Sepa

Ein Jahr Sepa: eine kritische Bestandsaufnahme

In wenigen Tagen feiert der Euro-Zahlungsraum zum ersten Mal Geburtstag. Vor genau einem Jahr, am 28. Januar 2008, war das neue Sepa-Überweisungsverfahren mit mehr als 4300 Kreditinstituten in insgesamt 31 europäischen Ländern gestartet. Im September 2008 wurden nach einer aktuellen Statistik der Europäischen Zentralbank bereits etwa 1,5 Prozent aller Überweisungen in dem neuen Sepa-Verfahren, und damit nur noch 98,5 Prozent aller Überweisungen in den bisherigen nationalen Verfahren, abgewickelt. Alles in allem also bislang ein durchschlagender Erfolg, der - eine Beibehaltung der derzeitigen Wachstumsraten vorausgesetzt - bereits im Jahr 2050 zur Vollendung der Sepa führen dürfte. Was läuft also momentan schief beim Projekt Sepa? Wie lässt sich hier erfolgreich gegensteuern?

Zur Beantwortung dieser Fragen lohnt es sich, nochmals kurz die Grundlagen, Anfänge und Ziele des Sepa-Projektes in Erinnerung zu rufen. Ziel der Sepa ist es, dass die Bankkunden innerhalb dieses einheitlichen Euro-Zahlungsraums, egal ob sie die Dienste eines Kreditinstitutes an Bulgariens Goldküste oder im Norden Norwegens nutzen, ihre Zahlungsaufträge stets mit den gleichen Datensatzstandards, zu den gleichen Abwicklungsregeln und identischen rechtlichen Rahmenbedingungen erteilen können.

Dies bedeutet ex definitione auch die Aufgabe der eingeführten nationalen Zahlungsverkehrssysteme und -standards, da nur so die gewünschte europaweite Einheitlichkeit herbeigeführt werden kann.

Ob dies wirklich Sinn macht und insbesondere ob tatsächlich durch die Schaffung des europaweit einheitlichen Euro-Zahlungsraums je die von der EU-Kommission vorhergesagten gesamtwirtschaftlichen Wohlfahrtsgewinne eintreten werden, darüber ist in der Vergangenheit zu Recht heftig gestritten worden. So hatten weder die Masse der Bank kunden noch die Kreditwirtschaft selbst laut nach einem einheitlichen Euro-Zahlungsraum geschrien. Es war vielmehr der europäische Gesetzgeber, der Anfang dieses Jahrzehnts von der Kreditwirtschaft ultimativ die Schaffung des einheitlichen Euro-Zahlungsraums eingefordert hatte.

Kreditwirtschaft hat Voraussetzungen erfolgreich geschaffen

Unter dem Eindruck eines gleichzeitigen massiven gesetzlichen Regulierungsdrucks, so wurde die Kreditwirtschaft mit der EU-Preisverordnung von 2001 in ordnungspolitisch höchst bedenklicher Art und Weise zur Angleichung der Kundenent gelte für grenzüberschreitende Zahlungen auf das Preisniveau nationaler Transaktionen gezwungen, was im Übrigen vor allem manchem EU-Beamten/-Abgeordneten persönlich zugute kam, hatte die Kreditwirtschaft dann im Jahr 2002 das European Payments Council (EPC) in Brüssel gegründet.

Aufgabe des EPC war es, im Wege der Selbstregulierung der europäischen Kreditwirtschaft einheitliche Interbankenregelwerke für die neuen Sepa-Zahlungsverfahren zu erarbeiten und damit die ansonsten drohende praxisferne Festlegung derartiger Standards durch den europäischen Gesetzgeber zu verhindern. Das EPC hat im Weiteren dann diese wahrlich nicht immer einfache Aufgabe in einem intensiven Abstimmungsprozess zwischen den Vertretern der Kreditwirtschaft aus 31 EU- und EFTA-Ländern erfolgreich und insbesondere auch fristgerecht, innerhalb des vom europäischen Gesetzgeber festgesetzten Zeitrahmens bis Anfang 2008, erfüllt.

Umsetzung bedarf der Unterstützung des Gesetzgebers

Als erste Enttäuschung erwies sich dann jedoch, dass der Gesetzgeber selbst seinen eigenen Teil der Hausaufgaben für die Schaffung der Sepa, die Verabschiedung eines neuen EU-einheitlichen Rechtsrahmens für den Zahlungsverkehr, nicht fristgerecht erledigt hatte. Dieser ist jedoch zwingende Voraussetzung für die Einführung des neuen Sepa-Lastschriftverfahrens.

