Spannungsfeld Beratung

Anlageberatung und Regulierung

Seit dem Ausbruch der globalen Finanzmarktkrise im Jahr 2008 ist die Qualität der Anlageberatung verstärkt in den Fokus der Öffentlichkeit geraten. Dabei bestimmen Politik und Verbraucherverbände zunehmend die Diskussion.

Immer öfter sehen sich Kreditinstitute in Deutschland dem Vorwurf ausgesetzt, bei der Anlageberatung und dem anschließenden Vertrieb von Finanzprodukten nur auf die eigenen Provisionsinteressen geschaut und dem Kunden unverständliche, teils komplexe und nicht geeignete Anlageprodukte verkauft zu haben. Die Kunden fühlen sich häufig schlecht beraten, was durch zahlreiche Testberatungen regelmäßig belegt wird. Angesichts dieser Entwicklungen ist der deutsche Gesetzgeber verstärkt dazu übergegangen, den Finanzdienstleistungssektor stärker zu regulieren. Gleichzeitig ist auch die europäische Kommission regulatorisch tätig, um Regulierung und Aufsicht über die Finanzmärkte auf europäischer Ebene weiterzuentwickeln.

Anlegerschutz- und Funktionsverbesserungsgesetz

Am 8. April 2011 ist das Gesetz zur Stärkung des Anlegerschutzes und Verbesserung der Funktionsfähigkeit des Kapitalmarkts (AnsFuG) in Kraft getreten. Damit sind wesentliche Verschärfungen des Aufsichtsrechts für Wertpapierdienstleistungsunternehmen eingeführt worden. Im Bereich der Anlageberatung ist in erster Linie die Verpflichtung für Banken und Sparkassen hervorzuheben, Kunden Informationsblätter über empfohlene Finanzinstrumente zur Verfügung zu stellen.

Seit dem 1. Juli 2011 muss im Falle einer Anlageberatung dem Kunden vor dem Abschluss eines Geschäfts ein Informationsblatt über jedes Finanzinstrument zur Verfügung gestellt werden, auf das sich die Kaufempfehlung bezieht. Struktur, Inhalt und Vergleichbarkeit der Produktinformationsblätter sind von verschiedenen Seiten kritisiert worden. Inhalt und Aufbau sind nun durch § 5a der Wertpapierdienstleistungs- und Organisationsverordnung (WpDVerOV) konkretisiert worden. Das Informationsblatt muss die wesentlichen Informationen über das Finanzinstrument (wie Funktionsweise, Risiken und Kosten) in übersichtlicher und leicht verständlicher Form enthalten. Es darf bei nicht komplexen Finanzinstrumenten nicht mehr als zwei DIN-A4-Seiten, bei allen übrigen nicht mehr als drei DIN-A4-Seiten umfassen.

MaComp: Neues Modul zur Beratungsprotokollpflicht

Bereits mit Novellierung des Schuldverschreibungsgesetzes im Herbst 2009 wurde die Erstellung eines Beratungsprotokolls ab dem 1. Januar 2010 für die Anlageberatung verpflichtend eingeführt. Es soll dem Kunden die Nachvollziehbarkeit des Beratungsgespräches und die Beweisführung bei Streitigkeiten ermöglichen. Nachdem auch die Qualität der erstellten Beratungsprotokolle kritisiert wurde, veröffentlichte die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) am 9. Juni 2011 die Neufassung des Rundschreibens "Mindestanforderungen an die Compliance-Funktion und die weiteren Verhaltens-, Organisations- und Transparenzpflichten nach §§ 31 ff. WpHG für Wertpapierdienstleistungsunternehmen (MaComp)".1) In diesen auch für die Anlageberatung geltenden Mindestanforderungen wurde ein neues Modul zum Beratungsprotokoll, bestehend aus Ausführungen zum Anwendungsbereich von § 34 Abs. 2a WpHG sowie zu den inhaltlichen Anforderungen an Beratungsprotokolle aufgenommen.

