Multikanalstrategie - Erfahrungsbericht einer Sparkasse

Giovanni Malaponti, Vorsitzender des Vorstands, Sparkasse am Niederrhein, Moers - Wer nahe am Kunden bleiben will und dabei den persönlichen Kontakt als unverzichtbares Asset der Marktbearbeitung ansieht, kommt heute an einem Einsatz der Videoberatung nicht mehr vorbei. Diese Grundüberlegung hat den Autor dazu veranlasst, diese Dienstleistung zunächst im stationären Vertrieb seines Hauses und später auch in der hauseigenen Internetfiliale einzusetzen. Dort lässt sich das Angebot den bisherigen Erfahrungen nach durchaus mit der zeitlichen Einschränkung vereinbaren, die Videoberatung ausschließlich während der auch sonst üblichen Öffnungszeiten anzubieten. Die für die Dienstleistung eingesetzten Mitarbeiter sind ausgebildete Bankkaufleute, die innerhalb seiner Sparkasse quasi wie eine eigene Filiale arbeiten. Gut 30 Produkte können dort mittlerweile direkt online abgeschlossen werden. Als besonders erfolgreich bewertet der Autor die Videoberatungen der Versicherungsexperten. (Red.)

Inmitten der rasanten Entwicklung des mobilen Internets und der zunehmenden Digitalisierung hat die Sparkasse am Niederrhein ihre zentrale Aufgabe klar definiert: Nah am Kunden bleiben. Kunden können per Mausklick die Internetfiliale besuchen, via Videoberatung und -legitimation sowie Onlinechat Kontakt zu ihrer Sparkasse aufnehmen und nach wie vor klassisch per Telefon oder persönlich in der stationären Geschäftsstelle mit ihrem Berater sprechen. Ältere und kranke Kunden erhalten auf Wunsch Bargeld nach Hause geliefert.

Persönliche Ansprechpartner: stationär und online

Die strategische Ausrichtung auf den Multikanal sieht dabei vor, dass Kunden der Sparkasse sämtliche Dienstleistungen und Produkte überall und ohne Unterschied in Preis oder Qualität erwarten dürfen. Auf den Unterschied legt die Sparkasse ganz im Sinne der bundesweiten Markenkampagne nur in einem Wert: im Namen.

Denn bei aller notwendigen Anpassung und technischen Ausweitung des Angebotes bleibt es wichtig, die unverwechselbaren Stärken der Sparkasse beizubehalten. Das sind die Nähe zum Kunden und die qualifizierte Beratung zu sämtlichen finanziellen Fragen. Die Bedürfnisse der Menschen stehen dabei im Vordergrund, ganz gleich, welchen Weg sie in die Sparkasse wählen.

Die passenden Konzepte und Lösungen müssen schon da sein. Und die können allein gut ausgebildete Beraterinnen und Berater als persönliche Ansprechpartner gewährleisten. Diese Grundvoraussetzung für eine hohe Kundenzufriedenheit wird zukünftig noch wichtiger werden, da sich der reine Service zunehmend ins Internet verlagern, der Beratungsbedarf in den stationären Geschäftsstellen jedoch steigen wird.

Multikanal heißt bei der Sparkasse 24 Stunden an sieben Tagen in der Woche. Interessant dabei ist die Beobachtung, dass die Internetfiliale von Montag bis Freitag in der Zeit zwischen 8 und 18 Uhr am meisten frequentiert wird. Stärkster Tag ist der Montag, schwächster der Sonntag.

Auf der Grundlage dieser Erfahrung bietet die Sparkasse die Videoberatung und -legitimation via Skype zurzeit ausschließlich während der allgemeinen Öffnungszeiten an. Zuständig für diesen Service der Internetfiliale ist der Mediale Vertrieb, der auch zentral ankommende Telefonate beantwortet oder weiterleitet und zugleich im Chat auf Kundenanfragen reagiert. Die Bündelung des Service- und Beratungsangebotes in der Internetfiliale bei nur einem einzigen Team sorgt für gleichbleibende und durchgängige Qualität.

Überall gleichbleibende Qualität zu gleichen Preisen

Im Servicebereich der Internetfiliale können Kunden beispielsweise Adressen oder Limits ändern, ihr Girokontomodell wechseln, Lastschriften zurückgeben, das Handy aufladen oder den Kontowecker einstellen. Auch für Kunden, die sonst nicht das Onlinebanking nutzen - und das sind immer noch mehr als die Hälfte - gibt es Serviceangebote. Sie können unter anderem ihre Jahressteuerbescheinigungen anfordern, den Bargeldservice buchen, einen Freistellungsauftrag erteilen oder ändern sowie einen Karteneinzug am Geldautomaten melden.

