Qualifizierte und zuverlässige Manager - entscheidend für solide und zukunftsfähige Banken

Annick Teubner, Europäische Zentralbank - Bankenaufsicht - Generaldirektion Mikroprudenzielle Aufsicht IV/Abteilung Zulassungsverfahren, Frankfurt am Main

Annick Teubner, Europäische Zentralbank - Bankenaufsicht - Generaldirektion Mikroprudenzielle Aufsicht IV/Abteilung Zulassungsverfahren, Frankfurt am Main - Qualifizierte und zuverlässige Manager sind entscheidend für gute Unternehmensführung, diese Erkenntnis hat sich besonders seit der Finanzkrise nicht zuletzt bei den Aufsehern gefestigt. Im Bereich Bankenaufsicht der Europäischen Zentralbank stellt die Überwachung der Qualifikation und Zuverlässigkeit von Leitungsorganen eine Schlüsselaufgabe dar. Die Autorin geht auf das von der EZB angewendete Verfahren ein und erläutert die fünf Kriterien, die Mitglieder des Leitungsorgans erfüllen müssen, um als qualifiziert und zuverlässig erachtet zu werden. (Red.)

Die Unternehmensführung einer Bank bezieht sich auf ihre interne Organisation sowie darauf, wie sie ihre Geschäfte führt und ihre Risiken steuert.1) Ein zentraler Bestandteil der internen Organisation sind die Organe und Funktionen, die sicherstellen sollen, dass Risiken wirksam gesteuert und Beschlüsse im Sinne der langfristigen Interessen der Bank und unter Berücksichtigung der Interessen sämtlicher Stakeholder gefasst werden.

Effektive Leitungsorgane

Ein effektives Leitungsorgan2) trägt zur Sicherheit und Solidität der Bank bei, indem es die Entwicklung und Festlegung der Strategie und der Risikobereitschaft der Bank steuert, den Informationsfluss kontrolliert, sämtliche Informationen einholt, die für eine fundierte und ausgewogene Entscheidungsfindung erforderlich sind, die Geschäftsleitung für die Umsetzung der Strategie und der Risikobereitschaft sowie das tägliche Management der Bank zur Verantwortung zieht und ein unabhängiges und wirksames Risikomanagement und interne Kontrollen einrichtet, überwacht und unterstützt. Um dies zu erreichen, müssen die Mitglieder des Leitungsorgans qualifiziert und zuverlässig3) sein.

Zudem sollte sich die Zusammensetzung des Leitungsorgans positiv auf die Erfüllung seiner Aufgaben auswirken. Es ist daher nicht nur die primäre Verantwortung der Bank, kontinuierlich sicherzustellen, dass das Leitungsorgan adäquat zusammengesetzt ist und über geeignete Mitglieder verfügt, sondern es liegt auch in ihrem eigenen Interesse.

Seit der Finanzkrise, als Schwachstellen bezüglich der Arbeitsweise und Zusammensetzung von Leitungsorganen festgestellt wurden, sind der Regulierungsrahmen und die aufsichtliche Beurteilung hinsichtlich der fachlichen Qualifikation und persönlichen Zuverlässigkeit von Mitgliedern des Leitungsorgans gestärkt worden. In diesem Zusammenhang veröffentlichte die Europäische Bankenaufsichtsbehörde (European Banking Authority, kurz EBA) eigene Leitlinien zur Beurteilung der Eignung von Mitgliedern des Leitungsorgans und Inhabern von Schlüsselfunktionen (EBA-Leitlinien zur Eignung)4) und mit der Eigenkapitalrichtlinie IV (CRD IV)5) wurden erhöhte Eignungsanforderungen eingeführt.6)

Die Anforderungen hinsichtlich der fachlichen Qualifikation und persönlichen Zuverlässigkeit sollen gewährleisten, dass die Mitglieder der Leitungsorgane zur Steuerung der Geschäfte und Risiken in der Lage sind, während gleichzeitig die Besonderheiten ihrer Aufgaben sowie die Spezifika und Aktivitäten der jeweiligen Bank berücksichtig werden. Da Unternehmensführung eine der Prioritäten des Einheitlichen Aufsichtsmechanismus (Single Supervisory Mechanism, SSM)7) ist und die Eignung von Mitgliedern der Leitungsorgane diesbezüglich ein zentraler Faktor ist, stellt die Überwachung der Qualifikation und Zuverlässigkeit von Leitungsorganen eine Schlüsselaufgabe der EZB dar (Abbildung 1). Die Beurteilung der fachlichen Qualifikation und persönlichen Zuverlässigkeit von Mitgliedern der Leistungsorgane ist einer der Prozesse der Bankenaufsicht mit der höchsten Anzahl an Verfahren. Aufgrund der hohen Zahl von Beurteilungen wurden im Jahr 2016 Maßnahmen implementiert, um Beurteilungen effizienter zu machen und die durchschnittliche Bearbeitungszeit zu reduzieren. Diese Maßnahmen waren erfolgreich.

