Customer Touchpoint Management

Dr. Ewald Judt, Honorarprofessor an der Wirtschaftsuniversität Wien

Quelle: Wirtschaftsuniversität Wien

Marketingverantwortliche stehen vor der großen Herausforderung, eine Vielzahl unterschiedlicher Kommunikationskanäle zielgruppengerecht und effizient zu "orchestrieren", da Kunden entlang ihrer "Customer Journey" unterschiedlichste Touchpoints nutzen.

Kundenkontaktpunkte, die sogenannten Customer Touchpoints, entstehen überall dort, wo ein Kunde mit einem Unternehmen beziehungsweise dessen Marke/n und/oder dessen Produkten beziehungsweise Dienstleistungen in Berührung kommt. Unter Touchpoints versteht man alle Berührungspunkte, die Eindrücke beim Kunden hinterlassen. Derartige Kundenerlebnisse ("Customer Experience") werden sowohl von den Mitarbeitern als auch vom Produkt beziehungsweise der Dienstleistung selbst sowie den diversen Kommunikationsmaßnahmen (online und offline) ausgelöst.

Das digitale Zeitalter hat die Zahl der Touchpoints potenziert

Zeitlich werden die Customer Touchpoints entlang der Beziehung zum Kunden in drei Phasen unterteilt, in die Phase vor der Kauftransaktion (Customer Information Points - CIP), während des Kaufs (Customer Points of Sale - CPOS) und danach (Customer Service Points - CSP). Auf die Touchpoints dieser drei Gruppen haben Unternehmen direkten Einfluss. Hinzu kommen noch die sogenannten "Customer to Customer Reference Points" (CCRP), welche Mundpropaganda unter den Kunden selbst darstellen.

Touchpoints können aber nicht nur zeitlich (entlang der Kaufphasen), sondern auch entsprechend ihren Interaktionsmöglichkeiten in ein- und zweiseitige Kundenberührungspunkte unterschieden werden. Das digitale Zeitalter hat die Anzahl der Touchpoints, der Berührungspunkte der Kunden mit den Finanzdienstleistungsunternehmen, potenziert.

So verfügen Banken heute oft über mehr als 150 Kontaktpunkte, die sich auf die unterschiedlichen On- und Offline-Kanäle (unter anderem Kundenberater, Plakate, Broschüren in der Filiale, Anzeigen, TV-Spots, Plakate in den klassischen Medien, Call-/Servicecenter, Videochats, Online-Banking, Suchmaschinenoptimierung (Search Engine Optimization, kurz SEO), Suchmaschinenmarketing (Search Engine Marketing, kurz SEM), Blogs, Foren, HR-Aktivitäten auf Social Media oder Geldautomaten) verteilen. Insbesondere die junge Generation erwartet eine Vielzahl digitaler Touchpoints und technologieunterstützter Lösungen.

Die Vielzahl an Touchpoints, die sich heute ergeben, muss gemanagt werden. Unternehmen müssen wissen,

- welche Kontaktpunkte von ihren Kunden genutzt werden,

- was an den Kontaktpunkten passiert und

- welche Wünsche und Anforderungen ihre Kunden an die Kontaktpunkte stellen.

Berührungspunkte managen

Unter Customer Touchpoint Management, dem Kundenkontaktpunkt-Management, wird die Koordination aller Maßnahmen verstanden, um dem Kunden an jedem Kontaktpunkt eine einheitliche, verlässliche und vertrauenswürdige Erfahrung zu bieten. Customer Touchpoint Management begleitet den Kunden gezielt und bewusst auf seiner "Reise", um loyale und langfristige Kundenbeziehungen aufzubauen.

Vierstufiger Prozess

Der Prozess des Kundenkontaktpunkt-Managements kann in folgende vier Schritte unterteilt werden:

1. Touchpoint-Analyse ((Identifizieren und Kategorisieren der Touchpoints, unter anderem online oder offline, indirekt oder direkt; Bewertung der Touchpoints im Hinblick auf Stärken und Schwächen; Relevanz der einzelnen Touchpoints),

2. Touchpoint-Ziele,

3. Touchpoint-Gestaltung (Planung und Umsetzung von Verbesserungen) und

4. Touchpoint-Kontrolle (Zielerreichung und Prozessoptimierung).

Im Rahmen der Touchpoint-Analyse geht es zunächst um das Erfassen der relevanten Kontaktpunkte sowie das Verstehen und Dokumentieren der zentralen Prozesse. Welche Kunden treten an welchen Stellen, zu welchen Anlässen, wie häufig mit welchen Mitarbeitern in Kontakt? Was erlebt der Kunde dort? Wie sehen die Abläufe an den einzelnen Punkten aus? Wie gut leben die Mitarbeiter das, was Marke und Bank versprechen?

