Rechtsfragen im Retailbanking

EU-Wohnimmobilienkredit-Richtlinie: Mit Augenmaß umsetzen

Rund 70 Prozent der Deutschen finden, dass sich Wohneigentum lohnt - und zwei von drei Haushalten können es sich auch leisten, in den eigenen vier Wänden zu wohnen. Das hat jüngst die Sparda-Studie "Wohnen in Deutschland" ergeben. In den allermeisten Fällen verhilft erst eine Baufinanzierung zum Immobilienerwerb, zumeist mit langfristiger Laufzeit und festem Zinssatz. In der Regel ist diese Investition die größte und dauerhafteste im Leben eines Verbrauchers. Deshalb verwundert es nicht, dass der Verbraucherschutz bei diesem Produkt hierzulande eine hoch sensible Angelegenheit ist.

Für die Kreditwirtschaft wiederum ist die Baufinanzierung ein wichtiges Segment, für die Sparda-Banken neben dem Girokonto das Kerngeschäft. Von den Aktiva werden in der Sparda-Gruppe im Durchschnitt knapp 60 Prozent als Baukredite an Privatkunden ausgereicht.

Nun hat die Europäische Union (EU) mit der Richtlinie über "Wohnimmobilienkreditverträge für Verbraucher" vom 2. Februar 2014 europaweite Standards für den Schutz des Darlehnsnehmers gesetzt. Nach Veröffentlichung der Richtlinie im Amtsblatt der EU am 28. Februar 2014 haben die Mitgliedstaaten nun zwei Jahre Zeit für die Umsetzung der Vorgaben. Spätestens am 28. Februar 2016 müssen also die neuen Regeln gelten. Die Vorarbeiten dafür in Berlin haben bereits begonnen.

Wie lassen sich die großen Spielräume der Mitgliedstaaten bei der Umsetzung in Deutschland nutzen, um die Verbraucher angemessen zu schützen und gleichzeitig eine praktikable Anwendung bei der Vergabe von Wohnimmobilienkrediten sicherzustellen?

Der deutsche Gesetzgeber muss bei der Umsetzung zahlreiche Einzelentscheidungen treffen, wie beispielsweise zur vorvertraglichen Information oder zur Vorfälligkeitsentschädigung. Da es sich um eine Mindestharmonisierung handelt, können national auch strengere Vorschriften erlassen werden. Darauf weist Art. 2 Abs. 2 der Richtlinie ausdrücklich hin. Die aus unserer Sicht für die Kreditwirtschaft wichtigsten Punkte sind

- die Regeln über die vorzeitige Rückzahlung,

- die Qualifikation der Berater,

- die Kreditprüfung und

- die Beratungsstandards.

Vorzeitige Rückzahlung nur aus wichtigem Grund

In Art. 25 Abs. 1 schreibt die Richtlinie ein Recht des Verbrauchers auf vorzeitige Rückzahlung des Kredites fest. Das hat vor allem in Deutschland mit der Kultur der langfristigen Finanzierung erhebliche Auswirkungen. Und gerade in der Niedrigzinsphase binden sich die Kunden oft zehn oder gar 15 Jahre.

Allerdings können die Mitgliedstaaten nach Art. 25 Abs. 2 Satz 1 die Ausübung des Rückzahlungsrechts an "bestimmte Bedingungen" wie eine "zeitliche Begrenzung", oder eine "Beschränkung hinsichtlich der Umstände" und eine Differenzierung nach Art des Zinses vorsehen.

Das BGB kennt einen solchen Rückzahlungsanspruch bisher nicht. Derzeit hat der Kreditnehmer nach Maßgabe des § 489 BGB ein Kündigungsrecht, welches eine Rückzahlungspflicht nach sich zieht. Dem liegen der Grundsatz der Vertragstreue und der Vertragsfreiheit zugrunde. Der Darlehensnehmer ist an die Bedingungen gebunden. Er kann wählen, ob er sich binden will und sich damit eine monatlich gleichmäßige Rate sichert oder sich für eine variable Laufzeit oder einen variablen Zinssatz entscheidet, um sich Rückzahlungsmöglichkeiten offen zu halten. Ein gesetzliches Rückzahlungsrecht führt bei gleichzeitiger Sollzinsbindung letztlich zu einer Subventionierung des vertragsbrüchigen Kunden durch den vertragstreuen Kunden - jedenfalls für den Fall, dass für die vorzeitige Rückzahlung keine Vorfälligkeitsentschädigung berechnet werden dürfte. Dies ist vor allem in Genossenschaften wie den Sparda-Banken problematisch, da die Mitglieder gleich zu behandeln sind.

