Bankmanagement-Glossar

Demographic Banking

Im Retailbanking ist es für die Marktbearbeitung notwendig, Zielgruppen zu definieren. Mit Hilfe von Marktsegmentierung werden heterogene Märkte in homogene Zielgruppen aufgeteilt, die durch Zielgruppenmarketing angesprochen werden. Diese lassen sich anhand einer Reihe von Merkmalen definieren. Es gibt unter anderem sozioökonomische, psychografische und demografische Kriterien. Wenn die Zielgruppenabgrenzung einer Bank auf Basis von demografischen Merkmalen erfolgt, liegt Demographic Banking vor. Mehr als Jugendmarketing Der demografische Ansatz ist für das Retailbanking nichts Neues. Es gibt ihn schon seit den sechziger Jahren, das heißt seit es das Privatkundengeschäft gibt. Allerdings war er (und ist er immer noch) stark auf die Jugend als künftige Ertragsbringer fixiert. Die Gründe dafür sind einerseits in der Bedeutung der jungen Menschen als Vorsorge für die künftige Kundenstruktur der Bank zu sehen. Sie werden zu einer Zeit als Kunden gewonnen, wo mit ihnen keine großen Gewinne zu erzielen sind. Sofern sie jedoch längerfristig Kunden bleiben (Lifetime-Value), hat sich die Investition in der Regel gelohnt. Das Werben um junge Kunden ist durch deren spezifischen Lebensstil und die daraus resultierenden Maßnahmen geprägt. Als Konsequenz ist Jugendmarketing und die auf Jugendlichen zugeschnittene Produktpolitik heute bei Banken gang und gäbe. Seit einiger Zeit tritt beim Retailbanking in demografischer Sicht das Marketing für Ältere (die mit diversen Substantiva wie "Senioren", "Best Agers" oder "Silver Surfer bezeichnet werden) mehr und mehr in den Vordergrund. Der Grund dafür ist eine alternde Gesellschaft. Eine derartige "ageing society" wurde von der Demografie, der Bevölkerungswissenschaft, bereits seit Jahren ankündigt. Jetzt ist sie da. Sukzessive nimmt der Anteil der Menschen über 60 Jahre zu; um 2050 wird er bereits bei einem Drittel der Bevölkerung liegen. Das Marktsegment der Älteren ist keine homogene Zielgruppe. Eine Segmentierung nach Alter ist nicht unbedingt hilfreich. George P. Moschis, der sich als einer der ersten intensiv mit dem Thema auseinandergesetzt hat, definiert vier Segmente von Älteren: Die "healthy indulgers" sind weitgehend gesund, ohne finanzielle Nöte, aktiv und genießen das Leben. Die "healthy hermits" sind nicht unbedingt finanziell gut gestellt, haben kaum gesundheitliche Probleme und leben gesellschaftlich zurückgezogen. Die "ailing outgoers" sind nicht mehr in bester gesundheitlicher Verfassung, sind aber dennoch sozial aktiv. Die "frail reclusives" hingegen haben sich wegen ihrer gesundheitlichen Probleme weitgehend zurückgezogen. Diese vier Segmente haben jeweils ein anderes Kaufverhalten. Und auch ihr "Geldleben" hinsichtlich Anlagen, Krediten und Zahlungsverkehr ist unterschiedlich. Daraus ergeben sich für das Bankgeschäft mannigfache Chancen und Risken. Spezifische Beratung für Ältere Eine große Chance für das Bankgeschäft, die auch bereits weitgehend besetzt ist, ist die Altersvorsorge. Mehr und mehr Menschen sorgen selbst vor - allerdings nicht als alte Menschen, sondern schon weit früher. Im Alter selbst zeichnen sich bei Anlagen zwei Trends ab: Ältere sparen trotz einer im Vergleich zum früheren Aktivbezug geringeren Pension weiter - wenn auch in geringerem Ausmaß - und schränken sich bei Ausgaben ein. Der Grund ist hierbei Vorsorge für später, zum Beispiel für den Pflegefall oder Donation für die nächste/übernächste Generation. Oder Ältere entsparen sukzessive, weil es eine Notwendigkeit ist oder das Ersparte bewusst ver braucht werden soll. In jedem Fall ist eine Beratung durch die Bank zweckmäßig, damit diese den weiteren Aufbau oder Abbau der Anlagen optimieren kann. Auch was Kredite/Darlehen bei Älteren betrifft, gibt es Spezifika: Die Verschuldung wird üblicherweise zurückgefahren. Neuverschuldung kommt meist nur bei Immobilien (altersgerechtes Wohnen! ) vor. Spezifische, auf die restliche Lebensdauer abgestimmte Beratung ist zweckmäßig. Was den Zahlungsverkehr betrifft, gilt es Überlegungen anzustellen, wie dieser altersgerecht erfolgen kann. Generell gilt, dass auf persönliche Betreuung großer Wert gelegt wird, die Risikofreude unterdurchschnittlich ist und Innovationen nur eingeschränkt und mit Verzögerung akzeptiert werden. Aufgrund der Alterung der Gesellschaft in einem Tempo, das ein Novum in der Menschheitsgeschichte darstellt, ist dem demografischen Ansatz - Marketing für Jugendliche und Ältere - von Banken vermehrt Aufmerksamkeit zu schenken. Dr. Ewald Judt ist Honorarprofessor der Wirtschaftsuniversität Wien und Geschäftsführer der PayLife Bank GmbH; ewald. judt[at]paylife[dot]at/www.paylife.at. Dr. Claudia Klausegger ist Assistenzprofessorin am Institut für Marketing-Management der Wirtschaftsuniversität Wien; claudia.klausegger[at]wu-wien[dot] ac.at.

Dr. Ewald Judt , Honorarprofessor , Wirtschaftsuniversität Wien
Dr. Claudia Klausegger , Assistenzprofessorin am Institut für Marketing-Management der Wirtschaftsuniversität Wien
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