Einhaltung der Regeln

Der vorliegende Artikel konzentriert sich auf die Zuständigkeit der EZB und den rechtlichen Rahmen für die aufsichtliche Beurteilung von fachlicher Qualifikation und persönlicher Zuverlässigkeit. Er beschreibt kurz zusammengefasst das von der EZB angewendete Verfahren sowie die fünf Kriterien, die Mitglieder des Leitungsorgans erfüllen müssen, um als qualifiziert und zuverlässig erachtet zu werden.

Durch die SSM-Verordnung8) wurden der EZB Aufgaben in Zusammenhang mit der Bankenaufsicht übertragen. Zu diesen gehört es, die Einhaltung der Regelungen für die Unternehmensführung und der Eignungsanforderungen durch die als bedeutend eingestuften Banken9) sicherzustellen. Hinsichtlich der Eignungsanforderungen muss die EZB beurteilen, ob die Anforderungen an die Leitungsorgane von den bedeutenden Banken im Euroraum eingehalten werden. Ungeachtet der Zuständigkeit der EZB für die Überwachung der Eignung von Mitgliedern der Leitungsorgane liegt die Hauptverantwortung für eine angemessene Zusammensetzung der Leitungsorgane sowie der Eignung seiner Mitglieder bei den Banken. Um dieser Verantwortung gerecht zu werden, sollten die Banken über geeignete und umfassende interne Richtlinien für die Rekrutierung sowie die Beurteilung der Eignung von Mitgliedern der Leitungsorgane verfügen. Diese Richtlinien sollten nicht nur bei der Auswahl von Mitgliedern angewandt werden, sondern auch bei der Beurteilung der Eignung während der Erfüllung des Mandats.

Beurteilung der fachlichen Qualifikation

Die Anforderungen an die Eignung von Mitgliedern der Leitungsorgane entstammen der in nationale Rechtsvorschriften umzusetzenden CRD-IV-Richtlinie sowie den EBA-Leitlinien. Daher wendet die EZB bei der Ausübung ihrer Rolle nationale Rechtsvorschriften10) mit den darin enthaltenen nationalen Besonderheiten an.11) Das Ergebnis der Eignungsprüfung der EZB sollte daher vollständig im Einklang mit den nationalen Rechtsvorschriften stehen. So kann die EZB die Ernennung eines Kandidaten für das Leitungsorgan nur in solchen Fällen ablehnen, in denen der Kandidat die Anforderungen der jeweiligen Rechtsvorschriften, die die einschlägigen Richtlinien in nationales Recht umsetzen, nicht erfüllt. Gleiches gilt für die Abberufung eines Mitglieds des Leitungsorgans.

Während die CRD-IV-Richtlinie und die EBA-Leitlinien zur Eignung für eine Harmonisierung auf regulatorischer Ebene12) sorgen, fördert die EZB die Homogenität durch die einheitliche Anwendung der Eignungsanforderungen. Eine harmonisierte Aufsicht innerhalb des SSM erfordert eine kohärente und konsistente Anwendung der CRD-IV-Richtlinie und der EBA-Leitlinien in allen betroffenen Mitgliedsstaaten.13) Zu diesem Zweck hat die EZB Richtlinien bezüglich der Auslegung von Beurteilungskriterien, Verfahrensaspekten und der Nutzung bestimmter Aufsichtsinstrumente erarbeitet. Diese Richtlinien wurden den Mitgliedern und Kandidaten, den Banken und der breiten Öffentlichkeit durch einen Leitfaden zur Beurteilung der fachlichen Qualifikation und persönlichen Zuverlässigkeit offengelegt.14) Dabei haben die Richtlinien die nationalen Rechtsvorschriften nicht eingeschränkt.

