Generationen-Marketing

Dr. Ewald Judt, Honorarprofessor an der Wirtschaftsuniversität Wien

Quelle: Wirtschaftsuniversität Wien

Zur Sicherung der mittel- und längerfristigen Überlebensfähigkeit, im kompetitiver gewordenen Wettbewerbsumfeld, sind vor allem klassische Finanzdienstleister gezwungen, sich an das stetig verändernde Umfeld anzupassen und ihre Kunden stärker in den Mittelpunkt ihres Handelns zu rücken. Der demografische Wandel führt neben der Veränderung der Altersstruktur zu neuen Ansprüchen und Vorstellungen der Konsumenten und bedingt ein verstärktes Eingehen auf die spezifischen Bedürfnisse unterschiedlicher Generationen.

Unter einer Generation wird eine Gruppe von Menschen (Kohorte) verstanden, die als Altersgruppe in der Gesellschaft oder aufgrund einer gemeinsamen Prägung durch historische oder kulturelle Erfahrungen eine zeitbezogene Ähnlichkeit aufweisen. Generationen können durch eine gemeinsame Werteklammer charakterisiert werden. Jede Generation grenzt sich von der anderen ab und entwickelt eigenständige Werte und Ziele.

Keine allgemeingültige Gliederung

Der Generationenzugehörigkeitsansatz hilft Komplexität zu reduzieren und wird daher häufig als Ergänzung zu anderen Segmentierungsansätzen für die Erklärung des Verhaltens von Menschen unterschiedlichen Alters herangezogen. Zumeist werden die Generationen in folgende Gruppen eingeteilt:

  • Nachkriegs-Generation (geboren etwa 1945 bis 1955),
  • Baby Boomer (geboren etwa 1956 bis 1965),
  • Generation X (geboren etwa 1966 bis 1980),
  • Generation Y (geboren etwa 1981 bis 1995) und
  • Generation Z (geboren etwa 1996 bis 2010).

Die Generation Alpha umfasst Kinder/ Jugendliche, die ab 2010 geboren sind, und gilt als Nachfolgegeneration der Generation Z.

Anzumerken ist, dass keine allgemeingültige Gliederung im Generationen-Marketing existiert, da es vor allem aufgrund der Intergenerationsvarianz schwierig ist, Generationen exakt nach Jahrgängen abzugrenzen. Es kann Überschneidungen zwischen den Generationen geben oder Personen, die nicht in das Bild ihrer jeweiligen Generation passen.

Unterschiedliche Anforderungen an Kommunikation und Produkte

In den letzten Jahren hat sich das Tempo der technologischen Entwicklung und Innovationen stark verändert. Eine besondere Herausforderung für Banken stellen dabei die oftmals weit auseinanderliegenden Anforderungen der verschiedenen Altersgruppen dar. Diese erfordern differenzierte Strategien in der Ansprache der unterschiedlichen Generationen und führen teilweise sogar zur strategischen Neuausrichtung von Unternehmen.

Vor allem die traditionellen Finanzinstitute sind gefordert, neue beziehungsweise andere Wege einzuschlagen, da ihre Geschäftsmodelle häufig über die Jahre hinweg beibehalten oder nur marginal verändert wurden und einer eher konservativ geprägten Philosophie älterer Zielgruppen folgen.

Vor allem in der Kommunikation müssen gezielt die unterschiedlichen Werte, Ansprüche und Wünsche der jeweiligen Generationen angesprochen und über die richtigen Kanäle ausgespielt werden. Aber auch beim Produkt- beziehungsweise Dienstleistungsangebot müssen für die unterschiedlichen Generationen teilweise ganz neue Wege gefunden werden. Manche Teile des klassischen Bankings führen heute nicht mehr zum Erfolg, weil vor allem die jungen Zielgruppen durch traditionelle Banken zunehmend schwerer erreicht werden.

