Bankmanagement-Glossar

Was ist Neuromarketing?

In jüngster Zeit werden zunehmend ökonomische Ansätze diskutiert, entwickelt und genutzt, die auf den Erkenntnissen der Neuroscience aufbauen. Unter Neuroscience versteht man die Wissenschaft, die mit Methoden der Hirnforschung aus der Zusammenarbeit einzelner Nervenzellen (Neuronen) des Gehirns auf die Verhaltenserzeugung schließt. Derartige neurowissenschaftliche Techniken können bildgebende Verfahren wie die Elektroenzephalografie (EEG) oder die funktionelle Magnetresonanztomografie (FMRT) oder aber psychophysiologische Verfahren wie die Hautwiderstands-, Herzfrequenz- oder Blickverlaufsmessung sein.

Emotionen bei Kaufentscheidung wichtiger als angenommen

Die Neuroscience liefert der Ökonomie verlässlichere Daten als die derzeit angewandten "klassischen" Methoden, da anders als bei diesen nicht die Person befragt, sondern deren Gehirn erforscht wird. Die Erkenntnisse dieser Forschungstechniken im Bereich der Neurökonomie zeigen neue, ökonomisch relevante Gehirnmechanismen auf und führen zur präziseren Deutung des menschlichen Wahrnehmungs- und Entscheidungsverhaltens in bestehenden ökonomischen Modellen. Sie erklären existierende Abweichungen zwischen theoriegeleitetem und realitätsbezogenem Verhalten besser.

Beim Neuromarketing geht es vor allem um die Erforschung des Verhaltens des Menschen als (potenzieller) Konsument. Im Blickpunkt stehen die Kommunikationswahrnehmung und die Kaufentscheidung des Konsumenten, weshalb auch der Ausdruck "Consumer Neuroscience" geprägt wurde. Ziel des Neuromarketing ist es, durch das Studium von Gehirnaktivitäten den Konsumenten besser zu verstehen und die Effektivität und Effizienz von Marketingaktivitäten zu steigern.

Die meistverbreitete neurowissenschaftliche Technik ist dabei die funktionelle Magnetresonanztomografie (FMRT). Damit können die Zustände und Prozesse, unter deren Einfluss Konsumenten ihre Wahrnehmungen machen und ihre Entscheidungen treffen, sichtbar gemacht werden. Dabei wird beobachtet, welche Gehirnareale bei verschiedenen Stimuli (wie Nachrichten, Produkten/Marken und Preisen) aktiv werden.

Was die Grundfrage des Neuromarketing betrifft, wie Verbraucher eine Kaufentscheidung treffen, so gehen die bisherigen Antworten der "Consumer Neuroscience" in die Richtung, dass Emotionen eine bedeutendere Rolle spielen als bisher angenommen wurde. Das lässt die Vermutung zu, dass der Homo Oeconomicus offenbar nie existiert hat, da das emotionelle Empfinden die menschliche Wahrnehmungs- und Entscheidungsfähigkeit schon immer in hohem Maße beeinflusst hat.

Bei FMRT-Untersuchungen im Neuromarketing handelt es sich immer um Laborsituationen, das heißt um Experimente, die auf individuellen Wahrnehmungen und Entscheidungen beruhen. Wenn allerdings eine entsprechende Repräsentanz der potenziellen Kunden erzielt werden kann, kann durchaus auf die emotionalen Reize geschlossen werden, die den Grundmotiven des Probanden entsprechen. Unbewusste Emotionen von Konsumenten aufgrund einer Wahrnehmung (zum Beispiel einer Werbebotschaft) oder anlässlich einer Entscheidung werden mit FMRT sichtbar gemacht und damit bekannt.

Differenzierung allein über Produkt und Preis nicht möglich

Mit Neuromarketing haben Unternehmen die Chance, ihre Marketinginstrumente weitreichender und präziser als bisher auf die Emotionen der Konsumenten auszurichten - die Zielgruppen können nach emotionalen Kriterien ausgerichtet und die Produkte kundenorientierter gestaltet werden, die Kommunikation kann effizienter und die Vermarktung insgesamt erfolgreicher werden.

Auch beim Angebot und der Nachfrage nach Finanzdienstleistungen, wo nahezu alles rational (und technokratisch) ausgerichtet scheint, wird es notwendig sein, sich mit den Erkenntnissen des Neuromarketing auseinanderzusetzen: von der Produktgestaltung, über die Kommunikation, das Beratungs- und Verkaufsgespräch bis zum Raumumfeld gilt es, sich emotional zu profilieren. Differenzierung allein über Produkte und Preise wird in Zukunft nicht mehr möglich sein. Gerade für Finanzdienstleister sollte das aber kein Problem sein, sondern ein Vorteil, da gerade sie zum Beispiel beim Thema Vorsorge mit Emotionen (den Zukunftsängsten) ihrer Kunden konfrontiert werden. Ziel muss es sein, basierend auf den Erkenntnissen von Neuromarketing, jedem Kunden die richtigen emotionalen Angebote zu machen.

Dr. Ewald Judt ist Honorarprofessor der Wirtschaftsuniversität Wien und Geschäftsführer der PayLife Bank GmbH; ewald. judt[at]paylife[dot]at/www.paylife.at. Dr. Claudia Klaus egger ist Assistenzprofessorin am Institut für Marketing-Mana gement der Wirtschaftsuniversität Wien; claudia.klausegger[at]wu-wien[dot] ac.at. -

Dr. Ewald Judt , Honorarprofessor , Wirtschaftsuniversität Wien
Dr. Claudia Klausegger , Assistenzprofessorin am Institut für Marketing-Management der Wirtschaftsuniversität Wien
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