Attention Economy

Wenn auf einem Markt das Angebot größer ist als die Nachfrage, müssen sich die Anbieter etwas einfallen lassen, um ihr Produkt, ihre Dienstleistung an den Mann oder die Frau zu bringen. Wenn bei Informationen das Angebot größer ist als die Aufnahmebereitschaft und/oder die Aufnahmekapazität von Mann, Frau, Kind, kommt die Information - auch die beste - nicht an.

Dieses Faktum war auch in Zeiten bekannt, in denen es für den Markt an Informationen primär Bücher, Zeitungen, Rundfunk und Fernsehen gab, es ist aber erst durch die Fülle an Informationen aus neuen Kanälen elementar für jene geworden, die ihre Informationen auf dem Markt - dem Aufmerksamkeitsmarkt - anbringen wollen. Dies betrifft viele Informationsanbieter, vor allem aber jene Unternehmungen, die ihre Produkte und/oder Dienstleistungen bekanntmachen und verkaufen wollen.

Aufmerksamkeit zu erreichen wird schwieriger

Der Erste, der 1971 die Aufnahmeknappheit von Informationen formulierte, war der US-Nobelpreisträger Herbert A. Simon: "In an informationrich world, the wealth of information means a dearth of something else: a scarcity of whatever it is that information consumes. What information consumes is rather obvious: it consumes the attention of its recipients. Hence a wealth of information creates a poverty of attention and a need to allocate that attention efficiently among the overabundance of information sources that might consume it."*) Erst ab 2001 - als sich das Informationsangebot weiter erhöht hatte - fand der Ausdruck "Attention Economy" durch Thomas A. Davenport und John C. Beck Eingang in die Managementliteratur und die wirtschaftliche Praxis.

Vor dieser Zeit war die Bedeutung der "Attention" im wirtschaftlichen Umfeld auf die Anwendung der AIDA-Formel bei Verkaufsgesprächen und der Werbewirkung fokussiert: Zuerst muss "Attention" erreicht werden, bevor "Interest" und "Desire" geweckt und es schließlich mit "Action" zum Kauf kommt. In einer Zeit der immer größer werdenden Informationsüberflutung geht es immer stärker darum, die Aufmerksamkeit der aktuellen und insbesondere potenziellen Kunden eines Unternehmens überhaupt zu erreichen.

Dazu kommt, dass auch all jene, die sich um die "Attention" Dritter bemühen, Menschen sind, weshalb auch bei ihnen die Aufnahmefähigkeit der Ressource Aufmerksamkeit gefährdet ist. Das bedeutet für sie, wichtige Informationen nicht mitzubekommen, sie zu übersehen oder zu überhören und - so sie denn wahrgenommen werden - ihnen nicht die Aufmerksamkeit zu widmen, die für eine anstehende Entscheidung notwendig wäre. Diesen Personen sollte die Gefahr einer "Attention Deficit Disorder" bewusst sein und sie sollten ihre Aufmerksamkeit schärfen und ihre Fokussierung auf Wichtiges konzentrieren.

Aufnahme von Informationen erfolgt immer schneller

Die Empfehlungen von Davenport/Beck waren strikte Kundenorientierung, innovative Marketingmethoden und neue Medien, was von der Unternehmenspraxis zunehmend realisiert wurde. Begleitet wurde dies durch eine strikt auf die aktuellen und potenziellen Kunden gerichtete Kommunikation. Das betraf insbesondere die Gestaltung der Streupläne für die Werbung in einer damals mehr oder weniger auf die "klassischen" Medien konzentrierten Kommunikationswelt.

Durch das Web, die Smartphones sowie Social Media und deren rasches und bis heute ungebrochenes Wachstum in den letzten zwei Jahrzehnten haben sich das Informationsangebot und die Informationsnachfrage nicht nur der jüngeren Jahrgänge massiv verändert und vergrößert. Eine der Veränderungen ist, dass die Aufnahme von Informationen immer schneller erfolgt und sie immer kürzer wirksam bleiben, da laufend neue Informationen auf dem "Attention Marketplace" erscheinen.