Im zweiten Schritt geht es um das Definieren der relevanten Ziele und der angestrebten optimalen zukünftigen Situation. Soll die Zahl der Kontaktpunkte vergrößert oder verkleinert werden? Welche Produkt- und Servicequalität soll welchen Kunden an welchen Kontaktpunkten zukünftig geboten werden?

In der dritten Phase geht es um die Planung und Umsetzung eines passenden Maßnahmenmix. Welche Touchpoints müssen auf welche Weise optimiert werden? Welche Touchpoints müssen neu lanciert, welche müssen gestrichen werden? Welche internen Ressourcen, wie viel Budget und welche Zeitlinien müssen geschaffen werden? Für eine erfolgreiche Umsetzung der Maßnahmen muss mit den kundennahen Mitarbeitern das gewünschte Verhalten an den einzelnen Touchpoints regelmäßig besprochen und trainiert werden.

In der letzten Phase geht es um das Messen (Tracking) der Kundenkontakt-Performance zwecks weiterer Optimierung der Prozesse und Einleiten der notwendigen Prozessverbesserungen.

Online-Berührungsunkte speziell beachten

Empirische Untersuchungen zeigen eine deutliche Zunahme der Berührungspunkte durch die stetige Steigerung der Internetnutzung. Die neu entstehenden Online-Touchpoints sind speziell zu beachten. Hier gilt es die verfügbaren Webanalyse-Tools zu nutzen, um diese Kontaktpunkte entlang der Customer Journey zu überwachen, zu steuern und zu optimieren.

Smartphones, Online Communities (Social Media) und Apps verändern die Rolle der Konsumenten, da sich diese selbst aktiv in die Werbeprozesse der Unternehmen einbringen können. Diese Entwicklungen sowie neue Preisvergleichsmöglichkeiten und Bewertungsportale verändern die Macht der Kunden.

Als Folge dieser Entwicklungen ist ein Paradigmenwechsel von der Unternehmenssicht hin zur Kundensicht zu beobachten.

Paradigmenwechsel von der Unternehmenssicht zur Kundensicht

Unternehmen versuchen immer mehr, den Kunden über alle Prozesse und Touchpoints zu fokussieren, um die Kundenbedürfnisse an allen Berührungspunkten mit dem Unternehmen bestmöglich zu befriedigen.

Durch eine integrierte Kommunikation wird versucht, eine einheitliche Sicht des Kunden in Bezug auf das Unternehmen und Leistungsangebot zu erzielen. Für ein einheitliches Gesamtbild ("One-face-to-thecustomer") ist es von Bedeutung, die einzelnen Kanäle aufeinander abzustimmen und auf eine einheitliche Gestaltung aller Kontaktpunkte zu achten.

Kulturwandel in Finanzunternehmen ist die größte Herausforderung

Man braucht kein großer Detektiv zu sein, um in Unternehmen, auch in Banken kundenunfreundliche Prozesse, Strukturen und Verhaltensweisen aufzuspüren. Das Customer Touchpoint Management sollte diesen entgegenwirken. Die wichtigste Herausforderung für ein erfolgreiches Customer Touchpoint Management ist ein Kulturwandel in den Finanzunternehmen.

Derzeit denken und agieren Unternehmen teilweise noch zu stark in Kanälen und Abteilungen. Es muss den Banken gelingen, durch eine Priorisierung der erfolgswirksamsten Schlüssel-Touchpoints die richtigen Kontaktpunkte zu fokussieren und diese in geeignete Back-Office-Prozesse und -Systeme zu übertragen, um ein einheitliches Gesamtbild mit einem durchgängigen Markenversprechen aufzubauen.

Dr. Ewald Judt ist Honorarprofessor an der Wirtschaftsuniversität Wien; ewald.judt[at]wu.ac[dot]at; Dr. Claudia Klausegger ist Assistenzprofessorin am Institut für Marketing-Management der Wirtschaftsuniversität Wien; claudia.klausegger[at]wu.ac[dot]at.

Dr. Claudia Klausegger , Assistenzprofessorin am Institut für Marketing-Management der Wirtschaftsuniversität Wien
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