanten Rahmenbedingungen.

Neue Rentenformel

Die Einführung der dynamischen Rente im Rahmen der Rentenreform von 1957 war sicher eine der entscheidenden Wegmarken in der Entwicklung der gesetzlichen Rentenversicherung in Deutschland. Das bis dahin statische Rentensystem, das keine regelmäßigen Anpassungen der Renten und Anwartschaften vorsah, traf in der sich entwickelnden sozialen Marktwirtschaft auf eine sehr dynamische Wirtschaftsentwicklung - den Beginn des sogenannten "Wirtschaftswunders". Die Zeit war geprägt durch hohes Wirtschaftswachstum, Abbau der Arbeitslosigkeit und Arbeitskräftemangel, der zum Beispiel zum Anwerben der ersten "Gastarbeiter" führte. Während die Löhne und der Wohlstand der Erwerbstätigen deutlich stiegen, stagnierten die ohnehin sehr niedrigen Renten und die Rentner und Rentnerinnen konnten am wirtschaftlichen Aufschwung nicht teilhaben. Die Rente hatte eher die Funktion eines "Zuschusses zum Lebensunterhalt", nicht aber den Anspruch, einen adäquaten Lebensunterhalt im Alter zu sichern.

Dies änderte sich mit der Rentenreform 1957, deren Kern in der Einführung einer neuen Rentenformel und einer neuen Rentenanpassungsformel lag: Die Rentenhöhe, die zuvor wesentlich durch einen lohnunabhängigen Grundbetrag bestimmt wurde, erhielt durch die neue Rentenformel einen starken Lohn- und Beitragsbezug; der individuelle Lohn während des Erwerbslebens, der der Beitragszahlung zu Grunde lag, bestimmte maßgeblich die Höhe der Rente. Aufgrund der neuen Rentenanpassungsformel wurden die Renten und Rentenanwartschaften zudem regelmäßig - orientiert an der Lohnentwicklung - dynamisiert. Das Äquivalenzprinzip wurde - ergänzt um Maßnahmen des Sozialausgleichs - als Grundprinzip der Rentenversicherung etabliert.

Die Orientierung am Äquivalenzprinzip implizierte deutliche Leistungsanreize in der und durch die gesetzliche Rentenversicherung. Zudem trugen der Lohn- und Beitragsbezug der Renten und deren regelmäßige lohnorientierte Anpassung maßgeblich dazu bei, dass die Rentner und Rentnerinnen an der Wirtschaftsund somit auch Wohlstandsentwicklung partizipieren konnten. Die gesetzliche Rentenversicherung war nicht länger nur ein Zuschuss zum Lebensunterhalt, sondern wurde zu einem Lohnersatz und orientierte sich an der wirtschaftlichen Entwicklung. Nach einem "erfüllten Erwerbsleben" sollten die Versicherten ihren zuvor erreichten Lebensstandard über die gesamte Rentenlaufzeit in etwa aufrechterhalten können. Die Etablierung der sozialen Marktwirtschaft und die Einführung der Dynamischen Rente stehen insofern in einem engen Zusammenhang.

In den seither vergangenen Jahrzehnten ist die Rentenversicherung immer wieder an sich ändernde Veränderungen der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen angepasst worden. Das Versprechen, dass die Versicherten nach einem "erfüllten Erwerbsleben" ein adäquates - "lebensstandardsicherndes" - Alterseinkommen haben sollen, hat sich dabei aber im Grunde nicht geändert.

Zahlreiche Reformen

Dies wird deutlich, wenn man sich die seit Ende der 80er-Jahre des vergangenen Jahrhunderts vorgenommenen zahlreichen Reformen zur Anpassung der Alterssicherung an den demografischen Wandel ansieht. Beginnend mit der 1989 beschlossenen Rentenreform von 1992 bis zum Altersgrenzenanpassungsgesetz im Jahr 2007 waren die Reformen - zumindest auch - von dem Grundsatz geprägt, dass unvermeidbare Belastungen nicht allein von den künftigen Beitragszahlern, sondern ebenso von Rentenempfängern und Staat getragen werden sollten. Spätestens mit den Reformen der Jahre 2001 und 2005 wurde dabei aber der Blick systematisch erweitert, indem nicht allein die gesetzliche Rentenversicherung, sondern die Alterssicherung insgesamt in den Fokus genommen wurde, wenn es um die Realisierung des Grundversprechens der Rentenpolitik geht. Seither wird die gesetzliche Rente weiterhin als mit Abstand bedeutendster Teil der Alterssicherung angesehen, die Realisierung des Sicherungsziels wird jedoch dem Gesamtsystem der Alterssicherung mit seinen drei Säulen überantwortet.

