Wertpapiergeschäft

Wertpapiere als Mengengeschäft: der neue Wettbewerb

Die Öffentlichkeitsarbeit der Finanzdienstleister vermittelt es fast täglich, der Auflagenzuwachs der bestehenden und die Ambitionen neu angekündigter Börsen- und Anlegermagazine sind ein mehr als deutliches Indiz dafür, und auch die Zahlen der Bundesbank belegen es eindeutig: Das Wertpapiergeschäft in Deutschland hat im letzten Jahrzehnt einen deutlichen Aufschwung genommen. Es mag zwar immer noch hinter seinem Stellenwert in anderen Ländern zurückliegen, ist aber auch hierzulande längst keine Angelegenheit weniger Privilegierter mehr. Die Zahl der Wertpapierdepots ist von 9, 509 Millionen Stück am Jahresende 1988 auf 20,586 Millionen am Jahresende 1998 gestiegen. Nimmt man die Entwicklung der Investmentdepots bei den deutschen Kapitalanlagegesellschaften im laufenden Jahr als Maßstab, dann ist eine weitere deutliche Steigerung zu erwarten.Daß Wertpapiere endlich ein Produkt für das Mengengeschäft geworden sind, verdeutlicht dieser Tage besonders gut eine breit angelegte Medienkampagne der Dresdner Bank (siehe dazu Seite 18). In ganzseitigen Anzeigen in den Printmedien, aber auch in Fernseh- und Hörfunkspots formuliert die Großbank eine pauschale Aufforderung an die Sparer, ihre liebgewonnenen Sparbücher doch bitte schön gegen Investmentanteile einzutauschen - am besten natürlich in solche bei der grünen Bank. \ Impulse für das Retail \ Sparkassen und Genossenschaftsbanken fühlen sich durch die Kampagne gewaltig attackiert und werfen der Dresdner Bank bewußte Irreführung der Verbraucher vor. Für die Frankfurter Sparkasse beispielsweise hat deren Vorstandssprecher noch einmal ausdrücklich auf den hohen Anteil der Sondersparformen an den Spareinlagen hingewiesen. In seinem Haus sind es demnach rund 75 Prozent der Spareinlagen in Höhe von 5,6 Milliarden DM, die mit durchschnittlich 4,7 Prozent verzinst werden. \ Für Beobachter der Branche ist die Initiative der Dresdner Bank leicht erklärlich. Das Institut erhofft sich mit diesem Produktbereich und darüber hinaus mit dem Wertpapiergeschäft allgemein einen Impuls zur Ankurbelung seines öffentlich als zu wenig erfolgsträchtig eingestuften Privatkundengeschäftes. Das Geschäft mit Investmentfonds zur Grundlage dieser Marktoffensive zu machen, ist naheliegend, denn kein zweiter Bereich des Mengengeschäfts mit Privatkunden hat in den letzten Jahren solch einen Aufschwung erlebt. Ein Blick in die jüngste Depotstatistik der Bundesbank verdeutlicht es. Seit Ende 1990 hat sich die Zahl der Wertpapierdepots bei inländischen Kapitalanlagegesellschaften von 2,206 auf 5,936 Millionen um gut 169 Prozent erhöht. Selbst wenn man gewisse Verlagerungen von den Bankengruppen auf ihre zugehörigen Investmentgesellschaften in Betracht zieht, bedeutet das die mit Abstand stärkste Wachstumsrate unter allen ausgewiesenen Gruppen. \ Investmentgesellschaften der Verbünde stark gewachsen \ Und die jüngsten Zahlen der fünf großen Investmentgesellschaften zeigen für das laufende Jahr einen anhaltenden Trend. So meldet die Deka in den ersten zehn Monaten einen Zuwachs von rund einer Million auf dann 2,8 Millionen Depots. Eine ähnliche Rate meldet auch die Union Investment, die ihren Bestand von 1,65 Millionen Depots zum Jahresende 1998 mittlerweile schon auf 2,61 Millionen aufgestockt hat. Weit weniger deutlich sind die Steigerungen bei den Investmentgesellschaften der Großbanken: Die DWS beziffert ihren aktuellen Depotbestand auf 1,2 Millionen (nach 1,0 Millionen zum Jahresende 