Kultur der Langfristfinanzierungen nicht gefährden

Deshalb sollte der deutsche Gesetzgeber dem hohen Stellenwert der Vertragstreue und der Vertragsfreiheit im deutschen Recht folgen und enge Grenzen für die Ausübung des Rückzahlungsrechts vorsehen. So sollte die Rückzahlung nur aus "wichtigem Grund" möglich sein, zum Beispiel, wenn der Kreditnehmer wegen nicht in seiner Person liegende Umstände die finanzierte Immobilie veräußern muss. Auf keinen Fall akzeptabel wäre es, einen Ausstieg aus dem Kredit zu ermöglichen, um zum Beispiel von günstigeren Konditionen etwa nach einem Rückgang von Zinsen zu profitieren. Dies würde die spezifisch deutsche Kultur der Langfristfinanzierung mit dem großen Vorteil der Planbarkeit und Sicherheit infrage stellen - und zwar sowohl für den Kunden als auch für die Bank. Diese Kultur dient im Übrigen in hohem Maße der Finanzmarktstabilität, wie die Probleme mit Immobilienkrediten in vielen Ländern mit anderer Kreditkultur in der jüngsten Krise gezeigt haben.

Weiter ermöglicht Art. 25 Abs. 3 der Richtlinie die Schaffung eines Anspruchs auf Vorfälligkeitsentschädigung. Hier sollte es bei dem Schadensersatzanspruch in § 490 Abs. 2 S. 3 BGB bleiben, die den Anforderungen der EU-Norm genügen dürften, auch der Vorgabe des Satzes 2, dass die Entschädigung den "finanziellen Verlust des Kreditgebers nicht überschreiten" darf. Eine wie auch immer geartete schematische Deckelung der Entschädigung würde den vielfältigen Sachverhaltsgestaltungen nicht gerecht.

Beraterqualifikation: KWG-Vorgaben genügen

Nach Art. 9 (weitere Anforderungen an Kreditvermittler enthält Art. 29 Abs. 2) der Richtlinie müssen die Mitgliedsstaaten "ausreichende Kenntnisse und Kompetenzen" der Berater, aber auch des Managements sicherstellen (Abs. 1). Diese sind durch "anerkannte Qualifikationen oder Erfahrungen" zu gewährleisten. Die Europäische Kommission wird dazu in einem delegierten Rechtsakt noch Spezifikationen vornehmen.

In Deutschland ist die Baufinanzierungsberatung keine speziell regulierte Tätigkeit. Es gelten die allgemeinen Anforderungen des Kreditwesengesetzes (KWG) an die Ausübung der Banktätigkeit. Solche allgemeinen Regeln sollten den Vorgaben der Richtlinie genügen.

Kein neuer staatlich regulierter Nachweis

Darüber hinausgehende spezifische Qualifikationen für die Baufinanzierung vermitteln die Sparda-Banken den Mitarbeitern selbst. Nach erfolgreicher Teilnahme an entsprechenden Seminaren des Verbandes wird das "Zertifikat Baufinanzierungsberater" verliehen. Die spezifische, bankindividuelle Fortbildung ist auch sinnvoll, da insbesondere die Beherrschung der Sparda-eigenen IT-gestützten Prozesse der Baufinanzierung erlernt werden muss.

Diese Anforderungen gewährleisten eine hohe Qualifikation der Baufinanzierungsberater in den Banken. Hier besteht kein Bedarf an weiteren womöglich staatlich regulierten Ausbildungsnachweisen. Insofern wäre es wichtig, in erster Linie qualitative und nicht formale Kriterien als Maßstab vorzugeben. Der Abschluss der Ausbildung zum Bankkaufmann vermittelt die erforderliche Fachkenntnis auch für die Baufinanzierung. Insbesondere sollten die Zertifikate der bank-, gruppen- oder verbundinternen Ausbildungen zum Nachweis der Qualifikation anerkannt werden.

Prozessgesteuerte Kreditprüfung nicht infrage stellen

Art. 18 stellt inhaltliche und verfahrensmäßige Anforderungen an die "Kreditwürdigkeitsprüfung" auf, deren Beachtung die Mitgliedstaaten sicherstellen müssen. Spürbar ist der Versuch, einen angemessenen Ausgleich zu finden zwischen den Zielen, dem Bauwilligen Zugang zu den erforderlichen Mitteln zu verschaffen, und ihn zugleich vor finanzieller Überforderung und Überschuldung zu schützen.