Konsequenz hieraus war, dass der einheitliche Euro-Zahlungsraum im Januar 2008 nur mit dem Sepa-Überweisungsverfahren starten konnte. Das Sepa-Lastschriftverfahren soll nun am 2. November 2009 unter der Voraussetzung starten, dass zu diesem Zeitpunkt der neue EU-Rechtsrahmen in den 31 EU-/EFTA-Ländern dann auch tatsächlich in die jeweiligen nationalen Rechtsordnungen übernommen worden ist.

Insoweit ist es durchaus verständlich, dass sich viele Bankkunden bei der Nutzung der Zahlungssysteme noch nicht auf Sepa umgestellt haben, solange mit der Überweisung nur ein Sepa-Zahlungsinstrument zur Verfügung steht und das Pendant, die Sepa-Lastschrift, von den Banken zurzeit noch nicht angeboten werden kann. Großer Durchbruch im November?

Müssen wir also gemeinsam nur noch die Durststrecke bis zum November durchstehen? Gelingt dann der große Durchbruch für die Sepa?

Hierzu eines vorweg. Die deutschen Genossenschaftsbanken würden sich dies sehr wünschen und engagieren sich auch aktiv hierfür. Der BVR und die DZ Bank haben von Anfang an im EPC mitgearbeitet und die neuen Sepa-Zahlungsverfahren entscheidend mitgestaltet. Unsere verbundinternen Abwicklungssysteme wurden mit hohem Investitionsaufwand fristgerecht angepasst. Die Volksbanken Raiffeisenbanken waren daher auch mit unter den ersten europäischen Kreditinstituten, die bereits in 2007 ihre Teil nahme am SepaÜberweisungsverfahren erklärt hatten. Dies geschah aus der Überzeugung, dass der politische Wunsch zur Schaffung der Sepa unumkehrbar ist und dieser nun auch in einem angemessenen Zeitraum in die Praxis umgesetzt werden sollte, Unser Commitment hierzu lässt sich auch daran ermessen, dass jede zweite SepaÜberweisung in Deutschland im Jahr 2008 von einem Kunden einer Volksbank oder Raiffeisenbank in Auftrag gegeben wurde. Gleichzeitig führt dies momentan zu einer Koexistenz der alten und neuen Zahlungsverfahren. Die Fortführung eines derartigen Parallelbetriebs wäre auf Dauer sicherlich für alle Beteiligten die teuerste Lösung.

Dies erklärt einerseits unser hohes Interesse am Erfolg der Sepa und gleichzeitig unsere massive Sorge über derzeitige Fehlentwicklungen im Bereich der öffentlichen Hand beziehungsweise des Gesetzgebers, die nun einer dringenden Korrektur bedürfen. Um die Sepa zum von der Politik gewünschten Erfolg zu bringen, ist nun auch ihr eigenes konsequentes Handeln zwingend erforderlich.

Zu allererst gilt dies für die eigene Rolle der öffentlichen Hand als Kunde, das heißt Zahlungssystemnutzer. Erhebliche Transaktionsvolumina werden von staatlichen Stellen bewegt. Diese müssen nun in der Praxis endlich das tun, was sie politisch auch von jedem anderen Bankkunden erwarten, nämlich ihre eigenen Zahlungssysteme umstellen und konsequent die Sepa-Zahlungsinstrumente nutzen.

Es ist daher sehr er freulich, dass die deutsche Rentenversicherung angekündigt hat, ab Mitte 2009 die Renten per Sepa-Überweisung auszuzahlen. Ein Anfang wäre damit gemacht; aber dies alleine reicht bei weitem noch nicht aus.

Umstellungserleichterungen beim Lastschriftverfahren erforderlich

Im Weiteren muss der deutsche Gesetzgeber endlich seinen Widerstand gegen das von den Spitzenverbänden der Kreditwirtschaft gemeinsam mit der Deutschen Bundesbank vorgeschlagene Verfahren zur gesetzlichen Umstellung der sogenannten Lastschriftmandate aufgeben. Solange es kein anerkanntes Verfahren zur Umdeutung der in der Vergangenheit von den Lastschrifteinreichern bei den Zahlungspflichtigen eingeholten Einzugsermächtigungen auf das neue Sepa-Lastschriftmandat gibt, wird das Sepa-Lastschriftverfahren garantiert kein Erfolg werden.