1998), beim DIT sind es 1,1 (0,8) Millionen und bei der nun ganz zur Commerzbank gehörenden Adig derzeit 800000 Depots. Addiert man allein die aktuellen Depotzahlen der fünf großen Investmentgesellschaften auf, ergibt sich für das laufende Jahr schon ein Zuwachs der bei Kapitalanlagegesellschaften geführten Depots von deutlich über 40 Prozent. \ Starke Zuwächse verzeichneten die einzelnen Bankengruppen seit mehr als einem Jahrzehnt auch bei den Wertpapierdepots. Deren Zahl hat sich beispielsweise von 8,41 Millionen zum Jahresende 1986 bis zum Jahresende 1998 um eindrucksvolle 144,8 Prozent erhöht. Die deutsche Wiedervereinigung hat das künftige Potential an Wertpapierkunden Ende der achtziger Jahre noch einmal deutlich anwachsen lassen, was sich seit dem Jahresende 1990 auch in der um die neuen Bundesländer erweiterten Depotstatistik niederschlägt (Tabelle 1). So konnten die Regionalbanken und sonstigen Kreditbanken seither die Zahl ihrer verwalteten Wertpapierdepots weit mehr als verdoppeln (3,475 nach 1,529 Millionen). Die Großbanken weiteten ihren Depotbestand um 20,4 Prozent auf 3,684 Millionen aus, bei den Sparkassen betrug die Wachstumsrate 24,9 Prozent auf 3,395 Millionen und bei den Kreditgenossenschaften 24,4 Prozent auf 2,49 Millionen. Wenn der Abstand auch ein wenig geringer geworden ist, liegen die Großbanken der Anzahl der verwalteten Wertpapierdepots nach immer noch deutlich vor den Sparkassen und den Genossenschaftsbanken. \ In absoluten Zahlen ausgedrückt haben sich die Wertpapierdepots bei den Großbanken von 3,059 Millionen zum Jahresende 1990 auf 3,684 Millionen zum Jahresende 1998 erhöht. Die Steigerungsrate für den betrachteten Zeitraum liegt damit deutlich unter den 68,0 Prozent für die Kreditinstitute insgesamt. Ähnlich ist die Situation bei den Sparkassen und den Genossenschaftsbanken, die die Zahl ihrer Wertpapierdepots von 2,718 auf 3,395 Millionen beziehungsweise von 2,002 auf 2,490 Millionen Stück ebenfalls nur unterproportional steigern konnten. In der Sparkassenorganisation insgesamt erhellt sich das Bild insofern ein wenig, als die Girozentralen mit ihrem Wachstum der Depotzahlen von 73,9 Prozent über dem Durchschnittswert lagen. \ Kapitalanlagegesellschaften mit größtem Zuwachs \ In bezug auf den Anteil an der Gesamtzahl der Wertpapierdepots haben eindeutig die Kapitalanlagegesellschaften den größten Sprung nach vorne gemacht. Betrug ihr Anteil an der Gesamtzahl der Depots im Jahre 1990 noch 18,0 Prozent, ist er jetzt auf 28,8 Prozent angewachsen. Einen deutlichen Aufschwung haben auch die Regionalbanken und sonstigen Kreditbanken zu verzeichnen (16,9 nach 12,5 Prozent). In absoluten Zahlen ausgedrückt bedeutet das einen Anstieg von 1,529 auf 3,475 Millionen Depots im betrachteten Zeitraum. Das entspricht einer Wachstumsrate von 127,6 Prozent. Gemessen an der Gesamtzahl der Depots haben die Großbanken 17,9 nach 25,0 Prozent, die Sparkassen 16,5 nach 22,2 Prozent und die Genossenschaftsbanken 12,1 nach 16,3 Prozent Anteilverluste hinnehmen müssen, die sich insbesondere bei den Verbünden zum Teil aber mit der gezielten Verlagerung von Depots zu den gruppeneigenen Kapitalanlagegesellschaften erklären lassen. \ Erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang auch die Entwicklung der Wertpapierdepots bei der Deutschen Bundesbank und bei der Bundesschuldenverwaltung. Die aggregierten Zahlen - eine weitere Untergliederung liefert die Bundesbankstatistik nicht - zeigen zwischen Ende 1990 und 1998 einen Anstieg von 383000 auf 1,171 