Design Thinking

Da sich Märkte schnell drehen, haben Unternehmen ständigen Druck, Neues zu erfinden und Lösungen zu verbessern, wenn sie Veränderungen aktiv mitgestalten wollen. Die entwickelten innovativen Produkte und Dienstleistungen sollen kreativ, nutzerfreundlich und erfolgreich sein. Doch nicht immer sind Neuentwicklungen von Unternehmen erfolgreich. Immer wieder kommen Produkte und Dienstleistungen auf den Markt, die von den Nutzern kaum oder gar nicht benötigt werden. Auch wenn die Gründe misslungener Marktdurchdringung individuell bewertet werden müssen, liegt oft das Problem zugrunde, dass der Kunde bei der Produktentwicklung keine oder nur eine zu geringe Rolle spielte.

Kundenorientierter und interdisziplinärer Ansatz

Gute Ideen und erfolgreiche Erfindungen sind kein Zufall. Eine kreative Methode, die Kundenbedürfnisse in den Mittelpunkt der Entwicklungsarbeit stellt, ist Design Thinking. Design Thinking als innovativer Ansatz und Management-Paradigma setzt auf interdisziplinäre Teams, Visualisierung und klar umrissene Schritte zur Ideenfindung.

Eine einheitliche Definition für den Begriff gibt es nicht. Design Thinking ist eine neuartige Denkweise und beschreibt einen Prozess verbunden mit einem Angebot an Methoden zur Schaffung von Produkten (Product Design Thinking) sowie einzigartigen Kundenerlebnissen und marktgerechten Dienstleistungen (Service Design Thinking). Der Ansatz ist stets kundenzentriert und der Weg interdisziplinär. Design Thinking als Arbeits- und Innovationsansatz schafft es, den Menschen mit seinen spezifischen Bedürfnissen konsequent in den Mittelpunkt zu stellen und mit Hilfe einer strukturierten Vorgangsweise marktgerechte Ideen zu generieren. Die entwickelten Innovationen befinden sich an der Schnittstelle zwischen Mensch, Technologie und Wirtschaft.

Das Konzept hilft Unternehmen, eingetretene Pfade zu verlassen und Raum für Neues zu schaffen. Design Thinking basiert auf der Grundannahme, dass Herausforderungen leichter gelöst werden,

- wenn Menschen aus unterschiedlichen Fachgebieten und mit unterschiedlichen Erfahrungen zusammenarbeiten, und dass Dienstleistungen besser werden,

- wenn man im Planungs- beziehungsweise Entwurfsprozess von Beginn an den Kunden mitdenkt,

- dass Projekte, in denen Umwege erlaubt sind, oft bessere Ergebnisse bringen als solche, die zwingend geradlinig verlaufen müssen

- und dass die gemeinsame Arbeit an der Entwicklung von Lösungen Spaß machen darf.

"Design Challenge" am Anfang

Am Beginn jedes Projektes steht das Finden der richtigen Frage, die sogenannte Design Challenge, welche die Grundlage für den weiteren Prozessablauf bildet, gut durchdacht sein soll und eine exakte Beschreibung der Aufgabenstellung beinhaltet. Der Arbeitsauftrag muss von allen Teilnehmern verstanden werden und die Planungsparameter, wie zum Beispiel Abgabetermine, Meilensteine, Recherche-Aktivitäten, Kapazitäten der Teammitglieder, Maßstäbe zur Erfolgsmessung sowie eine Zielgruppendefinition müssen festgelegt werden.

Phase eins: Customer Journey Map erarbeiten

Ein Design-Thinking-Prozess besteht aus zwei Phasen. In der ersten Phase werden die Probleme und Bedürfnisse der jeweiligen Zielgruppe analysiert. In dieser Beobachtungsphase wird die Frage diskutiert, warum die vorhandenen Lösungen nicht ausreichen beziehungsweise weshalb es bislang keine adäquaten Lösungsmöglichkeiten gibt - das Problem muss verstanden werden. Die Ergebnisse dieser Phase schärfen den Blick auf das Problem.

Wichtig ist dabei eine exakte Definition der Zielgruppe, um die potenziellen Nutzer mit ihren Einstellungen und in ihrer Grundhaltung zu verstehen. Die Erarbeitung einer Customer Journey Map bietet dabei eine gute Möglichkeit, um den richtigen Blickwinkel auf das Problem zu finden. Die Customer Journey Map visualisiert die wichtigsten Kontaktpunkte (Touchpoints) zwischen Kunden und Dienstleister. Ergebnis dieser Phase ist die Formulierung eines präzisen Point of View.

