Retail-Banking

Berliner Volksbank: Filialen bringen Marktanteile

Der Wettbewerb am Bankenplatz Berlin ist durch eine hohe Konzentration an Kreditinstituten und einen harten Kampf um die Gunst der Kunden geprägt. Doch warum ist der Wettbewerb gerade in Berlin so besonders? Was unterscheidet Berlin von anderen Ballungszentren? Welche Schlüsselrolle kommt der Berliner Volksbank zu, und wie sieht ihr strategischer Antritt aus?

"Das Retailgeschäft steht bei der Kreditwirtschaft so hoch im Kurs wie seit Jahren nicht mehr", beschrieb Edgar Meister, Vorstandsmitglied der Deutschen Bundesbank, im Jahr 2005 die aktuelle Tendenz im Kreditgeschäft. In diesem Punkt scheint sich die Öffentlichkeit einig zu sein. Von der "Renaissance der Filiale" oder vom "Retailrausch" ist hier und da zu lesen. Der Privatkunde wird umworben wie selten zuvor.

Umso erstaunlicher, dass vielfach unterschiedliche Definitionen des Retail-Banking und/oder des Privatkundengeschäfts existieren. Für die Berliner Volksbank umfasst das Retailgeschäft all jene Geschäfte, die unmittelbar mit Privatpersonen abgeschlossen werden. Als wesentliche Bereiche gelten hier Kontoführung, Anlageinstrumente, Kredite und Versicherungen, die durch einen modernen Multi-Kanal-Ansatz - Filiale, Telefon, Internet - dem Kunden zur Verfügung gestellt werden.

Ergebnispotenziale im Provisionsgeschäft

In einer ersten Hochphase in den fünfziger und sechziger Jahren entdeckten private Großbanken verstärkt das Geschäft mit den Privatkunden in Deutschland. Entsprechend wurde das Filialnetz überproportional zu den Wettbewerbern ausgebaut. Das Filialnetz der Genossenschaftsbanken und Sparkassen nahm zwar ebenso zu, war jedoch gleichzeitig mit einer starken Reduzierung selbstständiger Institute verbunden.

Seit Mitte der neunziger Jahre trat eine deutliche Kehrtwende ein. Vor allem die privaten Großbanken reduzierten ihre Bankstellenzahl um ein Drittel. Das Retail-Banking ist vorübergehend in den Hintergrund geraten. Seit einigen Jahren ist jedoch eine deutliche Renaissance des Privatkundengeschäfts zu beobachten.

Der jahrzehntelange Wettbewerb im Retail-Banking wird durchgängig durch ein in der Regel geschäftspolitisch erklärbares Charakteristikum geprägt: Genossenschaftsbanken und Sparkassen haben im "klassischen Zinsgeschäft" eine dominante Stellung. Folglich speist sich die Ertragsstärke der beiden auch aus dem Zinsüberschuss.

Betrachtet man das Provisionsgeschäft und hier besonders das Wertpapiergeschäft, so kontrollieren die privaten Großbanken die Hälfte des Marktes der Wertpapierdepots sowie im Aktien- und Fondsbereich. Demnach besteht hier für die Primärstufe noch erheblicher Spielraum, in Zusammenarbeit mit den Verbundpartnern durch gemeinsame Vertriebsaktionen und eine konzentrierte Marktbearbeitung vorhandene Ergebnispotenziale zu realisieren.

Die Direktbanken konnten in dem entscheidenden Markt der Hauptbankverbindung nachhaltig zwar nicht Fuß fassen. Doch insbesondere im Passivgeschäft sind sie sehr ernst zu nehmende Konkurrenten, wie zahlreiche Mittelabflüsse belegen.

Kaufkraft und Sparquote in Berlin deutlich unter Bundesdurchschnitt

Doch in welchen konjunkturellen Rahmenbedingungen bewegt sich das Retailgeschäft am Bankenplatz Berlin?

Der Bankenplatz Berlin spiegelt die wechselvolle Entwicklung der Stadt wider. Hatten vor dem zweiten Weltkrieg noch zwei Drittel der großen Banken ihren Hauptsitz in Berlin, so war es 1955 - wegen des alliierten Status in West-Berlin - keine einzige mehr. Seit der Wiedervereinigung ist die deutsche Hauptstadt in einem ständigen Umbruch begriffen. Seit 1991 gingen in Berlin über 250000 Arbeitsplätze im produzierenden Gewerbe verloren. Die reale Bruttowertschöpfung sank um etwa 30 Prozent.