Millionen Depots. Das entspricht einem Anstieg von 205,7 Prozent. Die Bundesschuldenverwaltung ihrerseits beziffert in ihrem aktuellen Jahresbericht die Zahl ihrer Schuldbuchkonten zum Jahresende 1998 auf 1,140 Millionen. Gegenüber dem Wert von 300000 am Jahresende 1990 bedeutet das einen Anstieg von 280 Prozent. \ Vom Aktienboom der jüngsten Vergangenheit hat die Depotentwicklung der Bundesschuldenverwaltung wegen ihrer Beschränkung auf die Verwaltung von Bundespapieren allerdings nicht profitieren können. Im Gegenteil, die Phase des stürmischen Wachstums ihrer Depotkonten liegt vielmehr vornehmlich in der ersten Hälfte der neunziger Jahre. Seitdem Ende 1995 die Millionengrenze überschritten wurde, hat sich die Zahl der Konten mit 12,9 Prozent nur moderat erhöht. Gegenüber dem Jahresende 1997 (rund 1,17 Millionen Konten) hat es sogar einen leichten Rückgang gegeben. Der Zahl der Neukontoeröffnungen von über 90000 im Jahre 1998, so erläutert die Bundesschuldenverwaltung diese Entwicklung, ist durch die routinemäßige Löschung anderer Konten überkompensiert worden. \ Großbanken mit hohem Anteil an den Kurswerten \ Der Blick auf die Kurswerte des Depotvolumens relativiert das Bild der Strukturverschiebungen zwischen den einzelnen Bankengruppen (Tabelle 2). Hier haben insbesondere die Großbanken an Anteilen hinzu gewonnen. Von dem Kurswert von 6,565 Billionen DM liegen allein 3,023 Billionen oder 46,0 Prozent auf den Depots der Großbanken. Im Jahre 1990 war deren Anteil an dem gesamten Kurswert mit 43,63 Prozent noch ein wenig niedriger. Gegenüber 1990 hat sich der Kurswert auf den Großbankendepots damit um 285,6 Prozent erhöht. Eine positive Entwicklung haben auch die Kurswerte der Depots der Regionalbanken und sonstigen Kreditbanken genommen. Nach einer Steigerung um 212,7 Prozent auf 1445,007 Milliarden DM liegen sie zumindest der absoluten Zahl nach weit über den Werten der Sparkassen- und Genossenschaftsorganisation (siehe Abbildung). \ Der Steigerungsrate nach haben die Verbünde aber beim Kurswert gegenüber den Regionalbanken ein wenig aufgeholt. So verzeichnete die Sparkassenorganisation zwischen dem Jahresende 1990 und 1998 ein Wachstum von 248,544 auf 867,875 Milliarden DM oder 249,18 Prozent. Für die Genossenschaftsorganisation errechnet sich ein Anstieg um 232,1 Prozent von 106,834 auf 354,743 Milliarden DM. \ Laut Bundesbankstatistik entfielen zum Jahresende 1998 von der Gesamtzahl der ausgewiesenen Depots 20,089 Millionen Stück oder 97,6 Prozent auf inländische Privatpersonen. Gegenüber dem Jahresende 1997 hat sich diese Zahl der privaten Depots damit um 2,222 Millionen Stück oder 12,44 Prozent erhöht, gegenüber dem Jahresende 1990 um 8,127 Millionen Stück oder 67,94 Prozent. Die Bundesbank differenziert bei den inländischen Privatpersonen nach Wirtschaftlich Selbständigen (diese halten 1,142 Millionen Depots zum Jahresende 1998), nach Wirtschaftlich Unselbständigen (14,494 Millionen Depots) und Sonstigen Privatpersonen (4,263 Millionen Depots). \ Der Kurswert der Bestände auf den Depots inländischer Privatpersonen betrug zum Jahresende 1998 rund 1145,765 Milliarden DM. Davon entfielen 690,551 Milliarden DM auf die Depots der größten Gruppe, nämlich der Wirtschaftlich Unselbständigen, 252,950 Milliarden DM auf die Gruppe der Sonstigen Privatpersonen und 202,264 Milliarden DM - also ein vergleichsweise hoher Anteil - auf die Gruppe der Wirtschaftlich Selbständigen. Als durchschnittliches Depotvolumen ergibt sich damit bei den Wirtschaftlich Selbständigen ein