Phase zwei: Neue Ideen entwickeln

Anschließend werden in einer zweiten Phase basierend auf den gewonnenen Erkenntnissen durch den Einsatz von Kreativitätstechniken neue Ideen generiert. Die gefundenen Ideen werden in Cluster eingeteilt und in einem Ideen-Speicher abgelegt.

Anschließend wird die favorisierte Idee von den Teilnehmern (Design-Thinker, die mit den Händen denken) in einem einfachen Prototyp (bauen und basteln mittels Papier, Lego, Playmobil, Knet-Material, Film oder Foto, Zeichnungen) dargestellt. Dabei sollen Prototypen entstehen, die konkret und visuell anfassbar sind und schnell verstanden, weiterentwickelt oder verworfen werden können. Dienstleistungen, zum Beispiel Serviceanagebote, die sich nicht modellhaft abbilden lassen, können als Rollenspiel dargestellt werden.

Ein iterativer Prozess

Die Methode des Design Thinking ist ein iterativer Prozess und basiert auf dem Prinzip des Lernens, wonach bereits abgeschlossenen Prozessschritte aufgrund wichtiger Erkenntnisse erneut bearbeitet und die sich daran anschließenden Arbeitsschritte nochmals durchlaufen werden müssen. Im Extremfall kann es für die Teilnehmer auch bedeuten, sich wiederholt mit der Ausgangsfrage auseinanderzusetzen. Denn ein grundlegend neues Verständnis kann unter Umständen wertvoller sein als ein wenig beeindruckender Prototyp einer wenig beeindruckenden Lösungsidee.

Die Umsetzung des Design-Thinking-Ansatzes setzt eine Veränderungsbereitschaft der Teilnehmer voraus. Design Thinking macht es möglich, aus komplexen Sachverhalten kreative und erfolgreiche Problemlösungen zu generieren und Dinge zu erschaffen, die gerne von den Nutzern in Anspruch genommen werden.

Die fünf Grundprinzipien von Design Thinking sind: nutzerzentriert (customercentric), integrativ (co-creative), genauer Ablauf (sequencing), nachvollziehbar (evidencing) und ganzheitlich (holistic).

Strukturierte Arbeitsprozesse

Die Kernelemente des Konzeptes sind ein sogenanntes Design-Thinking-Labor mit einem variablen Raumkonzept (zum Beispiel mobile Trennwände, Pinnwände, Schreibtafeln, Stehtische). Es soll das Arbeiten im Team und nicht die Leistung des Einzelnen fördern.

Ein zweites Kernelement sind strukturierte Arbeitsprozesse. Die Anzahl der Prozessschritte von der Problemanalyse zur Lösungsfindung kann unterschiedlich sein, umfasst aber immer folgende typische Phasen: Beobachten, Standpunkt definieren, Ideen finden, Produkte/Services entwickeln, testen. Die Phasen sind iterativ miteinander verbunden und in ihrer Reihenfolge unbedingt einzuhalten. Erfolgsfaktoren sind eine Design-Thinking-Kultur und ein entsprechend ausgebildeter (externer) Moderator.

Auch für kleine Banken geeignet

Immer mehr Finanzdienstleister erkennen das Potenzial von Design Thinking, wenn es um die Entwicklung neuer Bank- und Versicherungslösungen zum Beispiel die Generierung geeigneter digitaler Services von morgen geht. Das Konzept eignet sich unabhängig vom Unternehmenstyp gleichermaßen für kleinere Institute, mittlere Finanzdienstleister, aber auch für große Konzerne.

Hierarchien haben im Design-Thinking-Prozess keine Bedeutung, weil es mit den Worten von Larry Leifer, Professor der Stanford University ausgedrückt, dabei nur um eines geht: "Letting it happen".

Dr. Ewald Judt ist Honorarprofessor an der Wirtschaftsuniversität Wien; ewald.judt[at]wu.ac[dot]at; Dr. Claudia Klausegger ist Assistenzprofessorin am Institut für Marketing-Management der Wirtschaftsuniversität Wien; claudia.klausegger[at]wu.ac[dot]at.

Dr. Ewald Judt , Honorarprofessor , Wirtschaftsuniversität Wien
Dr. Claudia Klausegger , Assistenzprofessorin am Institut für Marketing-Management der Wirtschaftsuniversität Wien
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