Für ein erfolgreiches Generationen-Marketing ist eine tiefgehende Auseinandersetzung notwendig. Unter anderem muss analysiert werden, wer die Generationen sind, die als Kunden gewonnen oder gehalten werden sollen, was die Besonderheiten dieser Generation/en sind, welche Einstellungen und Erwartungen sie haben und wie sie sich von anderen Generationen unterscheiden. Die Banken müssen sich dessen bewusst sein und die Herausforderung der unterschiedlichen generationenbezogenen Anforderungen annehmen. Sie müssen aktiv statt reaktiv mit diesen unterschiedlichen Bedürfnissen um gehen und entsprechend dem Leitgedanken "Anything goes" bereit sein, die notwendigen Veränderungen zu setzen.

Zielgruppengerechte Ansprache

Generationen-Marketing bedeutet, die jeweiligen generationenbezogenen spezifischen Marketingstrategien und Marketing-Mix-Maßnahmen in der Kommunikation, bei den angebotenen Produktlinien und Produkten und in der Vertriebs- und Preisgestaltung zu setzen, die notwendig sind, um die unterschiedlichen Generationen zielgruppengerecht anzusprechen, ihr Interesse auszulösen und sie als Kunden zu gewinnen beziehungsweise zu halten.

Beispielsweise ist es wichtig, dass Banken bei der Entwicklung ihrer Omnikanalstrategien berücksichtigen, dass jüngere Generationen keine Grenze zwischen online und offline ziehen. Dabei reicht es nicht aus, die traditionellen Ansätze und Inhalte großteils unverändert zu lassen und lediglich ergänzend im Internet oder mobil anzubieten, ohne innovative Ideen. Nur wenn adäquate Angebote über die richtigen Kanäle bereitgestellt werden, lassen sich längerfristige Beziehungen aufbauen, erhalten oder sogar ausbauen. Vor allem Convenience ist für jüngere Zielgruppe von enormer Bedeutung: "Alles einfach, zu jeder Zeit und von überall".

Auseinandersetzung mit den jeweiligen Spezifika

Eine Auseinandersetzung mit den Spezifika der unterschiedlichen Generationen ist eine unabdingbare Voraussetzung, um erfolgreiches Banking auch in der Zukunft anbieten zu können. Wenn Marketer die Bedürfnisse und Mechanismen der jeweiligen Generation genau kennen, lassen sich zielgruppengerechte Produkte, Angebote und eine geeignete Kommunikation entwickeln. Wer die besten Elemente klassischen Bankings (zum Beispiel qualifizierte Beratung und räumliche Nähe) mit den Anforderungen junger Zielgruppen in Einklang bringen kann, wird im Wettbewerb bestehen können.

Ein wichtiger Hebel neben der zielgruppengerechten Ansprache besteht darin, eine klare Position als Marke zu beziehen, wozu unter anderem eine Persönlichkeit, eine Geschichte und eine einzigartige und glaubhafte Botschaft gehören.

Generation Alpha genau beobachten

Generationen-Marketing bietet die Chance, Wettbewerbsvorteile zu generieren, wenn die unterschiedlichen Erwartungshaltungen einzelner beziehungsweise der im Targeting ausgewählten Altersgruppen berücksichtigt werden. Banken müssen sich jedoch nicht nur mit ihren derzeitigen Kunden auseinandersetzen und deren Wünsche im Marketing optimal abdecken. Sondern sie müssen sich gleichzeitig auch mit den jüngeren Generationen beziehungsweise der jeweils nächsten heranwachsenden Generation künftiger Kunden auseinandersetzen.

Wie die nächsten Generationen "Generation Alpha und danach" aussehen werden und wie diese Generationen ticken, ist teilweise noch unklar und muss genau beobachtet werden. Eines lässt sich jedoch für alle zukünftigen Generationen festhalten: Finanzdienstleister müssen sich genauso schnell verändern, wie sich die Generationen verändern, und ihre Strategien und Maßnahmen laufend adaptieren, um mittel- und längerfristige Beziehungen zu Nachfolgegenerationen aufbauen zu können. Frühere Generationen haben ihr Leben den Medien angepasst, jüngere Generationen erwarten, dass sich die Medien ihnen anpassen.

Dr. Ewald Judt , Honorarprofessor , Wirtschaftsuniversität Wien
Dr. Claudia Klausegger , Assistenzprofessorin am Institut für Marketing-Management der Wirtschaftsuniversität Wien
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