Wie wird eine Beurteilung der fachlichen Qualifikation und persönlichen Zuverlässigkeit durchgeführt? Die Beurteilung eines Kandidaten, der neu für ein Leitungsorgan ernannt werden soll, beginnt damit, dass die nationale Aufsichtsbehörde durch die Bank über die (beabsichtigte) Ernennung unterrichtet wird. Die nationale Aufsichtsbehörde informiert die EZB anschließend über die Ernennung. Beide holen dann alle erforderlichen Informationen ein und führen eine gemeinsame Beurteilung durch. Die nationale Aufsichtsbehörde und die EZB führen darüber hinaus gegebenenfalls ein Interview zur fachlichen Eignung und persönlichen Zuverlässigkeit durch. Ein Interview ist dabei ein Mittel, um zusätzliche Informationen zu erhalten, sei es zur Eignung des Kandidaten im Allgemeinen oder zu einem bestimmten Aspekt, der Anlass für spezifische Bedenken gibt. In letzterem Fall werden die Bedenken in dem Einladungsschreiben für das Interview erläutert.

Seit der Veröffentlichung des Leitfadens zur Beurteilung der fachlichen Qualifikation und persönlichen Zuverlässigkeit werden Interviews regelmäßig durchgeführt, wenn die Positionen des CEO und des Vorsitzenden des Verwaltungs- oder Aufsichtsrates bei bedeutenden Einzelinstituten und den obersten Instituten von Bankengruppen neu zu besetzen sind. Darüber hinaus können Interviews aber auch in Einzelfällen für andere Positionen durchgeführt werden.

Die Beurteilung kann zu dem Ergebnis führen, dass ein Kandidat die fachliche Qualifikation und persönliche Zuverlässigkeit besitzt oder dass dies nicht der Fall ist. Im letzteren Fall kann die EZB Empfehlungen, Auflagen oder Bedingungen in ihren Beschluss aufnehmen, um verbleibenden Bedenken Rechnung zu tragen. Beispiele für Bedingungen sind das Absolvieren zusätzlicher Fortbildungsmaßnahmen, der Verzicht auf ein externes Mandat oder das Vereinbaren einer Probezeit unterhalb der Ebene des Leitungsorgans. Können die verbleibenden Bedenken nicht mit einer der genannten Maßnahmen ausgeräumt werden, fasst die EZB einen ablehnenden Beschluss.

Anforderungen an Mitglieder von Leitungsorganen

Die Notwendigkeit adäquater Fähigkeiten: Mitglieder des Leitungsorgans müssen - einzeln und kollektiv - über ausreichende Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrung besitzen.15) Für die effektive Leitung einer Bank und die Durchführung einer wirksamen Überwachung müssen die Mitglieder des Leitungsorgans das Geschäftsmodell der Bank verstehen. Sie benötigen zudem Kenntnisse des maßgeblichen Rechtsrahmens und der Bankenlandschaft und müssen die Risiken der Bank verstehen und wissen, wie diese angemessen gesteuert werden können. Darüber hinaus müssen die Mitglieder in der Lage sein eine unterstützende aber auch kritische Haltung einzunehmen, im Team zusammenzuarbeiten und intern wie auch extern klar zu kommunizieren.

Das Leitungsorgan in seiner Leitungsfunktion (Vorstand) ist für die Führung der Geschäfte zuständig, in den Zuständigkeitsbereich des Leitungsorgans in seiner Aufsichtsfunktion (Aufsichts- und Verwaltungsräten) fällt hingegen die Überwachung. Dies bedeutet, dass die Aufsichtsfunktion die Leitungsfunktion beraten und unterstützen und sie konstruktiv hinterfragen muss. Da sich die Rollen der beiden Funktionen unterscheiden, führt die Anwendung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit zu verschiedenen aufsichtlichen Erwartungen hinsichtlich ihrer Eignung. Aus diesem Grund macht die EZB in Bezug auf den Wissens- und Erfahrungsstand Unterschiede zwischen Leitungs- und Aufsichtsmandaten. Von Mitgliedern der Leitungsfunktion wird beispielsweise erwartet, dass sie über mehr praktische Erfahrung im Bankwesen verfügen als von Mitgliedern des Leitungsorgans in seiner Aufsichtsfunktion.