Das Paradigma der "Lebensstandardsicherung durch die gesetzliche Rente" wurde somit modifiziert: Das Leitbild der Alterssicherung in Deutschland ist nun die "Lebensstandardsicherung aus mehreren Säulen". Auf diese Weise wurde einerseits die gesetzliche Rentenversicherung insoweit entlastet, als die Folgen des demografischen Wandels nicht mehr allein in vollem Umfang von ihren Versicherten und Beitragszahlern zu tragen ist. Zugleich wird den Versicherten selbst und den Systemen der zweiten und dritten Säule der Alterssicherung - also der betrieblichen Altersversorgung und der Privaten Altersvorsorge - eine wachsende Verantwortung übertragen: Damit das Sicherungsversprechen der Lebensstandardsicherung realisiert wird, müssen die Versicherten sich eigenverantwortlich absichern und die Systeme der zweiten und dritten Säule stehen in der Verantwortung, ähnlich verlässlich und effizient wie die gesetzliche Rentenversicherung ihren Anteil am Alterseinkommen der Versicherten sicherzustellen.

Betrachtet man das deutsche Alterssicherungssystem zum Ende des Jahres 2020 in einer aktuellen Bestandsaufnahme, so fällt diese in Bezug auf die gesetzliche Rentenversicherung durchaus positiv aus. Die gesetzliche Rentenversicherung steht - selbst unter den Bedingungen der aktuellen Corona-Pandemie - stabil da: Obwohl die demografische Situation in Deutschland heute deutlich ungünstiger ist als Mitte der 80er-Jahre - damals kamen noch vier 20- bis 64-Jährige auf einen älteren Menschen, heute sind es nur noch drei - liegt der Beitragssatz niedriger als damals; wir haben den niedrigsten Beitragssatz seit einem Vierteljahrhundert. Die Rücklagen der Rentenversicherung sind trotz der Corona-bedingten Mindereinnahmen noch immer höher als die Obergrenze des gesetzlich vorgesehenen Korridors. Die Renten sind in den vergangenen 10 Jahren real deutlich gestiegen und bei langjährig Versicherten liegt die Grundsicherungsquote bei weniger als einem Prozent.

Stagnation der 2. und 3. Säule

Nicht ganz so positiv fällt die Bestandsaufnahme aktuell für den Bereich der zweiten und dritten Säule aus. Hier weist der gerade veröffentlichte Alterssicherungsbericht 2020 der Bundesregierung eine Stagnation oder gar einen Rückgang der Beteiligungsquoten aus. Besonders bei den Versicherten mit unterdurchschnittlichen Einkommen und bei Menschen mit mehreren Kindern geht der Anteil derjenigen, die neben der gesetzlichen Rente Anwartschaften in der betrieblichen oder privaten Alterssicherung erwerben, deutlich zurück. Zudem stagnieren die Renditen, die in diesen Systemen realisiert werden können. Ob das Sicherungsversprechen der Rentenpolitik, den Menschen nach einem erfüllten Erwerbsleben ein adäquates Alterseinkommen gewährleisten zu können, in der längerfristigen Perspektive erfolgreich sein kann, hängt aber in einem am Leitbild der "Lebensstandardsicherung aus mehreren Säulen" orientierten Alterssicherungssystem auch wesentlich von den Leistungen aus der betrieblichen Altersversorgung und der Privatvorsorge ab. Auch dort muss sichergestellt sein, dass die Menschen im Alter adäquate Leistungen erwarten können - und zwar mit der für die Alterssicherung nun einmal notwendigen Sicherheit.

Der Blick auf die Entwicklung und den aktuellen Stand der Rentenpolitik in Deutschland zeigt, dass es über viele Jahrzehnte gelungen ist, die Rentner an der wirtschaftlichen Entwicklung teilhaben zu lassen und dennoch die Belastung der Beitragszahler nicht überborden zu lassen. Gerade in den vergangenen drei Dekaden hat sich gezeigt, dass trotz des bereits einsetzenden demografischen Wandels die Beitragsbelastung konstant gehalten oder sogar gesenkt werden konnte. Dies erscheint umso bemerkenswerter, als die Rahmenbedingungen für die Rentenversicherung sich Ende der 80er, Anfang der 90er-Jahre mit der Deutschen Einheit praktisch "über Nacht" und völlig unvorhersehbar ganz grundlegend änderten und der Rentenversicherung dadurch eine erhebliche zusätzliche Aufgabe mit finanzieller Belastung auferlegt wurde.

