Bankmanagement-Glossar

Was ist Lead User Integration?

Statistiken zufolge enden 90 Prozent aller Produktinnovation als Flops. Diese Erkenntnis ist den meisten Produktentwicklungsabteilungen nicht neu. Gleichzeitig wird aber oft wenig unternommen, um die Flop-Rate zu reduzieren. Innovationen sind dann erfolgreich, wenn sie die Anforderungen und den Bedarf potenzieller Kunden treffen. Doch gerade für Produkte und Dienstleistungsangebote, die es noch nicht gibt, können Kunden kaum sagen, was sie wollen.

Lead User identifizieren Bedarf

Unter Lead User Integration versteht man die Integration von Kunden während einer Neuproduktentwicklung. Kunden des Zielmarktes, die im Rahmen traditioneller Marktanalysen (zum Beispiel Zufriedenheitsanalysen) befragt werden, sind jedoch häufig hinsichtlich der Neuproduktentwicklung durch ihre realen Erfahrungen beschränkt. Lead User sind durch folgende besondere Merkmale gekennzeichnet:

Sie identifizieren einen Bedarf an neuen Lösungen Monate oder Jahre vor anderen Kunden. Sie sind dem Trend voraus und Vorreiter ihrer Branche. Sie verspüren zukünftige Bedürfnisse des Marktes schon sehr früh und können diese spezifischen Anforderungen formulieren.

Sie profitieren selbst von Problemlösungen für ihre Bedürfnisse. Sie erwarten einen Nutzen bei einer Innovation und sind daher motiviert, innovative Ideen zu entwickeln und voranzutreiben.

Der Ansatz der Lead User Integration wurde von Professor Eric von Hippel vom MIT (Massachusetts Institute of Technology) Mitte der achtziger Jahre entwickelt.

Das Konzept stammt ursprünglich aus dem Investitionsgüterbereich. Im Business-to-Business ist eine enge Zusammenarbeit zwischen Herstellern und Kunden wichtig, da dieser Sektor überwiegend durch Einzel- und Kleinserienfertigung geprägt ist. Die Übertragbarkeit des Konzeptes auf den Konsumgüter- und Dienstleistungsbereich beziehungsweise auf weniger komplexe Güter wird in der Literatur viel diskutiert.

Der Erfolg des Ansatzes wurde mehrfach durch empirische Studien belegt, die zeigen, dass Ideen von Lead Usern achtmal erfolgreicher sind als jene, die mit traditionellen Methoden erarbeitet wurden. Die Lead User Integration erfolgt typischer weise in vier Schritten:

Identifikation von Trends in relevanten Suchfeldern: Interviews mit Markt-, Technologie- und Umfeld-Experten, Scanning von Literatur, Internet, Datenbanken, Selektion der wichtigsten Trends (Markt, Technologie, Gesellschaft, Ökologie)

Suchen und Finden von Pionierkunden: Erstellen eines Lead-User-Profils, Networking-Suche nach Usern im Zielmarkt sowie in analogen Märkten, Vorgespräche, Findung und erste Evaluation der Ideen

Entwicklung von Konzepten gemeinsam mit diesen Pionierkunden: Planung und Durchführung eines Workshops mit Lead Usern und Mitarbeitern, Weiterentwicklung der Innovationsideen

Abschließende Markttests der entwickelten Produktlösungen: Bewertung der Konzepte hinsichtlich Umsetzbarkeit, Marktpotenzial, Wirtschaftlichkeit, Umwelteffekte et cetera.

Kundenmitwirkung im Business-to-business unerlässlich

Eine mögliche Barriere bei der Lead User Integration stellt die Identifikation der "richtigen" Pionierkunden und die Übertragbarkeit der Leistungsangebote auf den allgemeinen Markt dar. In empirischen Studien konnte allerdings nachgewiesen werden, dass von Lead Usern generierte Produkte auch durchschnittliche Kunden ansprechen und somit ein großes Marktpotenzial besitzen. Im Finanzdienstleistungsbereich ist die Mitwirkung des Kunden bei der Erstellung neuer Dienst leistungen unerlässlich. Vor allem im Business-to-Business-Bereich sind Kundenbedürfnisse häufig maßgeschneidert und Kunden haben ein hohes Informa-tions-, Interaktions- und Kooperationsbedürfnis. Je individueller eine Dienstleistung, desto stärker muss sich der Kunde in den Leistungsprozess einbringen.

Dem Management von Kundenintegration wird in der Praxis derzeit zu wenig Bedeutung beigemessen, obwohl die gezielte Eruierung von Marktideen auch für Finanzdienstleister eine viel versprechende Methode darstellt. Auch empirisch konnte nachgewiesen werden, dass eine Lead User Integration eine Minimierung des Risikos, eine Verstärkung der Partnerbindung sowie ein verbessertes Marktverständnis bewirken.

Dr. Ewald Judt ist Honorarprofessor der Wirtschaftsuniversität Wien und Geschäftsführer der PayLife Bank GmbH; ewald. judt[at]paylife[dot]at/www.paylife.at. Dr. Claudia Klaus egger ist Assistenzprofessorin am Institut für Marketing-Mana gement der Wirtschaftsuniversität Wien; claudia.klausegger[at]wu-wien[dot] ac.at.

Dr. Ewald Judt , Honorarprofessor , Wirtschaftsuniversität Wien
Dr. Claudia Klausegger , Assistenzprofessorin am Institut für Marketing-Management der Wirtschaftsuniversität Wien
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