Darüber hinaus achtet die EZB darauf, insbesondere hinsichtlich des Leitungsorgans in seiner Aufsichtsfunktion, die Notwendigkeit ausreichender Kenntnisse des Bankengeschäfts mit den Vorteilen eines unverstellten Blicks von außen oder besonderer Fachkenntnisse in Einklang zu bringen. Ferner tragen auch Diversität und ein breites Erfahrungsspektrum im Leitungsorgan dazu bei, das Risiko von Gruppendenken einzuschränken. Es müssen daher nicht alle Mitglieder mit Aufsichtsmandat unbedingt einen beruflichen Werdegang im Bank- oder Finanzsektor vorweisen. Sonstige Erfahrungen, zum Beispiel im akademischen Bereich oder öffentlichen Sektor16), oder Erfahrungen in für die Bank notwendigen Bereichen wie IT oder Cyber-Sicherheit können ebenfalls als einschlägige Erfahrung erachtet werden. Da Banken zum Beispiel ihr Geschäft auf die neuen Chancen und Risiken der IT ausrichten müssen und Cyber-Sicherheit eine immer wichtigere Rolle auf der Agenda des Leitungsorgans spielt, ist es von zunehmender Bedeutung, dass Kenntnisse und praktische Erfahrung in diesen Bereichen im Leitungsorgan vorhanden sind. Alle Mitglieder des Leitungsorgans in seiner Aufsichtsfunktion müssen jedoch ein Mindestmaß an Kenntnissen im Banken- oder Finanzwesen haben. Fehlen diese Kenntnisse, können sie in den meisten Fällen durch intern oder extern angebotene Einführungs- und Schulungsprogramme erlangt werden.

Gesamtzusammensetzung des Leitungsorgans

Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit bedeutet in diesem Zusammenhang auch, dass bei der Beurteilung von Kenntnissen und Erfahrung eines Kandidaten dessen spezifische Position berücksichtigt wird. Der CEO und der Vorsitzende des Verwaltungs- oder Aufsichtsrates müssen über mehr Erfahrung im Bankwesen und auf der oberen Führungsebene verfügen als andere Mitglieder des Leitungsorgans.

Es sollte jedoch nicht nur auf die Erfahrung von Einzelpersonen, sondern auch auf die Gesamtzusammensetzung des Leitungsorgans geachtet werden, da eine inadäquate Zusammensetzung zu Lücken bei der kollektiven Eignung oder zu einer mangelhaften Dynamik führen kann.

Wenn ein neues Mitglied rekrutiert werden soll, muss die Bank insbesondere bei der Erstellung des Profils und der Auswahl eines Mitglieds die kollektive Eignung berücksichtigen. Die Ernennung eines neuen Mitglieds bietet die Gelegenheit, die Zusammensetzung des Leitungsorgans zu verbessern. Beispielsweise indem eine Person mit einem bislang nicht im Leitungsorgan vorhandenen Hintergrund ernannt wird und somit das Leitungsorgan um nützliche Kompetenzen hinsichtlich Strategie und Geschäftsmodell der Bank, neuen Marktentwicklungen oder neuen regulatorischen Entwicklungen erweitert wird.

Bei der Beurteilung der kollektiven Eignung kann die Bank bestehende Instrumente nutzen, wie etwa eine Eignungsmatrix, oder eine eigene Methodik entwickeln, um einen Überblick über die verfügbare Erfahrung im Leitungsorgan und eventuell vorhandene Lücken zu gewinnen. Es ist dabei hervorzuheben, dass die kollektive Eignung allein nicht ausreicht. Dies gilt auch dann, wenn das Leitungsorgan Beschlüsse kollektiv fasst und seine Mitglieder gemäß dem nationalen Rechtsrahmen gemeinsam verantwortlich oder rechenschaftspflichtig sind. Die CRD-IV-Richtlinie schreibt ausdrücklich vor, dass die Mitglieder auch einzeln ausreichende Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrung besitzen müssen.

Die Notwendigkeit eines angemessenen Zeitaufwands: Die Mitglieder des Leitungsorgans müssen für die angemessene Erfüllung ihrer Aufgaben ausreichend Zeit aufwenden.17) Die aufsichtliche Praxis zeigt, dass diese Anforderung häufiger ein Problem für Mitglieder des Leitungsorgans in seiner Aufsichtsfunktion als für Mitglieder der Leitungsfunktion ist. Mitglieder der Aufsichtsfunktion sollten nicht nur für die Teilnahme an den Sitzungen, sondern auch für deren sorgfältige Vorbereitung über ausreichend Zeit verfügen, um bei Diskussionen eine aktive Rolle spielen können. Ist es Mitgliedern nicht möglich, ausreichend Zeit für ihre Aufgaben aufzuwenden, so sind sie nicht adäquat in der Lage Probleme und Risiken zu analysieren, können nicht alle notwendigen Informationen einholen und lesen, um die Geschäftsleitung zu überwachen und ihr entgegenzutreten und können darüber hinaus auch keine angemessenen und fundierten Entscheidungen treffen. Der Zeitaufwand ist daher für eine ausgewogene Entscheidungsfindung von grundlegender Bedeutung.

