Bundesgerichtshof

AGB-Entgelt für Ausstellung von Ersatzkarten unwirksam

Leser des Urteils des XI. (Banken-)Senats des BGH vom 20. Oktober 20151) werden die Richter wegen ihrer Fähigkeit zu vertiefter Sprach- und Begriffsanalyse entweder loben oder sie wegen Überbewertung von Worten kritisieren. Unabhängig von Lob oder Kritik verdient aber der juristische Fleiß des Senats bei der Suche nach Recht oder Unrecht einer Bankgebühr von 15 Euro den Respekt auch derer, die in dem Urteil einen "Tritt gegen das Schienbein" der Banken vermuten. Der Sachverhalt in Kürze: Das Preis- und Leistungsverzeichnis der beklagten Bank (Kläger war ein Verbraucherverband) enthielt für "Zahlungsverkehrskarten" neben der Angabe, dass die Card für den Kontoinhaber 0 Euro und eine Zusatzkarte jährlich 6 Euro kosten, die Bestimmung: "Ersatzkarte auf Wunsch des Kunden (Entgelt für Ausstellung der Karte) 15 Euro. Das Entgelt ist nur zu entrichten, wenn die Notwendigkeit der Ausstellung der Ersatzkarte ihre Ursache nicht im Verantwortungsbereich der Bank hat)."

Die Richter in erster und zweiter Instanz fanden nichts Unrechtes an dieser AGB-Klausel und wiesen die Unterlassungsklage ab. Der BGH sah das anders und entschied, die Bank müsse diese rechtlich unwirksame Entgeltklausel für die Ersatzkarte unterlassen. Sie enthalte von gesetzlichen Bestimmungen abweichende AGB-Regelungen, weil die Auslegung der Klausel ergebe, dass die Bank die 15 Euro auch verlangen könne, wenn die Ersatzkarte nach der wegen Verlusts oder Diebstahls vereinbarten Sperrung der Erstkarte ausgestellt werde. Mit der Bepreisung dieses Sachverhalts weiche die Bank zum Nachteil ihrer Kunden von gesetzlichem Recht ab.2)

Zu diesem Ergebnis kam der BGH nach eingehender Erforschung des im Klauseltext verwendeten Begriffs "Ursache". Dieser sei hier "objektiv mehrdeutig": Er könne den "unmittelbaren Anlass der Neuausstellung" betreffen, also den Akt der Sperrung durch die Bank (der in ihren "Verantwortungsbereich" falle). "Ursache" könne aber auch der Sachverhalt sein, der den Anlass zur Sperrung gab, also der Verlust der Erstkarte. Begriffliche und semantische Erwägungen des Senats brachten die Feststellung, aus "maßgeblicher Kundensicht" werde Ursache hier nur im zweiten Sinne verstanden: die Bank wolle also gerade für die Ersatzkarte bei Verlust der ersten die Gebühr erheben. Für den "Durchschnittskunden" sage die Klausel aus, für das Entgelt sei "nicht der Zwischenschritt der Sperrung, sondern die den gesamten Vorgang auslösende 'Ursache' ausschlaggebend", nämlich der Verlust der Erstkarte. Die Bank dürfe kein Entgelt erheben; weil sie mit der Ausstellung der Ersatzkarte nur ihre gesetzliche Nebenpflicht erfülle. Es gebe keine Grundlage im Gesetz für die Differenzierung der Bank nach "Verantwortungsbereichen". Fazit des BGH also: "Die ... Entgeltregelung ist ... mit wesentlichen Grundsätzen der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ... und benachteiligt die Kunden der (Bank) entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen (§ 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB)".

Das Urteil gibt keinen Grund zu der Annahme, der BGH wolle den Banken damit eine den konkreten Fall übergreifende "Rüge" erteilen. Seine Argumentation ist schlüssig, objektiv und von den gesetzlichen Vorgaben diktiert. Alle Kreditinstitute werden ihre AGB nun danach ausrichten müssen. Die Frage könnte an den Gesetzgeber zu richten sein, ob es "angemessen" ist, Banken (aber nicht nur ihnen) per Gesetz zu gebieten, Eigenkosten verursachende Zusatzleistungen für ihre Privatkunden unentgeltlich zu erbringen, wenn ein Entgelt nicht im Einzelfall auf Augenhöhe mit dem Kunden ausgehandelt wurde. Das wäre aber "ein weites, ja europaweites Feld!

RA Dr. Claus Steiner, Wiesbaden

1) BGH Urteil vom 20. Oktober 2015 - XI ZR 166/14 - abgedruckt in ZIP 2016, S. 11.

2) gemeint ist § 675k Abs. 2 Satz 5 in Verbindung mit § 675f Abs.4 Satz 2 BGB.

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