Die Protokollierungspflicht erstreckt sich nur auf Anlageberatung gegenüber Privatkunden, nicht jedoch beispielsweise auf Vermögensverwaltung oder Finanzplanung. Die Anlageberatung ist als Abgabe persönlicher Empfehlungen an Kunden oder deren Vertreter definiert, die sich auf Geschäfte mit bestimmten Finanzinstrumenten beziehen, sofern die Empfehlung auf die Prüfung der persönlichen Umstände des Anlegers gestützt oder als für ihn geeignet dargestellt wird und nicht ausschließlich über Informationsverbreitungskanäle oder für die Öffentlichkeit bekanntgegeben wird.

OGAW-IV-Umsetzungsgesetz

Seit dem 1. Juli 2011 gilt das "Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2009/65/EG zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften betreffend bestimmte Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren (OGAW-IV-UmsG). In diesem auch für die Anlageberatung wichtigen Gesetz wurde beispielsweise die Einführung der wesentlichen Anlegerinformationen (Key Investor Document/KID) für den Vertrieb von Investmentfonds gesetzlich vorgeschrieben.

Nach § 42 Abs. 1 Satz 1 InvG hat die Kapitalanlagegesellschaft für die von ihr verwalteten Sondervermögen die wesentlichen Anlegerinformationen und einen Verkaufsprospekt mit den Vertragsbedingungen dem Publikum zugänglich zu machen. Die wesentlichen Anlegerinformationen sollen die Anleger in die Lage versetzen, Art und Risiken des angebotenen Anlageprodukts zu verstehen und auf dieser Grundlage eine fundierte Anlageentscheidung zu treffen.

Finanzanlagenvermittler- und Vermögensanlagenrecht

Am 12. Dezember 2011 ist das Gesetz zur Novellierung des Finanzanlagenvermittler und Vermögensanlagen rechts veröffentlicht worden, das insbesondere den sogenannten Grauen Kapitalmarkt regulieren soll. Es beinhaltet ein neues Gesetz über Vermögensanlagen (Vermögensanlagengesetz - VermAnlG). Nach § 1 Abs. 2 VermAnlG sind Vermögensanlagen nicht in Wertpapieren im Sinne des Wertpapierprospektgesetzes verbriefte Anteile, die eine Beteiligung am Ergebnis eines Unternehmens gewähren, Anteile an einem Treuhandvermögen, Anteile an sonstigen geschlossenen Fonds, Genussrechte und Namensschuldverschreibungen.

Für Wertpapierdienstleistungsunternehmen gelten die Anforderungen des Kreditwesengesetzes und des Wertpapierhandelsgesetzes auch beim Vertrieb von Vermögensanlagen. Sie gehören nach § 2 Abs. 2b WpHG nun zu den Finanzinstrumenten. Ein Anbieter, der im Inland Vermögensanlagen vertreibt, muss vor dem öffentlichen Angebot neben dem Verkaufsprospekt auch ein Vermögensanlagen-Informationsblatt erstellen (seit dem 1. Juli 2012). Es darf nicht mehr als drei DIN-A4-Seiten umfassen und muss die wesentlichen Informationen über die Vermögensanlagen in übersichtlicher und verständlicher Weise so enthalten, dass das Publikum die mit der Anlage verbundenen Risiken, Kosten und Provisionen einschätzen und mit den Merkmalen anderer Finanzinstrumente bestmöglich vergleichen kann.

MiFID II: Ausweis abhängiger oder unabhängige Beratung

Die seit November 2007 in das deutsche Recht umgesetzte Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente (MiFID I) soll infolge der Veränderungen auf den europäischen Kapitalmärkten durch MiFID II abgelöst werden. Mit dem am 20.Oktober 2011 von der EU-Kommission vorgelegten Vorschlag soll auch der rechtliche Rahmen der Anlageberatung weiter verschärft werden. In Zukunft sollen die Kreditinstitute ihre Kunden darüber in formieren, ob sie eine abhängige (provisionsorientierte) oder unabhängige Beratung (Honorarberatung) anbieten. Unabhängige Anlageberatung liegt damit nur dann vor,

wenn die Beratung sich auf eine ausreichende Zahl von Finanzinstrumenten bezieht,

die Finanzinstrumente in Bezug auf Produktart und -anbieter beziehungsweise Emittent breit gestreut sind,

die Produktauswahl nicht auf Anbieter beschränkt ist, die in enger Verbindung zum jeweiligen Institut stehen,

und die Vergütung der Beratungsleistung nur direkt durch den Kunden erfolgt.