Die Gesichtspunkte wie Einkommen, Vermögen, Verpflichtungen, aber auch Präferenzen und Ziele des Verbrauchers gehören in der gelebten Praxis in Deutschland zum Minimalstandard bei der Kreditprüfung. Auch dem in Art. 18 Abs. 3 lit. a genannten Entscheidungskriterium der Wahrscheinlichkeit der Bedienung des Kredits ergibt sich keine Veränderung. Neu wird allerdings die gesetzliche Festlegung sein. Allerdings sollte der Gesetzgeber bei der Umsetzung darauf achten, dass die Möglichkeit der prozessgesteuerten Kreditprüfung, zum Beispiel die automatisierte Schufa-Abfrage in Kreditbearbeitungsprogrammen, nicht infrage gestellt wird. Die "Industrialisierung" von Bankprozessen ist eine Errungenschaft der letzten Jahre und Jahrzehnte und hat zu erheblicher Professionalisierung und zu Kosteneinsparungen geführt, die dem Kunden aufgrund niedrigerer Stückkosten zugutekommen. Solche Fortschritte dürfen im Zeitalter der Digitalisierung nicht durch Vorgaben aus einer "alten Welt" für "geeignete Verfahren", wie sie die Mitgliedstaaten nach Art. 18 Abs. 1 sicherstellen müssen, rückgängig gemacht werden.

Beratungsstandards: Beratung nicht von der Kreditvergabe trennen

Nach Art. 22 Abs. 3 der Richtlinie sollen die Mitgliedstaaten nicht näher bestimmte Standards bei einer entgeltlichen "Beratung" (Art. 22 Abs. 2 Satz 1 lit. b spricht von einem gegebenenfalls zu zahlenden Beratungsentgelt) gewährleisten, die nach Abs. 1 als eine von der Kreditvergabe "getrennte Dienstleistung" zu verstehen ist. Gemeint ist wohl eher eine Art Honorarberatung, wie sie in Deutschland mittlerweile gesetzlich geregelt ist.

Die Anforderungen an diese Art der Beratung gehen weit über die übliche Erörterung des Kreditvertrages hinaus, die im Filialgeschäft erfolgt. Insbesondere sollen "eine ausreichende Zahl vom am Markt verfügbaren Kreditverträgen", also auch Angebote von Konkurrenzinstituten, in Betracht gezogen werden. Dies ist nicht das klassische Geschäftsmodell im Privatkundengeschäft in Deutschland und auch nicht das der Sparda-Banken.

Hier sollte bei der Umsetzung besonders Wert gelegt werden auf eine klare und rechtssichere Unterscheidung zwischen der Beratung nach Art. 22 der Richtlinie und dem traditionellen Baufinanzierungsprozess in der deutschen Praxis.

Fazit: Verschärfung der Regelungen nicht notwendig

Es ist keine Selbstgefälligkeit, wenn behauptet wird, dass die Vergabe von Krediten für die Finanzierung des privaten Immobilienerwerbs im deutschen Markt durchgehend reibungslos verläuft. Die lange Duration der Kredite, die Zinsbindung, aber auch die verantwortungsvolle Vergabepraxis der Banken sorgen hier - Einzelfälle ausgenommen - für eine insgesamt sehr zufriedenstellende Situation. Anders als in anderen EU-Staaten, auf die bestimmte Vorschriften der Richtlinie primär zielen, kommt es hierzulande nicht in nennenswertem Maße zu Übervorteilungen des Verbrauchers und dadurch häufig zu Überschuldungen oder Kreditausfällen. Auch kennen wir im Gegensatz zu anderen europäischen Regionen keine strukturellen Marktüberhitzungen oder Immobilienblasen.

Deshalb besteht auch keine Notwendigkeit, aus Anlass der Umsetzung der Richtlinie die bestehenden Regeln für die Baufinanzierung zu verschärfen. Ein maßvolles Herangehen an das Vorhaben erscheint angemessen. Es bleibt zu hoffen, dass diese Erkenntnis auch die Verantwortlichen in der Gesetzgebung haben und das Vorhaben nicht in den Sog des allgemeinen Regulierungsüberschwangs nach der Finanzmarktkrise gerät.

Prof. Dr. Joachim Wuermeling , Mitglied des Vorstands , Deutsche Bundesbank
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