Wert von rund 151850 DM und bei den Wirtschaftlich Unselbständigen ein Wert von gut 47640 DM. Der Wert der Investmentzertifikate der Fonds inländischer Kapitalanlagegesellschaften liegt zum Jahresende 1998 im Durchschnitt bei 33966 DM für die Wirtschaftlich Selbständigen und bei 13175 DM für die Wirtschaftlich Unselbständigen. Die Durchschnittsbestände an Aktien inländischer Emittenten (einschließlich Versicherungsaktien) zum Kurswert belaufen sich auf 92428 DM für Wirtschaftlich Selbständige und auf 24220 DM für Wirtschaftlich Unselbständige. \ Höhere Risikobereitschaft bei Selbständigen \ Aufschlußreich in bezug auf die Risikobereitschaft der Anleger ist auch der Blick auf die Zusammensetzung der Depots zum Jahresende 1998. Während bei den Selbständigen ein Anteil von 19,9 Prozent des gesamten Kurswertes auf Schuldverschreibungen inländischer Emittenten entfällt, sind es bei den Wirtschaftlich Unselbständigen 28,16 Prozent. Auf Aktien inländischer Emittenten einschließlich Versicherungsaktien entfallen hingegen 35,51 Prozent bei den Wirtschaftlich Selbständigen und 29,23 Prozent bei den Wirtschaftlich Unselbständigen. \ Der Anteil der Investmentzertifikate der Fonds inländischer Kapitalanlagegesellschaften an dem Kurswert ihrer Depots erreicht bei den Wirtschaftlich Selbständigen 21,14 Prozent und bei den Wirtschaftlich Unselbständigen 26,07 Prozent. Bei den ausländischen Emittenten schließlich faßt die Statistik den Kurswert von Investmentzertifikaten und Aktien zusammen. Ihr Anteil am Kurswert der Depots beträgt bei den Wirtschaftlich Selbständigen 18,9 Prozent und bei den Wirtschaftlich Unselbständigen 13,81 Prozent. Interessant ist an dieser Stelle auch der Bezug zum Volumen der Sparbriefe in den beiden Gruppen. Bei den Selbständigen erreichen sie rund 4,96 Prozent am Gesamtvolumen der Kurswerte auf ihren Depots, bei der Gruppe der wirtschaftlich Unselbständigen hingegen 17,1 Prozent. \ Auf Basis der Depotstatistik der deutschen Bundesbank hat das Deutsche Aktieninstitut (DAI) in seinem eben erschienenen Factbook 1999 die Struktur der Wertpapierdepots der privaten Haushalte im Zeitverlauf dargestellt. Danach haben sich die Depotbestände seit Ende 1990 von 468,962 Milliarden DM um 144,32 Prozent auf die besagten 1145,765 Milliarden DM erhöht. Am Kurswert gemessen haben dabei zum Jahresende 1998 die Anteile der Aktien einschließlich der Versicherungsaktien) inländischer Emittenten mit 30,43 Prozent erstmals in den neunziger Jahren den Anteil der auf DM oder auf Fremdwährung lautenden Schuldverschreibungen (26,31 Prozent) überflügelt. Zum Jahresende 1990 stand für die entsprechenden Schuldverschreibungen noch ein Anteil von 46,5 Prozent und für die Aktien ein Anteil von 26,42 zu Buche. Anteilsmäßig am stärksten zugelegt haben indes die Investmentzertifikate. Nach 11,54 Prozent zum Jahresende 1990 liegen sie nach kontinuierlichem Anstieg zum Ende des Jahres 1998 mit 25,18 Prozent nur noch knapp hinter dem Anteil der Schuldverschreibungen. \ Auch die Struktur des Aktienbesitzes in den Wertpapierdepots wurde vom DAI ermittelt. Demnach entfällt ein Anteil von 16,8 Prozent der Aktien inländischer Emittenten (einschließlich der Versicherungsaktien) auf Privatpersonen. Der absoluten Zahl nach sind das 348,769 Milliarden DM. Nach den Nichtfinanziellen Unternehmen mit 32,0 Prozent und den Ausländischen Deponenten mit 25,5 Prozent ist das der drittgrößte Anteilswert.

Dr. Berthold Morschhäuser , ehem. Chefredakteur , Fritz Knapp Verlag
Noch keine Bewertungen vorhanden


X