Wie effektiv eine Bank geleitet wird, hängt auch von zeitnahen und vollständigen Informationen ab. Ist der Informationsfluss ineffektiv und unzulänglich, so verfügen die Mitglieder des Leitungsorgans nicht über einen hinreichenden Einblick in die Risiken und Probleme der Bank. Es liegt in der Verantwortung der Leitungsfunktion, der Aufsichtsfunktion zeitnahe, objektive und einschlägige Informationen bereitzustellen. Das Leitungsorgan in seiner Aufsichtsfunktion trägt jedoch auch selbst die Verantwortung dafür, die Einholung aller für die Erfüllung ihrer Aufgaben maßgeblichen Informationen sicherzustellen. Zu diesem Zweck sollte sich das Leitungsorgans in seiner Aufsichtsfunktion proaktiv um Informationen (auch von internen oder externen Experten) bemühen und die Mechanismen der Informationsweitergabe überwachen. All dies erfordert Zeit.

Anzahl der Mandate

In der CRD-IV-Richtlinie wird die Zahl der Mandate als einer der Faktoren erachtet, die sich auf den Zeitaufwand eines Mitglieds eines Leitungsorgans auswirken.18) Aus diesem Grund beschränkt die CRD- IV-Richtlinie die Zahl der Leitungs- oder Aufsichtsmandate, die ein Mitglied des Leitungsorgans innehaben kann19), und beinhaltet verschiedene Regelungen bezüglich der Zählung von Mandaten um entsprechende Obergrenzen festzulegen. Hierbei müssen Mandate in Organisationen, die nicht überwiegend gewerbliche Ziele verfolgen, nicht berücksichtigt werden.20) Darüber hinaus werden mehrfache Leitungsoder Aufsichtsmandate in manchen Fällen als ein einziges Mandat gezählt, etwa bei Leitungs- oder Aufsichtsmandaten innerhalb derselben Gruppe.21) In ihrem Leitfaden22) erläutert die EZB, welche Organisationen ihrer Auffassung nach nicht überwiegend gewerbliche Ziele verfolgen23) und beschreibt ihren Ansatz für die Erfassung von Leitungs- oder Aufsichtsmandaten im Rahmen der quantitativen Beurteilung des Zeitaufwands eines Kandidaten.

Auch wenn die Zahl der Mandate die von der CRD-IV-Richtlinie festgelegten quantitativen Grenzen nicht überschreitet, sollten die Bank und der Kandidat auch eine qualitative Beurteilung durchführen. Es gilt zu prüfen, ob der Kandidat tatsächlich in der Lage ist, ausreichend Zeit für die Ausübung der betreffenden Funktion aufzuwenden, da es noch weitere Faktoren gibt, die Auswirkungen auf den Zeitaufwand haben können. Dazu zählen beispielsweise die Größe und das Umfeld der Institutionen, bei denen der Kandidat Mandate innehat, ebenso wie der Umfang und die Komplexität der Geschäfte der Institution oder der Ort und das Land, in dem die Institutionen niedergelassen sind. Hinzu kommen auch sonstige persönliche oder berufliche Verpflichtungen und Umstände des Kandidaten. Faktoren dieser Art werden von der EZB bei der Durchführung der qualitativen Beurteilung des Zeitaufwands berücksichtigt. Die qualitative Beurteilung erfordert eine Einzelfallbeurteilung und eine vollständige Offenlegung aller Mandate vonseiten des Kandidaten. Falls einem Mitglied aufgrund der Zahl seiner Mandate nicht ausreichend Zeit für die Erfüllung seiner Aufgabe bleibt, obwohl die Zahl der Mandate in den durch die CRD-IV-Richtlinien fest gelegten Grenzen liegt, kann die EZB es zur Auflage machen, dass das Mitglied ein Mandat oder mehrere Mandate aufgibt.

Die Notwendigkeit der Unvoreingenommenheit: Eine ausgewogene Entscheidungsfindung erfordert die Objektivität aller Mitglieder des Leitungsorgans. Daher sollte jedes Mitglied des Leitungsorgans unvoreingenommen sein.24) Die Meinungsbildung und Beschlussfassung der Mit glieder des Leitungsorgans sollte stets im langfristigen Interesse der Bank und unabhängig von individuellen Beweggründen der Mitglieder erfolgen. Unvoreingenommenheit bedeutet unter anderem, dass bei den Mitgliedern des Leitungsorgans keine wesentlichen Interessenkonflikte vorliegen sollten. Wenn dies doch der Fall ist, sollten die tatsächlichen oder potenziellen Konflikte angemessen gehandhabt oder gemindert werden.