Diese Entwicklung konnte bislang noch nicht vollständig durch neu geschaffene Jobs im Dienstleistungssektor oder in innovativen Bereichen kompensiert werden. Berlin konzentriert sich auf die Förderung solcher "Leuchttürme" in innovativen Branchen und besinnt sich auf seine Stärken: Einen einmaligen Wissenschaftsbereich aus Universitäten, Forschungseinrichtungen und Fachhochschulen sowie eine herausragende Kulturlandschaft, die jährlich Millionen Touristen in die Stadt lockt. Jedoch ist es bisher nicht vollständig gelungen, diese Standortvorteile in ein nachhaltiges und wirtschaftlich signifikantes Wachstum auf breiter Basis umzumünzen.

"Keine Arbeit, kein Geld, kein Bürgertum", fasste Thomas E. Schmidt in der "Zeit" die jüngste Entwicklung zusammen: "Wahr ist, dass 41 Prozent der Berliner von staatlichen Transferleistungen leben." Da wundert es nicht, dass Kaufkraft und Sparquote deutlich unter dem Bundesdurchschnitt liegen.

Es gibt auch erste Hoffnungsfunken: Die Berliner Wirtschaft befindet sich im Herbst 2006 in einem anhaltenden Aufschwung. Mit einem Zuwachs um 0,8 Prozent ist das Bruttoinlandsprodukt seit 2000 das erste Mal wieder gestiegen.

Bankplatz Berlin wieder heftig umworben

Berlin ist auch für die Banken wieder ein interessanter und heftig umworbener Markt geworden. Das belegt sowohl das breite Interesse während der Veräußerung der Berliner Bank als auch das erwartete Rennen um die Landesbank Berlin Holding AG. Die Wettbewerber auf dem Berliner Bankenmarkt konzentrieren ihre Aktivitäten.

Für die Berliner Volksbank, die aufgrund ihrer genossenschaftlichen Wurzeln die regionale Bank ist, die den Kunden gehört, ist das Privatkundengeschäft seit jeher von zentraler Bedeutung.

Umso wichtiger ist es, in diesem schwierigen Geschäftsfeld erfolgreich und strategisch gut aufgestellt zu sein. Neben den beschriebenen Rahmenbedingungen hat die Berliner Volksbank daher auch die verstärkte Wettbewerbssituation analysiert und das bestehende Geschäftsmodell entsprechend adjustiert.

Eine führende Rolle im Retailgeschäft Berlins spielen zweifelsohne die Berliner Sparkasse und die Postbank. Die Berliner Volksbank stand auch schon in der Vergangenheit, im Zuge der Konsolidierung des Marktes, in einem scharfen Wettbewerb mit den überregionalen Anbietern. Nachdem der Marktanteil im Firmenkundengeschäft in den letzten Jahren gut behauptet werden konnte, liegt das Hauptaugenmerk der Bank auf einer regional fokussierten Wachstumsoffensive im Privatkundengeschäft. Dabei zeigt sich deutlich, dass besonders in Ballungsgebieten der Marktanteil abhängig von der Größe des Filialnetzes ist.

Dass sich Kunden ein umfangreiches Filialnetz und darüber hinaus eine persönliche Beratung sowie gleich bleibende Ansprechpartner wünschen, bestätigt auch die Kundenbefragung 2006 der Berliner Volksbank. Sie weist auch auf eine hohe Kundenzufriedenheit und -treue hin. Über 74 Prozent der Kunden würden die Berliner Volksbank an Freunde oder Bekannte weiter empfehlen. Hier belegt die Bank eine Spitzenposition knapp vor der Postbank und deutlich vor den Großbanken und Sparkassen.

Doch wie gelingt es, die identifizierten Potenziale zu realisieren, um sich dem verschärften Wettbewerb im Ballungsraum Berlin erfolgreich zu stellen? Ergänzend zu den externen Faktoren wurde die Positionierung der Bank überprüft und der Berliner Markt auf Basis tatsächlicher Kundenbedürfnisse segmentiert. Darüber hinaus wurden die gefundenen Zielkunden im eigenen Bestand identifiziert. Im privaten Zielgruppensegment sind es beispielsweise Kunden, die Wert auf einen einfachen Zugang zur Bank legen, preiskritisch und loyal sind. Aber auch jene, die den Empfehlungen der Bank vertrauen und einfache Produkte bei gleichzeitig hohem Leistungsniveau schätzen.

Nach erfolgter Analyse der externen Rahmenbedingungen und Auswertung der Kundenbefragung ergeben sich im Retailgeschäft vier wesentliche Herausforderungen für die Berliner Volksbank.