Erfahrungen in Großbritannien maßgeblich für weitere EU-Entwicklung

Die insbesondere im Vergütungsbereich der Anlageberatung im MiFID II-Entwurf diskutierten Regelungen sind insbesondere vor dem Hintergrund der ab 1. Januar 2013 geltenden Regelungen in Großbritannien interessant. Die durch die britische Financial Services Authority durchgesetzte Retail Distribution Review sieht grundlegende Änderungen des Finanzdienstleistungssektors im Interesse des Verbraucherschutzes vor, indem sie von im Privatkundengeschäft tätigen Beratern und Vermittlern verlangt,

"to explicitly disclose and separately charge clients for their service",

"to clearly describe their services as either independent or restricted and",

"to adhere to consistent professional standards, including a code of ethics".2)

Damit bestehen deutliche Parallelen zwischen Retail Distribution Review und MiFID II, sodass Erfahrungen und Erfolg in Großbritannien mit maßgeblich sein dürften für die weitere Diskussion in Kontinentaleuropa. Die neuen MiFID-Bestimmungen werden voraussichtlich Mitte 2014, spätestens jedoch Anfang 2015 in Kraft treten.

Unabhängige Beratung nur noch für gehobene Zielgruppen

Vor dem Hintergrund der skizzierten Neuregelungen stellt sich die Frage, wie die Kreditinstitute auf die Herausforderungen reagieren und die Anlageberatung künftig profitabel gestalten können. Zunächst ist festzuhalten, dass die gesetzgeberischen Aktivitäten zur Stärkung des Anleger- und Verbraucherschutzes die Kosten in diesem Geschäftsfeld erhöht haben und weiter erhöhen werden. Von daher müssen Banken und Sparkassen durch neue geschäftspolitische Ideen die Anlageberatung neu ausrichten, um das Geschäft profitabel zu gestalten. Den durch die verschiedenen regulatorischen Maßnahmen gestiegenen Kosten im Privatkundengeschäft stehen weitestgehend unveränderte, wenn nicht sogar im Zuge der Finanzmarktkrise und aufgrund des veränderten Nachfrageverhaltens verringerte Ertragspotenziale gegenüber. So weist insbesondere das Retailbanking vieler Regionalbanken bereits heute problematische Cost Income Ratios und Erlösstrukturen mit negativen Kundendeckungsbeiträgen auf.3) Gestiegene Beratungskosten werden dazu führen, dass unabhängige, individuelle Anlageberatung nachhaltig nur noch im Affluent und Private Banking beziehungsweise in einzelnen Beratungs-Kompetenzzentren angeboten werden kann, während im Retail-Segment stark standardisierte Produkt- und Beratungs angebote Einzug halten werden, die geringes Haftungspotenzial bergen.

Angebotseinengung im Retailbanking

Vor dem Hintergrund der im MiFID II-Entwurf enthaltenen Klassifizierung stellt sich die Frage, ob Anlageberatung im Retail-Segment künftig größtenteils nur noch als "abhängige Beratung" angeboten werden kann. Entscheidend für das jeweilige Angebot wird eine noch stärkere Kundensegmentierung insbesondere unter Ertrags- und Kundenwertaspekten sein.

Bereits heute haben sich verschiedene Anbieter insbesondere im Private Banking aus der Anlageberatung verabschiedet und bieten nur noch diskretionäre Vermögensverwaltungsmandate an, obwohl sich gerade im Zuge der Finanzmarktkrise gezeigt hat, dass der Kunde einer vollständigen Delegation des Vermögensmanagements zurückhaltender gegenüber steht und eine Beratung bei gleichzeitiger Wahrung der Kauf- oder Verkaufsentscheidung favorisiert.4) Im Ergebnis wird es damit im Retailbanking zu einer Marktbereinigung und -polarisierung beziehungsweise Angebotseinengung kommen.