Auf dem Attention Marketplace entscheidet sich der Erfolg

Mit dem Aufkommen neuer Kommunikationstechnologien hat sich aber nicht nur der Medienkonsum der Bevölkerung maßgeblich verändert, sondern auch die Rolle der Konsumenten. Denn die Konsumenten sind in der digitalen Interaktion nicht mehr nur Empfänger von Botschaften, sondern auch zu Produzenten von Inhalten geworden (zum Beispiel über Blogs, Pod- und Videocasts, Facebook, Youtube).

Auf dem "Attention Marketplace" treffen die "Attention Services", das sind alle Arten von Informationen inklusive der Kommunikationsmaßnahmen der Wirtschaft, auf die "Consumer Attention".

Auf diesem Marktplatz entscheidet es sich, ob die Information so gestaltet ist, dass sie vom Verbraucher aufgenommen wird und ob sie "stark" genug ist, um behalten zu werden und ein Grund oder zumindest hilfreich für den Kauf eines Produkts beziehungsweise einer Dienstleistung ist. Angesichts dieses veränderten Informa tionsverhaltens gilt es der "Attention" eine verstärkte Beachtung zu schenken und Maßnahmen zu überlegen und zu realisieren, mit denen unter den veränderten neuen Rahmenbedingungen der Kommunikation "Attention" bei aktuellen und potenziellen Kunden für das eigene Unternehmen beziehungsweise die eigenen Produkte und/oder die angebotenen Dienstleistungen erreicht werden kann.

Das bedeutet, in Bezug auf die "klassischen" Medien noch kundenspezifischer zu agieren und in den "neuen" Medien die Marketingmaßnahmen so zu disponieren, dass es zum Oneto-One-Marketing kommt.

Für das Erreichen der kommunikationspolitischen Ziele sind genaue Daten über die aktuellen und potenziellen Kunden erforderlich. Mit Hilfe dieser Daten können exakte Kundenprofile erstellt werden, die eine individuelle Ansprache gewährleisten und ein auf die jeweiligen persönlichen Bedürfnisse zugeschnittenes Angebot ermöglichen sollen.

In Communities ist die Aufmerksamkeit am höchsten

Es gilt für alle Unternehmen, sich den Herausforderungen und Spielregeln dieser neuen "Attention Economy" zu stellen und sich auf die gestiegene und weiter steigende Bedeutung der "Attention" einzustellen. Die Ökonomie der Aufmerksamkeit zwingt Unternehmen, neue Wege zu gehen, um die Aufmerksamkeit ihrer Zielgruppen zu erreichen. Ihre Informationen müssen entsprechend gestaltet und in einer optimalen Art und Weise an die aktuellen und potenziellen Kunden hergetragen werden.

Eine aktive Aufmerksamkeit wird am ehesten dort erreicht, wo Nutzer sich selbst einbringen, eigene Communities schaffen und die Kommunikation aktiv mitgestalten. Dies gilt in besonderem Ausmaß auch für Banken, deren Geschäftskontakte schon jetzt zu einem immer größer werdenden Teil virtuell sind. Unternehmen, die auf diesen Trend nicht eingehen, werden zunehmend an Attraktivität verlieren.

*) Herbert A. Simon, "Designing Organizations for an Information-Rich World", in: Martin Greenberger (Ed.), "Computers, Communication, and the Public Interest", The Johns Hopkins University Press, Baltimore 1971

Dr. Ewald Judt ist Honorarprofessor an der Wirtschaftsuniversität Wien; ewald.judt[at]wu.ac[dot]at; Dr. Claudia Klausegger ist Assistenzprofessorin am Institut für Marketing-Management der Wirtschaftsuniversität Wien; claudia.klausegger[at]wu.ac[dot]at.

Dr. Ewald Judt , Honorarprofessor , Wirtschaftsuniversität Wien
Dr. Claudia Klausegger , Assistenzprofessorin am Institut für Marketing-Management der Wirtschaftsuniversität Wien
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