Dass sowohl der beginnende demografische Wandel als auch die durch die deutsche Einheit ausgelösten Veränderungen zumindest im Bereich der gesetzlichen Rentenversicherung keinen nennenswerten Anstieg der Beitragsbelastung für die Versicherten und ihre Arbeitgeber zur Folge hatten, ist ohne Zweifel ein Erfolg der Rentenpolitik. Hierzu haben die vorgenommenen Reformen beigetragen, verbunden mit der günstigen Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt. Insgesamt zeigt der Blick zurück jedoch, dass eine erfolgreiche Anpassung der Alterssicherung auch an weitreichende Veränderungen der relevanten Rahmenbedingungen möglich ist.

Dass derartige Veränderungen auch in der Zukunft anstehen, ist unstrittig. Der jetzt anstehende Renteneintritt der "Babyboomer"-Generation, die Veränderungen in der Arbeitswelt, die Digitalisierung mit der Herausbildung neuer Erwerbsmuster zum Beispiel im Bereich der Plattformarbeit, die möglicherweise über längere Zeit anhaltende Niedrigzinsphase - das sind nur einige der Herausforderungen für die Alterssicherung, die derzeit schon absehbar sind. Wie sich diese Entwicklungen im Einzelnen konkret darstellen werden, wird sich zeigen. Auf jeden Fall wird sich die Rentenpolitik, die gesetzliche Rentenversicherung, und auch die anderen Säulen der Alterssicherung an diese Entwicklungen anpassen müssen.

Zwei Reformvorschläge

Im Hinblick auf einige der genannten Entwicklungen ist zumindest die grundsätzliche Ausrichtung der möglichen Anpassungsreformen bereits absehbar. Um nur zwei exemplarisch zu benennen:

- Hinsichtlich der Anpassung an den weiteren demografischen Wandel hat der im März 2020 vorgelegte Bericht der Rentenkommission die möglichen Handlungsfelder aufgezeigt und auch bereits Vorschläge für konkrete Anpassungsmaßnahmen in einigen dieser Handlungsfelder vorgelegt. Auffällig dabei war die Kontinuität mit der Grundausrichtung der Reformen der vergangenen Jahrzehnte: Auch die Vorschläge der Rentenkommission verfolgen das Ziel, die demografisch bedingten Zusatzbelastungen angemessen auf Beitragszahlende, Rentenbeziehende und den Bund zu verteilen; die Bedeutung der gesetzlichen Rentenversicherung als tragende Säule der Alterssicherung wird betont, das Äquivalenzprinzip bekräftigt. Mit dem Hinweis, dass man spätestens 2025 vor dem Hintergrund der dann erkennbaren Entwicklung der Lebenserwartung prüfen soll, wie nach Abschluss der aktuellen schrittweisen Anhebung der Regelaltersgrenze auf das 67. Lebensjahr im Jahr 2031 der Übergang von der Erwerbsphase in den Ruhestand weiter zu gestalten ist, wird ein wichtiger Kernaspekt adressiert.

- Ein wichtiger weiterer Reformvorschlag aus dem Kommissionsbericht ist aus Sicht der Autorin die geforderte Ausweitung der obligatorischen Alterssicherung auf den Kreis der Selbstständigen. Eine solche Maßnahme ist im Hinblick auf die Anpassung der Alterssicherung an die Veränderungen in der Arbeitswelt - insbesondere im digitalen Bereich - und zusätzlich mit Blick auf die sogenannte Plattformarbeit, wichtig. Gerade weil dort die Abgrenzungen zwischen abhängiger Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit zunehmend unklarer werden und vor allem wegen der vermutlich wachsenden Anzahl von Plattformerwerbstätigen, wird eine Einbeziehung aller Formen von Erwerbsarbeit in eine obligatorische Alterssicherung immer notwendiger. Ob sich das Versprechen, nach einem erfüllten Erwerbsleben im Alter über ein adäquates Einkommen zu verfügen, für den Einzelnen realisiert, darf nicht davon abhängen, mit welcher Form von Erwerbsarbeit und in welchen rechtlichen Konstruktionen das Erwerbseinkommen erworben wurde. Insofern wird das Alterssicherungssystem als Reaktion auf die bunter werdende Erwerbswelt in Zukunft universalistischer sein als in der Vergangenheit. Diese Maßnahme ist jedoch nicht als Antwort auf den demografischen Wandel zu verstehen, denn sie würde die Finanzsituation der Rentenversicherung nicht nachhaltig ändern, da den aktuellen Beitragszahlungen der Selbstständigen auch künftige Leistungsansprüche gegenüber stehen.