Erhöhung und Verdeutlichung der Beratungsqualität

Viele Kunden sind durch die Krisen der letzten Jahre verunsichert und suchen nach Orientierung und Beratung. Sie benötigen einen kompetenten Ansprechpartner in Finanzfragen. Er soll als Navigator in der komplexen Finanz- und Produktwelt dienen. Damit steigt vor allem bei den (vermögenden) Privatkunden der Bedarf nach einer langfristigen finanziellen Planung. Diese Chance sollte genutzt werden, verloren gegangenes Vertrauen zurückzugewinnen.

Die Anlageberatung ist von Kreditinstituten bisher selten proaktiv im Rahmen einer Differenzierungsstrategie genutzt worden, um die eigene Wertpapierexpertise zu demonstrieren. Dabei bietet moderne Anlageberatung bei genauerer Betrachtung der kundenseitigen Bedarfsfelder und der bankseitigen Kompetenzen die Chance, dem Anleger echte Mehrwertleis tungen an die Hand zu geben. Ein Blick auf die von zahlreichen Instituten unter Kosten-/Nutzen-Aspekten favorisierte Vermögensverwaltung ermöglicht eine Erweiterung des Leistungsspektrums der Anlageberatung, ohne hierfür zwingend in neue Kompetenzen und Infrastruktur investieren zu müssen.

Dem von Kunden im Zuge der Finanzmarktkrise häufig vorgebrachten Argument, mit getroffenen Anlageentscheidungen alleine gelassen worden zu sein, kann rein rechtlich sicherlich mit dem Hinweis auf die mit der Anlageentscheidung endenden Pflichten des Beraters begegnet werden. Ebenso könnte dies jedoch als Ansatzpunkt für eine weitergehende inhaltliche und preisliche Differenzierung der Anlageberatung genutzt werden. So wäre beispielweise ein laufendes Monitoring des Wertpapierportfolios im Sinne eines Risikomanagements denkbar, bei dem der Kunde aktiv auf das Über- oder Unterschreiten vorab definierter Schwellenwerte hingewiesen wird. Darauf aufbauend könnte dann der Kunde sachlich induziert auf ein Rebalancing oder sonstige Maßnahmen angesprochen werden.

Ein weiteres Problemfeld der Anlageberatung, welches zur Wettbewerbsdifferenzierung genutzt werden könnte, ist die bei Anlegern häufig nicht bekannte Leistung ihres Anlageberaters. So werden zwar produktbezogene positive wie negative Entwicklungen verschiedener Wertpapiere wahrgenommen, sofern eine kontinuierliche Beobachtung seitens des Anlegers gegeben ist. Es fehlt jedoch in den meisten Fällen eine ganzheitliche Betrachtung der durch den Anlageberater erbrachten Leistungen im Sinne eines retrospektiven Depot-Reportings.

Das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz hat diese Mängel aufgegriffen und im Oktober 2010 ein Forschungsvorhaben unter dem Titel "Messung des Kundennutzens der Anlageberatung" ausgeschrieben. Gemäß der Ausschreibung dient die Messung des Kundennutzens der Anlageberatung drei Zielen:

Der/die einzelne Verbraucher/-in sollte die Geeignetheit seiner Anlage beurteilen und seine Anlagestrategie anpassen können.

Das einzelne Finanzunternehmen sollte seine interne Vertriebssteuerung stärker am Kundennutzen orientieren können.

Im Markt der Finanzunternehmen sollte ein Wettbewerb im Hinblick auf den Kundennutzen der Beratung entstehen können."5)

Während für die Finanzportfolioverwaltung zahlreiche Details für ein Reporting nach § 9 WpDVerOV vorgeschrieben sind, erhalten viele Anleger für ihre im Rahmen der Anlageberatung betreuten Depots lediglich einen Jahresdepotauszug und eine Steuerbescheinigung. Insbesondere der Jahresdepotauszug beinhaltet in der Regel keinerlei Angaben zur Anlagestrategie, zu Portfolio- und Benchmarkrenditen, Allokationskennzahlen zu Währungen, Branchen oder Regionen. Im Ergebnis könnte auf Basis eines um Risikomanagement-, Reporting- und Research-Leistungen angereicherten Dienstleistungskataloges eine ganzheitliche Anlageberatung angeboten werden, die sich deutlich von bestehenden, stark kasuistisch, anlass- und produktbezogen ausgerichteten Vertriebsansätzen unterscheidet.

