Bankmanagement-Glossar

Customer Centricity

Customer Centricity als gedanklicher Ansatz für eine verstärkte Kundenfokussierung ist weder eine neue Management-Methode noch ein neues Marketing-Tool. Denn bereits seit den siebziger Jahren des vorigen Jahrhunderts wird dem Thema Kundenorientierung mit dem Schlagwort "Customer First" in Forschung und Praxis verstärkte Aufmerksamkeit gewidmet. Die Betrachtungsweise hat sich aber im Laufe der Jahre verändert. Die aktuellen Treiber des Markterfolgs durch Customer Centricity sind sowohl unternehmensintern in der Profitabilität der Kundenbeziehungen zu sehen, als auch unternehmensextern im Vordringen neuer Technologien und dem geänderten Rollenverständnis der Kunden. Eine Studie in der Harvard Business Review zeigt, dass Unternehmen, die ihren Fokus einseitig auf den Shareholder Value ausrichten vergleichsweise niedrigere Renditen erreichen, als Unternehmen, die den Kundennutzen als oberste Priorität ansehen. Das heißt die Spielregeln für ökonomischen Erfolg und erfolgreiches Marketing haben sich in den letzten Jahren noch stärker in Richtung Beziehungen statt Produkte verändert. In diesem Sinne müssen Unternehmen auf die Individualisierung ihrer Angebote achten und rasch auf Konsumentenwünsche reagieren. Die technologischen Entwicklungen haben dazu geführt, dass für viele Konsumenten der individuelle mobile Zugang zum Internet und damit ein (Vor-weg-)Marktüberblick und die Kommunikation mit den verschiedenen Anbietern zur Selbstverständlichkeit geworden ist. Dies fordert seitens der Unternehmen eine verstärkte Kompetenz im Sinne eines geschickten Umgangs mit den Neuen Medien, eine ständige kommunikative Erreichbarkeit und die Optimierung des Marktauftritts sowohl in der realen als auch in der virtuellen Welt. Umsetzung der Erkenntnisse oft problematisch Standard ist heute die Einsicht, dass Unternehmen wissen müssen, was ihre Kunden wollen, um erfolgreich am Markt zu agieren. Das wird in der Regel auch erforscht. Diese Erkenntnisse auch umzusetzen, ist das Problem, das gelegentlich nicht bemerkt, manchmal ignoriert und oft noch nicht gelöst ist. Im Sinne von Customer Centricity reicht es nicht, nur den Einsatz der Mitarbeiter im stationären Verkauf, der Verkäufer im Außendienst oder der Kundenbetreuer im Customer Care Center im Hinblick auf Kundenorientierung zu optimieren. Es gilt vielmehr alle Mitarbeiter, das heißt auch jene ohne direkten Kundenkontakt, mit Customer Centricity zu infizieren. Nur so kann es letzten Endes zu kundenorientierten Produkten und Dienstleistungen kommen. Für Unternehmen bedeutet die Entwicklung und Umsetzung eines Customer Centricity Konzepts, dass in einem ersten Schritt der Status Quo der Kundenorientierung ermittelt werden muss. Weiterhin müssen die Trends analysiert werden, die das zukünftige Verhalten der Kunden beeinflussen. In einem zweiten Schritt erfolgt die Identifikation und Definition der Rahmenbedingungen für erfolgreiche Kundenorientierungsstrategien. Es muss das Kundenverständnis analysiert werden und geklärt werden, welcher Grad der Kundenintegration angestrebt werden soll, welche Möglichkeiten sich beim Einsatz von Web-2.0. ergeben und so weiter. Im dritten Teil erfolgt die Ausarbeitung der Maßnahmen. Dabei muss geklärt werden, welche Anforderungen sich aus den Customer-Centricity-Strategien für die einzelnen Mitarbeiter ergeben. Eine Notwendigkeit dabei stellt ein kundenorientiertes Anreiz- und Vergütungssystem dar, bei dem nicht nur finanzielle Kennzahlen, sondern auch die Kundenzufriedenheit als Bemessungsgrundlage dient. Zusätzlich führt eine Erweiterung der Entscheidungskompetenzen auf den unteren Hierarchiestufen zu einer höheren Identifikation mit der kundenorientierten Strategie. Neue Unternehmen, die das Internet bereits bei Gründung als Infrastruktur genutzt haben, wie Amazon, Ebay und Google lassen sich als gute Beispiele einer gelebten Customer Centricity anführen. Ihre Marktplätze sind branchenübergreifend, ihre Beziehungen und Kenntnisse der Konsumenten aber sind fokussiert. Für die Finanzdienstleistungsbranche stellt der Ansatz der Customer Centricity einen wichtigen Denkansatz dar. Seine Realisierung beinhaltet aber große Herausforderungen und erfordert geeignete situative Lösungsansätze. Es gibt keinen allgemeingültigen besten Weg zur Customer Centricity, da die spezifischen Eigenschaften der Finanzdienstleistungsbranche und der einzelnen Unternehmen berücksichtigt werden müssen. Die Komplexität des Themas erfordert eine ganzheitliche und systematische Vorgehensweise, die alle Hierarchieebenen, Abteilungen und Prozesse betrifft und Customer Centricity im Mindset aller Mitarbeiter verankert. Dr. Ewald Judt ist Honorarprofessor an der Wirtschaftsuniversität Wien; ewald.judt[at]wu.ac[dot]at; Dr. Claudia Klaus egger ist Assistenzprofessorin am Institut für Marketing-Management der Wirtschaftsuniversität Wien; claudia.klausegger[at]wu.ac[dot]at.

Dr. Ewald Judt , Honorarprofessor , Wirtschaftsuniversität Wien
Dr. Claudia Klausegger , Assistenzprofessorin am Institut für Marketing-Management der Wirtschaftsuniversität Wien
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