Weltwirtschaft

Handelsstreit

Als die ZfgK-Redaktion vor gut eineinhalb Jahren nach der Wahl von Donald Trump zum US-Präsidenten die internationalen Wirtschaftsbeziehungen zum Schwerpunktthema ihrer Neujahrsausgabe 2017 machte und dort namhafte Politiker, Wissenschaftler, Banker und Wirtschaftsvertreter mit einem Plädoyer für einen freien Welthandel und gegen Protektionismus zu Wort kommen ließ, war ein Handelsstreit noch ein Gedankenspiel - wenn auch ein sehr realistisches. Heute beschäftigt er in seinen realen Auswirkungen die Politik, die Wirtschaft und die breite Öffentlichkeit in den großen Handelszonen Vereinigte Staaten, China und der Europäischen Union sowie in vielen anderen Länder und drückt dieser Tage zahlreiche Prognosen zur Entwicklung der (Finanz-)Wirtschaft nach unten.

Seinem Gebaren auf internationalen Konferenzen und bei bilateralen Gesprächen und mehr noch seinen Tweets und unkonventionellen Kommunikationsmustern nach glaubt der US-Präsident sein Land im weltweiten Handel weiterhin massiv benachteiligt und hat mit seinen Zöllen auf Stahl und Aluminium sowie insbesondere gegenüber China auch auf weitere Produkte Gegenzölle provoziert. Fast täglich droht er mit weiteren protektionistischen Maßnahmen insbesondere gegenüber China und Europa und gefällt sich und seinen Anhängern darin, sein eigenes Land in jedem Falle als Sieger in einem drohenden Handelskrieg zu sehen. Das jüngste Treffen mit EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker hat nun offensichtlich einen zeitlichen Spielraum für Verhandlungen zwischen diesen großen Wirtschaftszonen gebracht, in dem es keine weitere Eskalationsrunden von Zöllen und Gegenzöllen geben soll. Nicht zuletzt die gerade für Deutschland so bedrohlichen Zölle auf Autos sind vorläufig abgewendet.

Die Verabredungen Stand Ende Juli aber schon als Durchbruch für eine Neuordnung der Handelsbeziehungen mit Europa zu feiern erscheint gewagt. Ob sie angesichts der Sprunghaftigkeit des US-Präsidenten wirklich der Ausgangspunkt für eine tragfähige Regelung oder sogar der Neustart für ein Abkommen zum Abbau von Handelsbarrieren zwischen Europa und den USA sind, ob und wie dabei auch die Agrar- und Lebensmittelbranche einbezogen werden kann, wie die künftige Rolle der Welthandelsorganisation aussehen und wie der Handelsstreit zwischen den USA und China sich in näherer Zukunft entwickeln wird, ist mit diesem Verhandlungsergebnis noch keineswegs geklärt.

Das Statistische Amt der Europäischen Union, kurz Eurostat oder ESTAT, hat kürzlich konkrete Zahlen zu den Dimensionen all dieser Streitfälle geliefert. In seiner aktuellen Publikation "The EU in the world" geht es für den Zeitraum zwischen 2006 und 2016/2017 auch auf die Entwicklung des internationalen Handels ein. Wie es der Vertrag von Lissabon vorsieht, wird die EU dabei als allein zuständige Instanz für die Handelspolitik als Einheit behandelt. Mit Blick auf den Warenverkehr hat sich demnach der Handelsbilanzüberschuss der EU-28-Länder gegenüber den USA zwischen 2007 und 2017 von 81,6 auf 120 Milliarden Euro erhöht. Ein wenig relativiert wird die Gesamtbilanz zwar durch den Dienstleistungssektor, die den USA nach einem Defizit von 7,1 Milliarden Euro im Jahre 2011 einen Überschuss von 1,3 Milliarden Euro im Jahre 2016 einbrachte. Aber insgesamt bleibt ein deutliches Ungleichgewicht, das im vergangenen Jahrzehnt noch größer geworden ist.

In den anstehenden Verhandlungen zwischen Europa und den USA haben nun beide Seiten die Chance, alle umstrittenen Punkte, von den möglichen Wohlfahrtsverlusten eines Handelsstreits bis hin zu der Behandlung des für Europa besonders sensiblen Agrarbereichs noch einmal nüchtern zu prüfen. Doch vor Rückschlägen dürfte das kaum schützen. Zumindest bis zu den Midterm-Wahlen in den USA im November wird Trump seinen Wählern zeigen wollen, dass er mit seiner Zollpolitik auf dem richtigen Wege ist.

Noch keine Bewertungen vorhanden


X