Eye Tracking

Eye Tracking (Blickerfassung) ist eine bewährte wissenschaftliche Methode zur Erhebung von Aufmerksamkeitsschwerpunkten mittels Messung der Blickbewegungen. Der Mensch nimmt etwa zehn Millionen bit/s über seine Augen auf. Dies entspricht etwa 80 Prozent der von allen Sinnesorganen aufgenommenen Daten. Aufgrund der großen Bedeutung des Auges für die Informationsaufnahme ist es interessant, die Augenbewegung von Probanden mittels geeigneter apparativer Verfahren genauer zu untersuchen.

Fixationen und Sakkaden

Die heute eingesetzten Eye-Tracking-Geräte registrieren die Augenbewegungen in Echtzeit, nicht-invasiv, wodurch verhältnismäßig störungsarme Untersuchungssituationen ermöglicht werden. Dabei werden die Augenbewegungen bestehend aus Fixationen (Verweilen der Augen) sowie Sakkaden (Sprünge zwischen Fixationen) registriert.

- Fokussiert das Auge ein Objekt, bewegt es sich fast nicht mehr. Diese Augenbewegung wird als Fixation bezeichnet und dauert 250 bis 300 ms. Während dieser Zeit werden die Informationen von der Retina über die Fovea an das Gehirn geschickt.

- Sakkaden dauern 150 bis 250 ms und werden ausgeführt, wenn der Mensch versucht, ein Objekt in das Sichtfeld zu bekommen beziehungsweise wenn der Fokus auf ein neues Objekt gerichtet wird. Während eine Sakkade ausgeführt wird, werden keine Informationen an das Gehirn weitergeleitet, das heißt das visuelle Wahrnehmungsvermögen ist eingeschränkt.

Aus den ermittelten Blickbewegungen lassen sich Muster, Reihenfolgen, Vorlieben, Auffälligkeiten der visuellen Wahrnehmung ableiten, die interessante Einsichten in kognitive Verarbeitungsweisen ermöglichen. Die Augenbewegung wird von biologischen Faktoren wie Müdigkeit, Alter und individuellen Faktoren wie Gewohnheiten, Fähigkeiten, Intention der Beobachtung und dem Interesse am beobachteten Gegenstand beeinflusst.

Gleichzeitig hat aber auch die Qualität des visuellen Gegenstandes Auswirkungen auf die Augenbewegungen, zum Beispiel die Komplexität einer grafischen Darstellung oder der Schwierigkeitsgrad eines Textes. Die Wechselwirkungen zwischen Objekt und Betrachter machen die Blickbewegungsforschung und damit die Methode des Eye Tracking aus wissenschaftlicher und ökonomischer Perspektive sehr interessant.

- "Heat Maps" der Blickbewegungen

Mittels Eye Tracking werden Blickbewegungen der Testpersonen aufgezeichnet und anschließend von Experten analysiert. Ziel des Eye Tracking ist es unter anderem, zu messen, in welcher Reihenfolge beziehungsweise wie lange gewisse Punkte betrachtet werden, wohin die größte Aufmerksamkeit der Benutzer gelenkt wird und wie oft beziehungsweise in welcher Reihenfolge der Blick wandert. Dies wird durch sogenannte Heat Maps (grafische Darstellung der Points of Interest) und Gaze Plots (Blickverlaufspfade) dargestellt.

Eye-Tracking-Studien werden nicht nur im Rahmen universitärer Grundlagenforschungsprojekte, sondern auch für anwendungsorientierte praktische Marktforschungsfragen von Unternehmen eingesetzt.

- Vielfältige Anwendungsfelder

Die Anwendungsfelder für Eye Tracking sind vielfältig.

- Für die Marktforschung bietet Eye Tracking etwa eine Möglichkeit, Produkte und Zielgruppen vor und nach dem Launch zu testen.

- In der Werbung und im Marketing findet Eye Tracking Anwendung, indem untersucht wird, ob Anzeigen effektiv sind und wie sie auf Menschen wirken. Es kann zum Beispiel untersucht werden, welche Anzeigen einem Probanden auffallen, ob Probanden mehrere Anzeigen in einer speziellen Reihenfolge betrachten und wie lange Probanden unterschiedliche Eigenschaften einer Anzeige betrachten.

- Eye Tracking wird auch zur Analyse der Benutzerfreundlichkeit von Websites beziehungsweise E-Commerce-Portalen eingesetzt.

Typische Fragestellungen für Anzeigen, Werbeplakate, Regale, Shops oder Webseiten sind: Welche Punkte ziehen die Aufmerksamkeit der Betrachter an? Welche werden übersehen? Werden die Betrachter optimal durch die Struktur einer Seite geleitet? Welches Produkt im Regal fällt dem Betrachter zuerst/ zuletzt auf? Finden sich Kunden im Leitsystem eines Shops problemlos zurecht? Werden Beschilderungen wahrgenommen?

