Customer Equity

Im Zuge der wachsenden Bedeutung des wertorientierten Kundenmanagements in der Finanzdienstleistungsbranche rückt die Bewertung von Kundenbeziehungen immer stärker in den Fokus unternehmerischer Entscheidungen und Strategien. Aus dem verstärkten Streben nach Wertorientierung im Marketing resultiert die Notwendigkeit, alle Marketingmaßnahmen so auszurichten, dass Gewinn und Nachhaltigkeit der Kundenbeziehungen optimiert werden. Die im Rahmen der Kundenorientierung anfallenden Investitionen müssen kritisch im Hinblick auf ihre kurz- und langfristige Erfolgswirkung analysiert werden.

Dem Begriff Kundenwert wird jedoch in Theorie und Praxis ein unterschiedliches, mitunter irreführendes Verständnis, entgegengebracht. Es lassen sich zwei Sichtweisen unterscheiden: die Bewertung des Kunden (Nettonutzens einer Geschäftsbeziehung) aus Anbietersicht oder der Kundenwert aus Nachfragersicht im Sinne des Nettonutzens, den ein Kunde einer Geschäftsbeziehung beimisst.

Der nachfragerspezifische Kundenwert, wird auch als Perceived Value1 oder Value for the Customer(s) bezeichnet. Der Kundenwert orientiert sich dabei an der Perspektive des Kunden in Bezug auf Kauf oder Konsum einer Leistung. Wird der Wert im Sinne des wahrgenommenen Kundennutzens monetär bewertet, so drückt das Ergebnis die maximale Zahlungsbereitschaft des Kunden für die jeweilige Leistung aus.

Der vorliegende Beitrag konzentriert sich auf den vom Anbieter wahrgenommenen Beitrag eines Kunden beziehungsweise seines gesamten Kundenstamms zur Erreichung seiner Ziele, Customer Equity genannt. Dabei werden nicht nur die ökonomischen Größen, zum Beispiel aggregierte Umsätze erfasst, sondern alle Wertbeiträge, die ein Kunde in seinen verschiedenen Rollen erfüllt, zum Beispiel als Referenz- oder Informationspotenzial. Die Wertbeiträge dürfen aber nicht isoliert betrachtet werden, sondern müssen mit den Aufwendungen die damit im Zusammenhang stehen, in Relation gesetzt werden.

Anbieterseitige Kundenwertmodelle können auch dahingehend unterschieden werden, ob nur realisierte oder auch Erwartungsgrößen in die Berechnung einfließen. Modelle, die Kundenbeiträge über die gesamte Dauer einer Kundenbeziehung errechnen (Kundenkapitalrechnung, welche die Summe aller diskontierten Lebenszeitwerte umfasst) berechnen den sogenannten Customer Lifetime Value.

Wertorientiertes Kundenmanagement

In strategischer Hinsicht beinhaltet das wertorientierte Kundenmanagement die Erarbeitung eines Konzepts für die Auswahl und Bearbeitung bestimmter Kundenbeziehungen. Hierbei ist zwischen Kundenselektion und Kundenbearbeitung zu unterscheiden. Die Kundenselektion basiert auf einer wertorientierten Kundenanalyse und umfasst das Akquirieren der richtigen beziehungsweise die Aussonderung unattraktiver Kunden. Im Rahmen des darauf aufbauenden Konzepts der Kundenbearbeitung werden Ziele und Maßnahmen für die Bearbeitung der Kundenbeziehungen festgelegt.

Die Kosten der Kundenbearbeitung und -pflege müssen mit Blick auf den Erfolgsbeitrag/die Profitabilität von Kunden abgewogen werden. Es geht im Kundencontrolling nicht um Kundenorientierung um jeden Preis, maximale Kundenzufriedenheit und das Halten aller Kunden, sondern darum, die richtigen Kunden zu finden und zu binden. Wertorientiertes Management bedeutet dabei, dass Marketinginvestitionen sich nur dann lohnen, wenn sie sich langfristig als rentabel erweisen. Das Konzept des Kundenwertes, im Besonderen das des Customer Equity und der Customer Lifetime Value, sind geeignete Konzepte im Rahmen des Kundencontrolling. Im Zuge der abschließenden Kontrolle wird im Rahmen eines Soll-Ist Vergleichs die Effektivität der Potenzialausschöpfung geprüft.