Besetzung "weißer Flecken" im Stadtgebiet

Dem intensiven Wettbewerb begegnet die Bank erstens mit einem neuen Marktbearbeitungskonzept - der Besetzung von "weißen Flecken" im Marktgebiet. An attraktiven Standorten, an denen die Berliner Volksbank bislang nicht vertreten ist, werden bis 2008 insgesamt 30 neue Filialen eröffnet. Durch den ebenfalls geplanten Ausbau des Geldautomatennetzes wird die Bank künftig breiter aufgestellt und noch besser für ihre Kunden erreichbar sein.

Diese Vertriebsoffensive wird zweitens begleitet durch eine interne Prozessoptimierung und Reduktion der Fertigungstiefe. Die Berliner Volksbank wird sich zukünftig noch intensiver auf den Vertrieb konzentrieren und deshalb bei der Entwicklung neuer Produkte stärker als bislang auf das Know-how des genossenschaftlichen Finanzverbundes zurückgreifen. Ein erster Schritt zu Reduktion der Fertigungstiefe ist die Einführung des Produktes Easy Credit der Teambank. Durch die Hebung von Effizienzreserven werden weitestgehend die benötigten Mitarbeiter gewonnen, die in den neuen Filialen eingesetzt werden. Der Ausbau der Vertriebskapazitäten wird dabei durch intensive Schulungsmaßnahmen begleitet.

Unter diesen Voraussetzungen kann sich die Berliner Volksbank drittens auf ihre Kerngeschäftsfelder fokussieren und viertens die vorhandenen Potenziale im Vertrieb besser ausschöpfen und so neue Kunden gewinnen. Dazu sind sowohl die Produkte als auch der Einsatz der Mitarbeiter - entsprechend ihren Kompetenzen - konsequent auf die identifizierten Kundenbedürfnisse zugeschnitten.

Kundengewinnung durch Ankerprodukt

Ein gleich bleibender Ansprechpartner sowie freundlicher Service stellen in Verbindung mit einem systematischen und technisch unterstützten Beratungsansatz eine bedürfnisorientierte Kundenberatung sicher. Produktseitig wird die Kundengewinnung und -bindung durch die Einführung eines Ankerprodukts flankiert. Bei der Gewinnung von Neukunden werden zukünftig gemeinsame Marketing- und Vertriebsaktionen in Kooperation mit den Verbundpartnern eine größere Rolle spielen. Insbesondere in Ballungszentren gilt es zudem, bislang nicht erschlossene Kundengruppen zu erreichen.

Mit dem weiter entwickelten Geschäftsmodell und der klaren Konzentration auf den Vertrieb verfolgt die Berliner Volksbank mittelfristig zwei Ziele: Im Firmenkundengeschäft plant sie, ihren derzeitigen Marktanteil von 25 Prozent durch Investition in eine noch stärker professionalisierte Qualität zu erhöhen. Im Retailgeschäft wird die Bank durch die beschriebene Wachstumsstrategie und eine nachhaltige Neukundengewinnung ihren derzeitigen Marktanteil von aktuell elf Prozent nachhaltig ausbauen. Ertragsseitig manifestiert sich dies in einer wettbewerbsfähigen und deutlich verbesserten Cost Income Ratio im Einklang mit einer weiteren Stärkung der Risikotragfähigkeit.

Um diese Ziele bis 2011 zu erreichen, schöpft sie aus hoch motivierten, serviceorientierten Mitarbeitern und der hohen Zufriedenheit der Kunden. Die Bank setzt auch weiterhin großes Vertrauen in die Unterstützung durch die Partner des Finanzverbundes. Von einer einheitlichen Marketing-Strategie profitiert das Institut bereits. Eine gemeinsame Strategie zur Gewinnung von Marktanteilen in Ballungszentren kann darüber hinaus den Zugang zu jenen Kunden ermöglichen, die bislang nicht erreicht wurden.

Über Berlin hinaus ist ein erfolgreiches Retail-Banking auch davon abhängig, inwieweit es künftig gelingt, Barrieren abzubauen. Diese bestehen insbesondere für den elektronischen Vertrieb, für den sich eine Vielzahl von Retail-Produkten eignen würde. Hierzu könnte eine gesetzliche Grundlage hilfreich sein, die EU-weit die Kontoeröffnung mit qualifizierter elektronischer Unterschrift ausdrücklich zulässt.

Denn noch deutlicher als heute wird sich der elektronische Vertrieb als der entscheidende Schlüssel für den Erfolg im Retail-Banking erweisen. Es geht zunehmend darum, dem Kunden mit einem Mix aus kundennahen Vertriebskanälen als auch Produkten eine positive Serviceerfahrung zu vermitteln und so eine langfristige Kundenbeziehung sicherzustellen.

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