Banken müssen hierfür über eine Richtlinie zu Interessenkonflikten verfügen. In dieser Richtlinie muss niedergelegt sein, wie die Bank sicherstellt, dass (potenzielle) Interessenkonflikte identifiziert werden, wie die Wesentlichkeit von Konflikten beurteilt wird und welche Maßnahmen im Fall wesentlicher Interessenkonflikte zu ergreifen sind. Zu den in der Praxis am häufigsten ergriffenen Maßnahmen zählen die Stimmenthaltung oder die Nichtteilnahme an einer Sitzung, die Karenzzeit für den Kandidaten oder der Rücktritt von einer bestimmten Position. Die Bank als auch der Kandidat müssen die nationale zuständige Aufsichtsbehörde über alle möglichen und vermeintlichen Interessenkonflikte informieren, damit Letztere die Wesentlichkeit und - falls der Konflikt wesentlich ist - die Maßnahmen zur Steuerung oder Minderung der Risiken beurteilen kann.

In ihrem Leitfaden hat die EZB für jede Art von Interessenkonflikt (persönlich, beruflich, finanziell und politisch) klargestellt, in welchen Fällen ein wesentlicher Konflikt unterstellt wird.25) Potenzielle persönliche Konflikte können beispielsweise vorliegen, wenn Beziehungen zu Inhabern von Schlüsselfunktionen in der Bank bestehen. Bedeutende Geschäftsbeziehungen mit der Bank (zum Beispiel durch die Erbringung von Dienstleistungen für die Bank) oder wesentliche finanzielle Verpflichtungen gegenüber der Bank (zum Beispiel Kredite) erschweren es Mitgliedern von Leitungsorganen, unvoreingenommen zu handeln und objektiv Entscheidungen zu treffen (berufliche und finanzielle Interessenkonflikte).

Interessenkonflikte angemessen behandeln

Interessenkonflikte können auch entstehen, wenn ein Kandidat zugleich ein Amt bekleidet, das ihm großen politischen Einfluss verleiht. Die entscheidende Frage ist dann, ob dieses Amt Befugnisse oder Verpflichtungen mit sich bringt, die den Kandidaten daran hindern, ausschließlich im Interesse der Bank zu handeln. Was ist mit dem Bürgermeister, der nicht nur Mitglied im Verwaltungsrat der Sparkasse ist, sondern auch eine wesentliche Funktion in den Stadtwerken bekleidet, die einen Kredit der Sparkasse nicht zurückzahlen? Aber: Ein Interessenkonflikt verhindert nicht automatisch, dass ein Kandidat Mitglied des Verwaltungsrats wird. Entscheidend ist, dass der Interessenkonflikt angemessen gehandhabt und begrenzt wird.

Liegt ein Interessenkonflikt vor, muss die Bank zunächst das daraus resultierende Risiko evaluieren. Falls ein Interessenkonflikt dabei als wesentlich eingestuft wird, muss die Bank angemessene Maßnahmen ergreifen und der Aufsichtsbehörde in einem "Conflict of interest statement" darlegen, wie es den Interessenkonflikt verhindern oder begrenzen wird. Die Aufsichtsbehörde beurteilt dann ebenfalls, ob der Interessenkonflikt wesentlich ist und ob die Bank geeignete Maßnahmen ergriffen hat. Falls die Bank den Interessenkonflikt nicht ausreichend begrenzen kann, kann die Aufsichtsbehörde weitere Maßnahmen verlangen oder Bedingungen stellen. Dazu gehören zum Beispiel spezifische Stimmenthaltung, fokussierte Überwachung durch die Bank selbst oder Berichte an die Aufsicht. Nur wenn weder die Maßnahmen der Bank noch die der Aufsicht es ermöglichen, einen wesentlichen Interessenkonflikt angemessen zu handhaben, müsste der betroffene Kandidat abgelehnt werden.