Im Produktbereich finden sich aktuell mehr als 30 Angebote, Tendenz steigend. Ziel ist es, alle klassischen Produkte zu digitalisieren und fallabschließend in der Internetfiliale anzubieten. Das ist die Chance, auf Knopfdruck überall gleichbleibende Qualität zu bieten und nah am Kunden zu bleiben. Sie können ihr Geld online in einen Sparkassenbrief oder als Festgeld anlegen, einen VL-Vertrag abschließen, PS-Lose über ihr Girokonto kaufen, ein jederzeit verfügbares Tagesgeld anlegen und natürlich ihr Onlinedepot managen. Auf der Aktivseite ergänzen der Sparkassen-Autokredit, der S-Privatkredit und der Dispositionskredit das Internetangebot.

Sehr gut angenommen wird auch die Möglichkeit, einen Safe in einem der Kundentresore anzumieten, die im gesamten Geschäftsgebiet zwischen Moers und Xanten zur Verfügung stehen. Der Kunde kann online abrufen, wo welche Safegröße frei ist, welche Kosten aufs Jahr anfallen und sofort buchen.

Sehr gut kommt in der Kundschaft das neue Angebot der Video-Legitimation an. Neukunden der Sparkasse können sich dabei von ihrem Computer, Tablet oder Smartphone aus innerhalb weniger Minuten per Videoübertragung legitimieren. Die Sparkasse am Niederrhein ist bundesweit die erste Sparkasse, die diesen Onlineservice anbietet. Die Legitimation per Videokamera gilt für das komplette Angebot der Internetfiliale. Die Video-Legitimation bietet damit parallel zum herkömmlichen Postident-Verfahren eine schnelle und unkomplizierte Möglichkeit, beispielsweise ein Konto zu eröffnen oder einen Sparvertrag abzuschließen.

Video-Legitimation von Neukunden innerhalb von Minuten

Um die Video-Legitimation zu nutzen, braucht man nur eine Internetverbindung, eine Webcam und seinen gültigen Personalausweis oder Reisepass, um sich gegenüber einem Mitarbeiter der Sparkasse auszuweisen. Alle zur Legitimation notwendigen Daten speichert die Sparkasse auf ihren eigenen Rechnern. Dieser Service ist besonders für Kunden interessant, die keine Möglichkeit haben, sich in der nächstgelegenen Sparkassen-Geschäftsstelle oder Postfiliale zu legitimieren oder gerade im Ausland sind.

In erster Linie ist die Video-Legitimation für Neukunden gedacht, wird jedoch auch von Bestandskunden genutzt. Erst kürzlich meldete sich ein Kunde, der heute in Köln lebt. Er wollte gerne seine Frau als Verfügungsberechtigte für sein Girokonto eintragen lassen. Die Ehefrau war bisher nicht Kundin der Sparkasse am Niederrhein und hätte persönlich in die 70 Kilometer entfernte Geschäftsstelle kommen oder sich mit einem Postident-Verfahren legitimieren müssen. Per Video-Legitimation war der Eintrag innerhalb weniger Minuten erledigt.

Gleiche Erfahrungen macht die Sparkasse seit nunmehr knapp vier Jahren mit der Videoberatung in ihren Geschäftsstellen im gesamten Geschäftsgebiet. Bei speziellen Fragen zu Versicherungen, Finanzierungen oder Wertpapiergeschäften mussten die Berater mit den Kunden früher oft Termine mit Spezialisten verabreden. Seit Einführung der Videotechnik 2011 können inzwischen in sieben von 28 Geschäftsstellen beim Beratungsgespräch auf Knopfdruck Spezialisten hinzugezogen werden. Dazu notwendig sind schnelle DSL-Leitungen pro Standort - also jede Filiale und jede Abteilung mit den Experten. Für scharfe Bilder und guten Ton sollte die Bandbreite schon drei MB/s betragen. Die benötigte Hard- und Software kommt von Cisco Systems. Die Firma stellte in der Pilotphase zunächst vier große Bildschirme mit integrierten HD-Kameras plus Telefonbedieneinheiten und die entsprechende Software zur Verfügung. Schaltzentrale des Ganzen ist ein Cisco-Kommunikationsserver.

Spezialisten per Knopfdruck zuschalten

Neben dem Aufbau einer technischen Plattform muss die Videoberatung auch prozessorganisatorisch in die Abläufe eingepasst werden. Die Sparkasse wählte dazu einen ganz pragmatischen Ansatz. Die Videoberatung soll keine Änderungen der gewohnten Strukturen und Prozesse innerhalb der Aufbauorganisation erfordern: gleiche Kompetenzen, gleiche Infrastruktur zum Druck von Verträgen und Beraterprotokollen. An der ersten Pilotphase nahmen zunächst zwei Geschäftsstellen und zwei Expertenbereiche (Versicherungsagentur, Wertpapier-Spezial) teil.

Um einzuschätzen, wie die Kunden die Videoberatung wahrnehmen, erklärten sich sowohl die Berater der Geschäftsstellen als auch die Spezialisten bereit, nach jedem Gespräch einen Feedbackbogen auszufüllen. Diese differenzierten Angaben, beispielsweise zur Handhabung und Qualität der Technik, zur Kundenakzeptanz oder zur Möglichkeit des Cross-Sellings, lieferten die Basis für die nächsten Schritte. Nach der sehr guten Kunden- und Mitarbeiterresonanz weitete die Sparkasse die Videoberatung auf jetzt sieben von 28 Geschäftsstellen aus. Dort können seither auch Firmenkundenberater und Finanzierungsspezialisten per Video an Beratungsgesprächen teilnehmen.

