Bankmanagement-Glossar

Was ist Customer Integration?

"It is the customer who determines what a business is." Diese Kernaussage von Peter Drucker aus den fünfziger Jahren ist heute aktueller denn je. Finanzdienstleistungen, vor allem im Business-to-Busi-ness-Bereich, werden immer stärker maßgeschneidert, um den individuellen Kundenbedürfnissen gerecht zu werden.

Individualisierte Dienstleistungen haben hohes Ertragspotenzial

Die Kunden dieser individualisierten Dienstleistungen haben ein hohes Infor-mations-, Interaktions- und Kooperationsbedürfnis, das für den Finanzdienstleistungssektor zu einer erhöhten Komplexität und höheren Kosten im Vergleich zu standardisierten Leistungen führt. Diese individuellen Leistungen weisen aber dennoch ein hohes Ertragspotenzial auf, da der Mehraufwand vergütet wird. Je individueller eine Dienstleistung gewünscht wird, desto stärker muss sich der Kunde in den Leistungsprozess einbringen. Dieses Phänomen der Mitwirkung wird als Customer Integration bezeichnet; das Grundprinzip der Kundenintegration lautet, das Problem des Kunden zusammen mit dem Kunden zu lösen.

In der wissenschaftlichen Literatur wird Kundenintegration im Zusammenhang mit ganz unterschiedlichen Begriffen wie "partial employee", "prosumer" oder "co-producer" verwendet. So ist der Begriff "partial employee" in den achtziger Jahren entstanden, das heißt in einer Zeit, in der man auf Effizienzsteigerungen im Dienstleistungsbereich (vor allem bei Banken) abzielte. Die Idee war die Selbstbedienung des Kunden, dem man bestimmte Aufgaben übertrug, die vorher Bankmitarbeiter erledigt hatten. Diese Erkenntnisse haben sich mittlerweile in der Alltagswelt manifestiert.

Immer häufiger kommt es jedoch unter dem Stichwort Customer Integration - fernab von reinen Effizienzüberlegungen, die vom Wettbewerb leicht nachahmbar sind - zu einem neuen Wettbewerbsvorteil, wo der Kunde als Ressource für (s)ein individuelles Produkt eingesetzt wird. Nahezu alle mit dem Thema befassten Autoren betonen, dass sich die Art und Weise der Kundenmitwirkung direkt auf die Erhöhung der Produktivität, die Verbesserung der Dienstleistungsqualität (Service Performance) und die Erhöhung der Kundenzufriedenheit auswirken.

Voraussetzung für den Erfolg der Kundenintegration ist eine Analyse des Prozesses. Dafür ist es notwendig, den Umfang, das heißt die Quantität und die Qualität (Rolle des Kunden) der Leistungsbeiträge eines Kunden zu definieren. Die Formulierung von klaren Erwartungen beeinflusst die Motivation und Fähigkeit von Kunden, ihre entsprechenden Beiträge effizient zu erbringen.

Die Vorteile des Verfahrens liegen in einer Festigung der Geschäftsbeziehung verbunden mit Folgekäufen und einer Beschleunigung der Leistungserstellung. Mögliche Nachteile sind einerseits höhere Kosten (mehr Organisation und Koordination, Störung der Prozessabläufe) und eventuelle Preisnachlässe durch Externalisierung beziehungsweise etwaiger Know-how-Abfluss.

Kundenintegration stellt ein relevantes Segmentierungskriterium dar: Sie kann zur Unterscheidung der Kunden betreffend der Bereitschaft als "co-producer" zu fungieren, herangezogen werden.

Vielfältige Formen der Mitwirkung sind möglich

Die Formen der Kundenmitwirkung können sehr vielfältig sein und von der bloßen Bereitstellung notwendiger Informationen über die Mitwirkung bei der Erstellung einer Dienstleistung bis hin zur Einflussnahme bei der Gestaltung von Leistungserstellungsprozessen beim Anbieter reichen.

Finanzdienstleister sollten diesem Umstand Rechnung tragen und die notwendigen Handlungsempfehlungen für das Management ableiten. Sie sollten die Chancen von Customer Integration gegenüber dem Risiko- beziehungsweise Kostenfaktor abwägen, um eine fundierte Entscheidung darüber treffen zu können, ob eine aktive Marketingstrategie, die auf eine gezielte Steuerung der Kundenintegration ausgerichtet ist, verfolgt werden soll.

Derzeit wird in der Bankpraxis dem Management der Kundenintegration eher wenig Aufmerksamkeit geschenkt, was nicht zuletzt daran liegen könnte, dass in der Marketing-Forschung derzeit nur einzelne empirische Befunde vorliegen. Eine empirisch ausgerichtete Gesamterfolgsfaktorenforschung, die die Zusammenhänge zwischen Interaktionsgrad, Kundenzufriedenheit, Kostenstrukturen und Leistungserstellungskomplexität prüft, fehlt jedoch.

Dr. Ewald Judt ist Honorarprofessor der Wirtschaftsuniversität Wien und Geschäftsführer der PayLife Bank GmbH; ewald. judt[at]paylife[dot]at/www.paylife.at. Dr. Claudia Klaus egger ist Assistenzprofessorin am Institut für Marketing-Mana gement der Wirtschaftsuniversität Wien; claudia.klausegger[at]wu-wien[dot] ac.at.

Dr. Ewald Judt , Honorarprofessor , Wirtschaftsuniversität Wien
Dr. Claudia Klausegger , Assistenzprofessorin am Institut für Marketing-Management der Wirtschaftsuniversität Wien
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