Welcher Anreiz sollte auch für große Firmenkunden mit hohen Lastschrifteinreichungsvolumen, wie zum Beispiel Versicherungen, Versorgungsunternehmen und Spendenorganisationen, bestehen, jeden einzelnen ihrer Kunden anzuschreiben beziehungsweise eventuell sogar mehrmals schriftlich nachzuhaken, nur um sich das neue Sepa-Lastschriftermächtigungsmandat unterschreiben zu lassen? Den hohen hiermit verbundenen administrativen Aufwand wird sich kein Lastschrifteinreicher freiwillig antun wollen. Gerade auch wegen des bisherigen großen Erfolgs des Einzugsermächtigungsverfahrens in Deutschland ist daher dringend erforderlich, auch bei uns, genauso wie in vielen anderen EU-Ländern bereits vorge sehen, eine pragmatische gesetzliche Lösung zur Umstellungserleichterung einzuführen.

EU-Kommission darf wirtschaftliche Grundlage nicht entziehen

Für einen raschen europaweiten Erfolg des Sepa-Lastschriftverfahrens sehr kontraproduktiv ist zudem die im September 2008 von der EU-Kommission verkündete Entscheidung, dass es - voraussichtlich ab 2012 - keine Interbankenentgelte mehr beim Lastschriftverfahren geben darf. Damit werden öffentliche Reaktionen, wie jüngst von der französischen Kreditwirtschaft, aber auch aus der deutschen Sparkassenorganisation heraus, die eine eigene Beteiligung am Sepa-Lastschriftverfahren zumindest sehr in Frage gestellt haben, geradezu herausgefordert.

Auch wenn dies unserer Überzeugung nach nicht der Weisheit letzter Schluss ist, so muss doch klar sein, dass auch für Institute, die stärker die Privatkunden und damit die Zahlungspflichtigen beim Lastschriftverfahren betreuen, hierbei dauerhaft ein adäquater Business Case gegeben sein muss. Dieser kann nur aus einem Interbankenentgelt oder - wie bislang in Deutschland praktiziert - aus einem Rücklastschriftentgelt bei fehlerhaften und unanbringlichen Lastschriften kommen, da die wirtschaftlichen Vorteile beim Lastschriftverfahren ungleich verteilt sind und vor allem beim Lastschrifteinreicher liegen. Der Zahlungspflichtige wird daher nicht zu einer adäquaten Kostenkompensation gegenüber seinem kontoführenden Institut bereit sein.

Wenn der Gesetzgeber diese Zusammenhänge weiter negiert, wird dies in der Konsequenz dazu führen, dass das Sepa-Lastschriftverfahren in der Praxis nicht zum Laufen kommen wird. Es bedarf keiner besonderen prophetischen Gabe, um vorherzusagen, dass sich unter diesen Bedingungen wohl viele Kreditinstitute mit hohem Privatkundenanteil nicht an dem neuen Verfahren beteiligen werden.

Last but not least: Die Sepa ist ein politisch gewolltes Projekt. Vorteile für die allermeisten Kunden ergeben sich hieraus wie die Kreditwirtschaft in der Vergangenheit auch immer betont hat - nicht, da zum einen die bestehenden nationalen Zahlungssysteme bereits sehr effizient sind und zweitens der Anteil des grenzüberschreitenden Zahlungsverkehrs nach wie vor verschwindend gering ist. Dies wird sich auch in den nächsten Jahren nicht gravierend verändern.

Endtermin gesetzlich festschreiben

Die Schlussfolgerung hieraus ist: Damit die Sepa-Zahlungsinstrumente trotzdem - wie von der Politik gewollt! - genutzt werden, bedarf es eines "Abschalt termins" für die bisherigen nationalen Verfahren. Diesen Endtermin - und zwar hoffentlich weit vor 2050 - kann nur der Gesetzgeber selbst festlegen, da vom Markt heraus kein zwingender Bedarf für Sepa besteht. Jeder privatwirtschaftliche Zahlungsverkehrsanbieter würde sich daher, selbst wenn er dies wollte, mit einem "Vorpreschen" bei der Aufgabe der bisherigen Zahlungsverfahren aus dem Markt herauskatapultieren. Insgesamt ist diese Situation durchaus mit der Euro-Bargeldeinführung vergleichbar. Wenn der Gesetzgeber keinen Endtermin für die Euro-Bargeldumstellung festgelegt hätte, würden die meisten Bundesbürger wohl auch heute noch mit D-Mark bezahlen.

Die Ausgangsfrage lässt sich daher positiv beantworten. Die Sepa kann und sollte nach Auffassung der genossenschaftlichen Bankengruppe noch zum Erfolg werden. Voraussetzung hierfür ist nun jedoch rasches und konsequentes Handeln des Gesetz gebers. Die Politik ist am Zuge!

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