Qualitätssicherung durch Weiterbildung

Durch den schnellen Wissensumschlag in Produkt-, aber auch regulatorischen Themen und die aufgrund der kritischen Berichterstattung zu Qualitätsproblemen, Interessenkonflikten und Provisionsorientierung zunehmende Sensibilisierung der Kunden lässt sich die Tätigkeit des Anlageberaters ohne permanente Weiterbildung nicht mehr ausüben.6) Kommt es jedoch nachhaltig zu einem Qualitätsverlust, kann dies zivil- und gemäß § 34 d WpHG aufsichtsrechtliche Sanktionen nach sich ziehen (siehe Kasten).

Vielfach ist über Beratungs- und Vertriebshemmnisse infolge starker Verunsicherung von in der Anlageberatung tätigen Mitarbeitern über den richtigen Umgang mit den neuen regulatorischen Anforderungen berichtet worden. Insofern ist eine hinreichende Qualifikation der Berater im ureigenen Interesse des Kreditinstitutes. Dabei können die durch die WpHG-Mitarbeiteranzeigeverordnung festgelegten Kenntnisse und Erfahrungen nur eine Mindestqualifikation darstellen, über die darüber hinaus bei Verfolgung einer qualitätsorientierten Differenzierungsstrategie eine weitergehende Qualifizierung erforderlich ist.

Etablierung honorarbasierter Vergütungsmodelle

Eine echte, vertrauensvolle und am Kundeninteresse ausgerichtete Anlageberatung hat ihren Preis. Von daher sollten die Kreditinstitute in Deutschland zumindest im Geschäft mit vermögenden Privatkunden die Anlageberatung gegen Honorar als Alternative zur provisionsorientierten Beratung anbieten. Allerdings ist bei Einführung neuer Preiskomponenten im Anlageberatungsgeschäft sensibel vorzugehen. Sowohl Zielkunden als auch Berater müssen das Modell verstehen und die Vorteile erkennen. Der Legitimierung des Honorars kommt dabei die entscheidende Bedeutung zu. Für ein stark produkt- und vertriebsorientiert geführtes Beratungsgespräch wird sich ein Honorar nicht rechtfertigen lassen. Sind für den Kunden Beratungsmehrwert und Vergütungstransparenz jedoch vollständig gegeben, steht dieser einem Beratungshonorar deutlich aufgeschlossener gegenüber.

Das Patentrezept für die ideale Preispolitik im Rahmen des Beratungsgeschäfts gibt es nicht. Dafür sind die Geschäftsstrukturen der Kreditinstitute in Deutschland zu komplex, die Kundenbedürfnisse zu unterschiedlich. Vielmehr sollte sich die Berechnungsbasis für das Beratungshonorar in der Praxis an hauseigenen Grundsätzen und Erfahrungen orientieren. Dafür sind verschiedene Modelle denkbar. Die zentralen Vorteile dieser Vergütungsform liegen in der ertragsseitigen Immunisierung gegen Markt- und Produktzyklen und der nicht mehr erforderlichen produkt- und provisionsorientierten Vertriebssteuerung sowie einer Angleichung der Interessen von Kunden und Kreditinstitut.

Bereits heute sind im Private Banking kaum noch Kostenunterschiede zwischen reinen Honorarmodellen ohne Retrozessionen und Kickbacks beziehungsweise Auskehrung derselben und wettbewerbsfähigen Allin-Fee-Modellen erkennbar, sodass die Gefahr geringerer Erträge mit honorarbasierten Vergütungsmodellen zumindest im Private Banking verneint werden kann. Eine proaktive Auseinandersetzung mit neuen honorarbasierten Vergütungsmodellen erscheint insbesondere vor dem Hintergrund der Entwicklungen im Bereich der MiFID II, der Retail Distribution Review in Großbritannien und der nach wie vor durch das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz verfolgten Zielsetzung einer Etablierung der Honorarberatung für den Verbraucher angeraten.