Die Erfahrungen mit der Videotechnik kann man in einem Satz so beschreiben: Sie stärkt die Qualität der persönlichen Beratung vor Ort, spart lästige Folgetermine und eröffnet Cross-Selling-Potenziale. Überrascht hat alle Beteiligten, dass wirklich alle Kunden den zugeschalteten Gesprächsteilnehmer als glaubwürdig wahrnahmen, offen mit ihm sprachen und im Anschluss daran die Atmosphäre als angenehm beschrieben. Auch die Berater in den Geschäftsstellen wissen inzwischen zu schätzen, dass sie vom Kunden als kompetenter empfunden werden, gerade weil sie mittels Videotechnik schnelle und unbürokratische Lösungen anbieten können. Die Spezialisten wiederum profitieren von der Videoberatung, weil sie sich so manche Autofahrt sparen können - das ist effizient.

Beratung auch per Skype

Weitere Pluspunkte der Projektbewertung: Nahezu alle Videogespräche machten einen späteren Vor-Ort-Termin überflüssig. Über 90 Prozent der Gespräche führten zu Ergebnissen: 57 Prozent Produktabschlüsse, 22 Prozent verbindliche Folgeberatungen und 14 Prozent zu Angebotserstellungen. Als besonders erfolgreich erwiesen sich dabei die Videoberatungen der Versicherungsexperten. Das wiederum veranlasste die Geschäftsführung der Provinzial Rheinland, in die Videoberatung einzusteigen. Mithin können jetzt wiederum die Berater der Sparkasse in besonders kniffeligen Fällen Experten aus Düsseldorf zu Gesprächen hinzuziehen.

Der Erfolg in der stationären Videoberatung ermunterte dazu, die Videoberatung auch in der Internetfiliale anzubieten. Seit gut eineinhalb Jahren kann jeder Kunde, aber auch Nicht-Kunde, die Sparkasse während der Geschäftszeiten über Skype erreichen. Für die Videotelefonie muss der Nutzer über einen Computer, Laptop, Tablet-PC oder Smartphone mit einer Webcam und einem Mikrofon verfügen. Und natürlich die kostenfreie Skype-Software installiert haben. Auf allen Webseiten der Internetfiliale findet sich ein Skype-Button. Wer darauf klickt, kommt auf eine Vorschaltseite, auf der sich zwei Onlineberater als persönliche Ansprechpartner vorstellen.

Die dort eingesetzten Mitarbeiter sind ausgebildete Bankkaufleute und arbeiten im Medialen Vertrieb der Internetfiliale. Die Abteilungsgruppe administriert die Homepage und betreut alle Produkte sowie Dienstleistungen rund um das Electronic Banking. Als Internetfiliale tritt die Gruppe zudem als eigenständige Geschäftsstelle auf, bei der Kunden die inzwischen gut 30 Produkte direkt online abschließen können.

Schnelle Fallbearbeitung über die Videoberatung

Es hat sich gezeigt, dass die Onlineberater mit ihrem Know-how in der Lage sind, die meisten Fragen der Anrufer sofort zu beantworten oder deren Wünsche zu erfüllen. Kunden erwarten schnellen Service bei allen Fragen rund ums Girokonto, zum Onlinebanking oder zur Standardproduktpalette. In besonderen Fällen vermitteln die Onlineberater auch mal einen Termin in die zuständige Geschäftsstelle oder den Rückruf eines Experten - gerne auch per Skype.

In einem Flyer stellt die Sparkasse die Videoberatung anschaulich vor. Flankiert wird der Multikanalauftritt von Plakaten und Anzeigen. Zudem konnten örtliche Zeitungsredakteure in einem Pressegespräch die Technik im Live-Betrieb erleben und selbst ausprobieren. Ein kurzer Film, der die Videoberatung in einer Geschäftsstelle zeigt, rundet die Werbe- und Kommunikationsmaßnahmen zu dem Thema ab.

Die Botschaft der Sparkasse richtet sich an alle Menschen in ihrem Geschäftsgebiet. Sie lautet: Der persönliche Kontakt zum Kunden steht im Vordergrund: in 28 Geschäftsstellen am Telefon und per Video. Im Bedarfsfall können so kurzfristig auch Experten aus dem Haus zu einem Gespräch hinzugezogen werden. Und alle, die wenig Zeit haben, viel unterwegs sind oder einfach mal von zu Hause in der Internetfiliale vorbeischauen möchten, können per Skype persönlich mit einem Sparkassen-Berater sprechen.

Sparkasse am Niederrhein

Bilanzsumme: 3,1 Milliarden EuroAnzahl Geschäftsstellen: 28Anzahl Mitarbeiter: 756Geschäftsgebiet: 374 Quadratkilometer, 208000 Einwohner

Noch keine Bewertungen vorhanden


X