Zur Berechnung des anbieterbezogenen Kundenwerts können verschiedene Methoden eingesetzt werden. Die häufigsten Verfahren der Kundenanalyse sind ABC-Rangreihungen, Kundenportfolios und Scoring Modelle.

- Eine in der Unternehmenspraxis sehr weitverbreitete Methode zur Analyse des Kundenstamms ist die ABC-Analyse. Dabei werden Kunden anhand ihrer Attraktivität (zumeist Umsatz oder Deckungsbeitrag) hinsichtlich ihres anteiligen Erfolgsbeitrages in eine ABC-Klassifikation eingeteilt.

- Ähnlich wie bei der ABC-Analyse werden beim Kundenportfolio-Ansatz Kunden oder Kundensegmente anhand von zwei Achsen visualisiert. Häufig werden als Dimensionen die Kundenattraktivität und die eigene relative Wettbewerbsposition verwendet.

- Als weitere Methoden findet man Scoringmodelle, im Rahmen derer Kunden anhand einer Reihe von Kriterien (wie monetärer Kundenwert, Referenzwert, informatorischer Kundenwert) analysiert werden. Anhand einer Gewichtung der einzelnen Merkmale, wird basierend auf der Summe ("Score) eine Rangreihung vorgenommen. Scoringmodelle beziehen bei ihrer Kundenbewertung meist die Sichtweise der Kundenbetreuer ein.

Herausforderung Datengewinnung

Bei der Entwicklung und Durchführung von Kundenanalysen stellt die Datengewinnung eine große Herausforderung dar. Es muss unter Einhaltung der Datenschutzvorschriften gezielt nach den notwendigen Informationen gesucht werden. Eine rein vergangenheitsbezogene Betrachtung von Zahlen aus dem internen Rechnungswesen, wie zum Beispiel Umsätze, Bestelleingänge, Deckungsbeiträge reicht dabei nicht aus, sondern es müssen auch die zukünftigen Zahlungsströme erfasst werden, um mittels Kundenpotenzialanalyse die Zukunftschancen der einzelnen Kunden zu bewerten. Trotz der Bedeutung der Analysephase reicht es nicht, bei der Analyse des Wertes von Kundenbeziehungen stehen zu bleiben, sondern es müssen daraus konkrete Handlungsempfehlungen abgeleitet und umgesetzt werden.

Vor allem in der Finanzdienstleistungsbranche wird das wertorientierte Kundenmanagement häufig zur Analyse der Gründe für "Value-Gaps" eingesetzt. Die am häufigsten beobachten Gründe sind Fehler in der Kundenakquisition, Kundenbindung, Kundenwertgenerierung, keine Lost-Customer-Analysen, keine speziellen Kundenrückgewinnungskonzepte beziehungsweise das Verpassen von Up-Selling- und Cross-Selling-Gelegenheiten. Wird strategisches und operatives Kundenwertcontrolling zielgerichtet ein- und umgesetzt, kann es zu einem zentralen Wettbewerbsvorteil ausgebaut werden.

1) Siehe Bankmanagement-Glossar "Perceived Value" in "bank und markt" 9/2012

Dr. Ewald Judt ist Honorarprofessor an der Wirtschaftsuniversität Wien; ewald.judt[at]wu.ac[dot]at; Dr. Claudia Klausegger ist Assistenzprofessorin am Institut für Marketing-Management der Wirtschaftsuniversität Wien; claudia.klausegger[at]wu.ac[dot]at.

Dr. Ewald Judt , Honorarprofessor , Wirtschaftsuniversität Wien
Dr. Claudia Klausegger , Assistenzprofessorin am Institut für Marketing-Management der Wirtschaftsuniversität Wien
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