Sparkassen

Nachwirkungen eines schlechten Aktienjahres

Das Gewicht der Kundeneinlagen in den Bilanzen der 51 baden-württembergischen Sparkassen im ersten Halbjahr 2019 offenbart eine seltsame Diskrepanz zu der absehbaren Wertentwicklung sowie der aktuellen Einschätzung des Stuttgarter Verbandes zu den Rahmenbedingungen für Spargelder. Präsident Peter Schneider sprach bei der Präsentation der Halbjahreszahlen der Mitgliedssparkassen mit Blick auf die Andeutungen der EZB und anderer Notenbanken bei der kürzlichen Konferenz im portugiesischen Sintra von geradezu schockierenden Aussichten. Wohl schon mit Blick auf die auf der EZB-Ratssitzung am folgenden Tag kommunikativ für September vorbereiteten Optionen, angefangen von weiteren Zinssenkungen, der Neuauflage eines Wertpapierankaufprogramms sowie einer Verlängerung der Forward Guidance für eine noch längere Festlegung auf eine expansive Geldpolitik stufte er die Zinssituation als verheerend ein. Er beklagte insbesondere die katastrophalen Auswirkungen auf die Altersvorsorge in Deutschland. Die Aussicht auf Staffelzinsen mit Freigrenzen für die Einlagefazilität bei der EZB beruhigt ihn da nur wenig.

Die Sparkassen werden bei der Einführung von Negativzinsen für Privatkunden zwar nicht die ersten sein, ist sich Schneider sicher, schließlich schreiben ihnen die Sparkassengesetze die Förderung des Spargedankens vor. Aber wenn erste Häuser von Marktgewicht im betriebswirtschaftlichen Überlebenskampf zu diesem Instrument greifen, befürchtet er einen Ansteckungseffekt auf breiter Front über alle Formen und Größenordnungen der Einlagenprodukte, weil ansonsten Umgehungsgeschäfte ins Rollen kommen und Institute ohne Negativzinsen mit Einlagen überrollt werden. Unrealistisch ist diese Einschätzung nicht.

Völlig konträr zu solchen düstereren Zukunftsaussichten für Kundeneinlagen weisen Letztere in den Bilanzen der baden-württembergischen Banken für das erste Halbjahr 2019 ein Plus von 5,3 Prozent auf rund 143 Milliarden Euro auf. Das bedeutet die stärkste Zuwachsrate seit vielen Jahren, stärker noch als in den Krisenjahren 2007 und 2008, als Sparkassen und Genossenschaftsbanken besonders stark von der Verunsicherung der Sparer profitierten. Die Ursache für diesen Einlagenboom ist leicht nachvollziehbar. Als die Kunden im Frühjahr auf den Jahresabrechnungen 2018 ihrer Anlagedepots das deftige Minus der Aktienanlagen registriert haben, sind viele Gelder aus Sicherheitsgründen wieder in die Spareinlagen geflossen, die bekannte, typisch prozyklische Reaktion. Dabei ist das Wertpapiergeschäft der baden-württembergischen Sparkassen im ersten Halbjahr 2019 zwar ein wenig rückläufig, bewegt sich aber eher über dem Durchschnittsniveau der vergangenen zehn Jahre. Die Kunden sind also offensichtlich nicht resistent gegenüber der Wertpapieranlage, lassen sich vonseiten der EZB aber nicht mittels einer auf Negativzinsen ausgerichteten Geldpolitik zu ihrem Glück zwingen.

Für die Kreditwirtschaft sieht der baden-württembergische Verband im Übrigen auch die rechtliche Verankerung von Negativzinsen auf dünnem Boden. Über Konstrukte wie Verwahrentgelte oder die AGB hält er eine gewisse Absicherung zwar für möglich, aber ob die relevanten Paragrafen des BGB mit Negativzinsen auf Kundeneinlagen in Einklang zu bringen sind, wagt er seinen Instituten nicht zu bestätigen. Um an dieser Front wenigstens die juristische Unsicherheit zu beseitigen, wird von der Berliner Politik gefordert, für den Fall der Fälle wenigstens für eine zuverlässige zivilrechtliche Handhabe zu sorgen, sprich die Anpassung des BGB. Für die Märkte ist dies einstweilen nur eine Randnotiz.

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