Guter Leumund

Die Notwendigkeit eines guten Leumunds von Mitgliedern des Leitungsorgans: Die Mitglieder des Leitungsorgans müssen für die Wahrnehmung ihrer Aufgaben allzeit ausreichend gut beleumundet sein.26) Das bedeutet, dass ihr persönliches Verhalten oder ihr Geschäftsgebaren keine Zweifel an ihrer Fähigkeit aufkommen lassen sollte, die solide und umsichtige Leitung des Kreditinstituts sicherzustellen. Bei der Beurteilung des Leumunds eines Mitglieds des Leitungsorgans sollte die EZB daher prüfen, ob es Anlass zu wesentlichen Zweifeln an der Fähigkeit des Mitglieds zur soliden und umsichtigen Leitung der Bank gibt.

Ein verwaltungs- oder strafrechtliches Verfahren kann sich auf den Leumund des Kandidaten und der Bank auswirken. Das kann selbst bei einem noch laufenden Verfahren der Fall sein, da dies von der Öffentlichkeit als ein relevantes Ereignis wahrgenommen werden kann und sich somit auf das Vertrauen in die Bank auswirken könnte. Solche Informationen werden zusammen mit anderen maßgeblichen Informationen bei der aufsichtlichen Beurteilung berücksichtigt, wobei den besonderen Umständen des Falls gebührend Rechnung getragen wird. Diese aufsichtliche Beurteilung sollte von der gerichtlichen Beurteilung im Rahmen eines Gerichtsverfahrens unterschieden werden. Die aufsichtliche Beurteilung befasst sich ausschließlich mit den potenziellen Auswirkungen eines laufenden Gerichtsverfahrens auf den Leumund des Kandidaten und die umsichtige Leitung der Bank. Die EZB nimmt das Ergebnis des verwaltungs- oder strafrechtlichen Verfahrens nicht vorweg.

Die fachliche Qualifikation und persönliche Zuverlässigkeit der Mitglieder von Leitungsorganen ist für die gute Unternehmensführung entscheidend. In ihrer Rolle muss die EZB beurteilen, ob die hinsichtlich der fachlichen Qualifikation und persönlichen Zuverlässigkeit bestehenden Anforderungen an die Leitungsorgane von den als bedeutend eingestuften Banken eingehalten werden. Die Beurteilungen der EZB stehen dabei völlig im Einklang mit nationalen Rechtsvorschriften.

Um die Beurteilungen innerhalb des SSM zu harmonisieren, hat die EZB Grundsätze zu den Beurteilungskriterien und Verfahrensaspekten erarbeitet, die durch die Veröffentlichung des Leitfadens zur Beurteilung der fachlichen Qualifikation und persönlichen Zuverlässigkeit transparent gemacht wurden. Die Beurteilung der Erfahrung, des Zeitaufwands, der Unvoreingenommenheit und des Leumunds der Kandidaten sowie der kollektiven Eignung des Leitungsorgans mündet stets in eine Einzelfallanalyse und erfolgt nach aufsichtlichem Ermessen. Es obliegt jedoch in erster Linie den Banken dafür zu sorgen, dass sie über ein leistungsfähiges Leitungsorgans verfügen, das aus geeigneten Mitgliedern besteht.

Fußnoten

1) SSM supervisory statement on governance and risk appetite (Bericht des SSM zu Governance und Risikobereitschaft), S. 4, Juni 2016 (www. bankingsupervision.europa.eu).

2) Der Begriff "Leitungsorgan" wird in diesem Artikel im Sinne der Begriffsbestimmung in Artikel 3 Absatz 1 Textziffer 7 und 8 der Richtlinie 2013/36/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 über den Zugang zur Tätigkeit von Kreditinstituten und die Beaufsichtigung von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen verwendet.

3) Die Begriffe "fachliche Qualifikation und persönliche Zuverlässigkeit" und "Eignung" werden in diesem Artikel synonym verwendet.

4) Die Leitlinien EBA/GL/2012/06 wurden im November 2012 veröffentlicht und kürzlich aktualisiert, um sie an die Anforderungen der Eigenkapitalrichtlinie IV (CRD IV) anzupassen (www.eba.europa.eu/).

5) Richtlinie 2013/36/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 über den Zugang zur Tätigkeit von Kreditinstituten und die Beaufsichtigung von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen, ABl. L 176/338 vom 27. Juni 2013.

6) Unter einem "Leitungsorgan" sollte ein Organ zu verstehen sein, das Führungs- und Aufsichtsaufgaben wahrnimmt (Erwägungsgrund 56 der Richtlinie 2013/36/EU). Daher gelten diese Anforderungen sowohl für Mitglieder der Leitungsfunktion als auch für Mitglieder der Aufsichtsfunktion, unabhängig von der Governance-Struktur des Instituts. Es sei darauf hingewiesen, dass der vorliegende Artikel keine bestimmte Governance-Struktur befürwortet.