Wettbewerb um intelligente Köpfe wird schärfer

Als Fazit lässt sich festhalten: Trotz der anhaltenden Euroschuldenkrise und der Zunahme der Volatilität an den internationalen Finanzmärkten zeichnet sich weiterhin eine steigende Bedeutung des Anlageberatungsgeschäfts (zum Beispiel höhere Vermögensbestände in privater Hand, zunehmender Beratungsbedarf der Erbengeneration) ab. Insbesondere durch eine am Kundeninteresse ausgerichtete ganzheitliche und zukunftsorientierte Beratung können die Kreditinstitute die Kundenbeziehung weiter festigen und damit geschäftlichen Erfolg haben. Darüber hinaus bietet die Einführung neuer Dienstleistungen und die Vermarktung einer professionellen Anlageberatung die Möglichkeit, das Geschäft mit vermögenden Privatkunden profitabel zu gestalten.

Der Wettbewerb im Anlageberatungsgeschäft nimmt aufgrund geänderter Marktbedingungen und neuer Kundenanforderungen weiter zu. Eine zentrale Bedeutung in diesem Geschäftsfeld kommt dem Anlageberater zu. Er ist es letztlich, der den Wettbewerb um den (vermögenden) Privatkunden mitentscheidet. Der Anlageberater in der heutigen Welt muss ein hohes fachliches Knowhow, Problemlösungs- und Methodenkompetenz, Zuverlässigkeit und Teamfähigkeit, Einsatzbereitschaft sowie unternehmerisches Denken mitbringen. Dies wird aber auch dazu führen, dass das Entgelt für die Leistung im Sinne einer Professionalisierung des Anlageberatungsgeschäfts steigen wird. Denn angesichts der durch die Regulierungskosten verursachten Marktbereinigung dürfte es auch zu einem Wettbewerb um die intelligenten Köpfe im Rahmen des Anlageberatungsgeschäfts kommen.

Anmerkungen

1) Zur Kritik an Beratungsprotokollen vgl. u.a. Finanztest, Heft 8, 2010, S. 24 ff.; BaFin, Markterhebung Beratungsprotokoll: BaFin sieht Verbesserungsbedarf, Pressemitteilung vom 4. Mai 2010.

2) FSA, Retail Distribution Review.

3) Vgl. Köhler, P.: Bankfilialen rechnen sich in der Regel nicht, in: Handelsblatt vom 22. November 2010, S. 38.; Confidum Financial Management Consultants AG: 7 Thesen zur mittelfristigen Entwicklung in der Kreditwirtschaft: Banken am Scheideweg - neue Wege im Retailbanking.

4) Vgl. McKinsey & Company: European Private Banking Survey 2009, S. 9 f; McKinsey & Company: European Private Banking Survey 2011, S. 9.

5) Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung: Messung des Kundennutzens der Anlageberatung, Leistungsbeschreibung, Öffentliche Ausschreibung, Anlage 1, Bonn 2010., S. 2 f. Zu den Ergebnissen der zugehörigen Studie vgl. Hackethal, A./Inderst, R./Meyer, S./Rochow, T. (2011): Messung des Kundennutzens der Anlageberatung, Wissenschaftliche Studie im Auftrag des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMELV), Version vom 15. Dezember 2011.

6) Zur Veränderung des Kunden(nachfrage)verhaltens und dessen Wahrnehmung durch Anlageberater vgl. PFI Private Finance Institute (2012): Anlageberatung in Deutschland - The Bankers' View, Studiendokumentation, Oestrich-Winkel/ Wiesbaden 2012, S. 10 f.

Der hier abgedruckte Text wurde von der Redaktion gekürzt. Der Beitrag in voller Länge kann beim Autor angefordert werden: ralph.jakob[at]ebs[dot]edu.

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