Konkrete Gestaltungshinweise ableiten

Eye Tracking kann nachweisen, ob ein Nutzer überhaupt ein Sujet betrachtet und die ergänzende Analyse der Dauer und Anzahl von Fixationen und Sakkaden kann klären, auf welche Inhalte sich Probanden konzentrieren, zum Beispiel welche Bild-Text-Teile einer Anzeige sie aufmerksam betrachten und welche Inhalte nur über flogen beziehungsweise gar nicht angeschaut werden. Mittels Eye Tracking lässt sich ermitteln, welche Bereiche einer Bildschirmseite besondere Aufmerksamkeit erhalten.

Basierend auf den gewonnenen Daten lässt sich das Verhalten der Nutzer vergleichen und es können Unterschiede in der visuellen Wahrnehmung und Verarbeitung ermittelt werden. Man erhält konkrete Gestaltungshinweise, um die Texte als Träger der Wissensinhalte und Bilder als visuelle Magneten richtig zu platzieren.

Keine qualitativen Rückschlüsse möglich

Zu berücksichtigen ist, dass die Methode des Eye Tracking auf rein quantitative Auswertungen beschränkt ist und die Ergebnisse keine qualitativen Rückschlüsse zulassen, warum ein bestimmtes Betrachtungsverhalten der Fall ist. Um optimale Ergebnisse aus einer Eye-Tracking-Studie zu erzielen, wird - je nach Zielsetzung und Einsatzgebiet - Eye Tracking mit User Experience Tests, Usability Tests, Tiefeninterviews, User Workshops oder Think-Aloud-Studien kombiniert.

Es spricht einiges dafür, die Wahrnehmung visueller Informationen eingehender zu untersuchen: Bilder wecken mehr Aufmerksamkeit als Texte, sie werden schneller entschlüsselt, länger und besser erinnert, besser und schneller wiedererkannt, können Informationen damit schneller transportieren und mental fixieren, werden nahezu automatisch aufgenommen und mit geringerer kognitiver Kontrolle verarbeitet. Visuelle Kommunikation besitzt ein eigenes Kommunikationsprinzip, das erheblich von der sprachlich-textlich dominierten Kommunikation abweicht. Um ein Bild mittlerer Komplexität so intensiv aufnehmen zu können, dass es auch langfristig erinnert werden kann, muss es nur etwa eine bis zwei Sekunden betrachtet werden.

Apparative Verfahren, wie Eye Tracking, gewinnen auch deswegen an Bedeutung, weil durch den Einsatz dieser Methode einige der klassischen Marktforschungsprobleme umgangen werden können, die den Nachteilen höherer Kosten beziehungsweise eines höheren Analyseaufwands gegenüber stehen. Aufmerksamkeit ist oftmals von unbewussten Faktoren gesteuert und geht so schnell, dass es sehr schwer ist, sie mit Hilfe von konventionellen Methoden (zum Beispiel Befragung) zu erfassen.

Eye Tracking hat auch den Vorteil, dass das Verhalten der Teilnehmer nicht beziehungsweise wenig beeinflusst wird, wodurch realistischere Testsituationen erzielt werden. Im Gegensatz zu Interviews kann der Teilnehmer sein Verhalten nicht nachträglich anpassen oder generalisieren. Ein weiterer Vorteil des Verfahrens ist, dass bei Eye Tracking die Gefahr eines sozial erwünschten Verhaltens (Anpassung des Verhaltens, um einen besseren Eindruck zu machen oder gesellschaftlichen Erwartungen zu entsprechen) nicht gegeben ist.

In einer Zeit laufender Reizüberflutung und einem damit einhergehenden wachsenden Informationsdruck seitens der Unternehmen, um überhaupt wahrgenommen zu werden, ist davon auszugehen, dass Eye Tracking in den nächsten Jahren weiter an Bedeutung gewinnen wird.

Dr. Ewald Judt ist Honorarprofessor an der Wirtschaftsuniversität Wien; ewald.judt[at]wu.ac[dot]at; Dr. Claudia Klausegger ist Assistenzprofessorin am Institut für Marketing-Management der Wirtschaftsuniversität Wien; claudia.klausegger[at]wu.ac.at[dot]www

Dr. Ewald Judt , Honorarprofessor , Wirtschaftsuniversität Wien
Dr. Claudia Klausegger , Assistenzprofessorin am Institut für Marketing-Management der Wirtschaftsuniversität Wien
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