Dynamischer Arbeitsmarkt nötig

Neben den notwenigen Anpassungen der Rentenversicherung - und im Übrigen auch der zweiten und dritten Säule - ist jedoch noch ein anderer Aspekt für die Zukunftsperspektiven der Alterssicherung von großer Bedeutung. Wie bei der erfolgreichen Bewältigung der Herausforderungen in der Vergangenheit ist auch in Zukunft für die Alterssicherung die wirtschaftliche Entwicklung, insbesondere die Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt ein entscheidender Faktor. Die Bedingungen am Arbeitsmarkt und damit die Voraussetzung für eine weitere Ausweitung der Erwerbsbeteiligung werden dabei eine wichtige Rolle spielen; sofern Regulierungen im Steuer- oder Sozialrecht dies beeinträchtigen, sollten diese umfassend überdacht werden. Erhebliche Bedeutung kann auch der Integration von Arbeitsuchenden aus dem (zumeist europäischen) Ausland in unseren Arbeitsmarkt zukommen, die vor allem in den letzten Jahren wesentlich zu dem Anstieg der Beschäftigung in Deutschland beigetragen hat. Ein dynamischer Arbeitsmarkt würde insofern auch in Zukunft eine erfolgreiche Rentenpolitik sehr befördern.

"Wohlstand für Alle", dieses große Versprechen der sozialen Marktwirtschaft ist in den vergangenen Jahrzehnten für Viele Wirklichkeit geworden. Allerdings gibt es in unserer Gesellschaft trotz der enormen Entwicklung des Wohlstands weiter Bevölkerungskreise auch Gruppen, die nur wenig von dieser Entwicklung profitiert haben. Dies zu konstatieren heißt nicht, das Konzept "soziale Marktwirtschaft" zu diskreditieren, sondern die Herausforderung zu sehen, das Ziel "Wohlstand für Alle" durch geeignete Weiterentwicklungen der sozialen Marktwirtschaft künftig noch besser zu verwirklichen als bisher.

"Adäquate Alterseinkommen nach einem erfüllten Erwerbsleben" ist das Versprechen der Rentenpolitik - besser: der Alterssicherungspolitik - in Deutschland. Und auch hier gilt: Ein adäquates Einkommen im Alter haben heute viele - aber nicht alle Menschen in unserem Land. Dies zu konstatieren ist zugleich Anspruch an die Alterssicherungspolitik, aber auch an die Bildungs- und Arbeitsmarktpolitik, die Rahmenbedingungen für versicherungspflichtige Erwerbsarbeit zu verbessern und das Alterssicherungssystem - die gesetzliche Rentenversicherung ebenso wie die zweite und dritte Säule - so anzupassen, dass das angestrebte Ziel in Zukunft für immer mehr Menschen auch Realität wird.

Zukunftsperspektive deutscher Rentenpolitik

Die Zukunftsperspektive der deutschen Rentenpolitik, der deutschen Alterssicherungspolitik insgesamt, war und ist also letztlich der Wandel. Die Alterssicherung wird einem stetigen Anpassungsprozess unterzogen werden müssen: Anpassung an den demografischen Wandel, an Veränderungen in der Arbeitswelt, an den technologischen Wandel, an Veränderungen gesellschaftlicher Strukturen. Wenn wir dabei die Grundlagen der bisherigen Rentenpolitik nicht vergessen - die Orientierung am Äquivalenzprinzip mit flankierendem Sozialausgleich, den Grundsatz der Verteilung von Belastungen auf alle Beteiligten, das Leistungsversprechen des adäquaten Alterseinkommens nach einem erfüllten Erwerbsleben - dann lassen sich die Perspektiven der deutschen Rentenpolitik vielleicht am besten so beschreiben: Der notwendige Wandel ist beherrschbar.

Gundula Roßbach Präsidentin, Deutsche Rentenversicherung Bund, Berlin
Gundula Roßbach , Präsidentin, Deutsche Rentenversicherung Bund, Berlin
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