7) SSM supervisory statement on governance and risk appetite (Bericht des SSM zu Governance und Risikobereitschaft), S. 4.

8) Artikel 4 Absatz 1 Buchstabe e der Verordnung (EU) Nr. 1024/2013 des Rates vom 15. Oktober 2013 zur Übertragung besonderer Aufgaben im Zusammenhang mit der Aufsicht über Kreditinstitute auf die Europäische Zentralbank, ABl. L 287/63 vom 29. Oktober 2013 ("SSM-Verordnung"), überträgt direkte Befugnisse auf die EZB, um die "Einhaltung der in Artikel 4 Absatz 3 Unterabsatz 1 genannten Rechtsakte, die Anforderungen an Kreditinstitute hinsichtlich solider Regelungen für die Unternehmensführung, einschließlich Eignungsanforderungen an die für die Geschäftsführung der Kreditinstitute verantwortlichen Personen [...] festlegen" zu gewährleisten.

9) Sparkassen sind meist weniger bedeutende Institute. Daher fallen sie nicht in den Zuständigkeitsbereich der EZB-Bankenaufsicht.

10) In Artikel 4 Absatz 3 der SSM-Verordnung heißt es: "Zur Wahrnehmung der ihr [...] übertragenen Aufgaben [...] wendet die EZB das einschlägige Unionsrecht an, und wenn dieses Unionsrecht aus Richtlinien besteht, wendet sie die nationalen Rechtsvorschriften an, mit denen diese Richtlinien umgesetzt wurden."

11) Die EZB geht davon aus, dass die nationalen Rechtsvorschriften die in dem nationalen Rahmen enthaltenen spezifischen Strukturen der Unternehmensführung berücksichtigen.

12) Artikel 91 der CRD IV beauftragt die EBA mit der Entwicklung von Leitlinien zu bestimmten Aspekten der Unternehmensführung. Die EBA-Leitlinien sollen die aufsichtliche Konvergenz sowie die Einheitlichkeit aufsichtlicher Ergebnisse gewährleisten. Diese Aufgaben obliegen weiterhin der EBA und gehen nicht auf die EZB über.

13) Verordnung 1024/2013, Erwägungsgründe 10 und 12.

14) Leitfaden zur Beurteilung der fachlichen Qualifikation und persönlichen Zuverlässigkeit, Mai 2017, www.bankingsupervision.europa.eu.

15) Artikel 91 Absatz 1 der CRD IV.

16) Inwieweit diese Erfahrung als einschlägig angesehen wird, hängt von der Position des Mitglieds ab.

17) Artikel 91 Absatz 2 der CRD IV.

18) Artikel 91 Absatz 3 der CRD IV.

19) Genauer gesagt a) auf ein Leitungsmandat mit zwei Aufsichtsmandaten oder b) auf vier Aufsichtsmandate.

20) Artikel 91 Absatz 4 der CRD IV.

21) Siehe Artikel 91 Absatz 5 der CRD IV. Zusätzliche Erläuterungen zur Zählweise der EZB sind im Leitfaden zu finden.

22) Der Leitfaden, S. 21.

23) Wie beispielsweise Sport- oder Kulturvereine, Wohltätigkeitseinrichtungen und Kirchen, Handelskammern oder Berufsverbände.

24) Unvoreingenommenheit sollte von der "formalen Unabhängigkeit" unterschieden werden. Letztere ist in der Regel gesetzlich verankert und bezieht sich auf die Anforderung, dass einige Mitglieder des Leitungsorgans in seiner Aufsichtsfunktion unabhängig von dem Unternehmen sein sollten. Die Anforderung der Unvoreingenommenheit gilt für alle Mitglieder des Leitungsorgans. Sie dient dazu, einen Konflikt zwischen persönlichen Interessen und Interessen der Bank zu vermeiden. Die Existenz potenzieller wesentlicher Interessenkonflikte hindert einen Vertreter beteiligter Akteure nicht unbedingt daran Mitglied des Leitungsorgans zu werden, sofern diese potenziellen Konflikte adäquat vom Institut gehandhabt und gemindert werden.

25) Auf S. 19 des Leitfadens werden für einige Interessenarten quantitative Schwellenwerte genannt, für andere Arten sind eher qualitative Beschreibungen zu finden.

26) Artikel 91 Absatz 1 der CRD IV.

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