Smarketing

Dr. Ewald Judt, Honorarprofessor an der Wirtschaftsuniversität Wien

Quelle: Wirtschaftsuniversität Wien

Marketing und Sales werden noch heute in vielen Unternehmen als getrennte, teilweise sogar konkurrierende Bereiche gesehen. Immer stärker wird aber ein gemeinsames Verständnis beider Bereiche gefordert. Die fortschreitende Digitalisierung hat die Anforderungen an die Prozesse und Strukturen im Marketing verändert und den Grundstein für Smarketing gelegt.

Unter Smarketing wird die Integration von Vertrieb (Sales) in das Marketing verstanden. Dieser Ansatz klingt nicht wirklich neu und viele Unternehmen kennen den alten Konflikt zwischen Marketing und Vertrieb. Allzu oft ist es aber noch immer gelebte Realität, dass den Vertriebsmitarbeitern nicht die notwendige Wertschätzung entgegengebracht wird beziehungsweise Marketing und Vertrieb teilweise sogar gegeneinander arbeiten.

Ein Grund für die geringe wechselseitige Wertschätzung liegt vielfach an den Zuschreibungen. Den Verkäufern in Unternehmen wird oftmals unterstellt, zu wenig aktiv auf die Kunden zuzugehen und die vom Marketing vorgegebenen Key-Messages nicht ausreichend beim Kunden "rüberzubringen". Im Gegenzug wird Marketingmitarbeitern seitens des Vertriebs vorgeworfen, oftmals noch nie einen "echten" Kunden gesehen zu haben und daher nicht in der Lage zu sein, praxistaugliche, zielgruppengerechte Kampagnen und Maßnahmen zu entwickeln.

Vernetzung von Vertrieb und Marketing

Smarketing versteht sich als optimale Verzahnung zwischen Vertrieb und Marketing, um das gemeinsame Ziel zu erreichen, die Erwartungen der Kunden zu erfüllen beziehungsweise im Idealfall zu übertreffen,. Beide Bereiche sind für die Vermarktung von Produkten und Dienstleistungen von zentraler Bedeutung und müssen einander verstehen.

Die immer stärker werdende Digitalisierung der Customer Journey hat dazu geführt, dass die Grenzen zwischen Sales und Marketing verschwimmen. Unter Smarketing wird eine Art Vertrag verstanden, der regelt, was, wer, von wem zu erwarten hat. Welche Leistung erbringt das Marketing für den Vertrieb und welche der Vertrieb für das Marketing? Am besten ist es, eine schriftliche Vereinbarung zwischen den Marketing- und Vertriebsteams, ein sogenanntes Service Level Agreement (SLA) zu treffen, im Rahmen dessen sich die Teams verpflichten, bestimmte Aufgaben auszuführen, um das andere Team zu unterstützen. Auf diese Weise kann verhindert werden, dass Sätze wie "Ich hätte mir erwartet, dass ..." fallen.

Neue Form der Aufgabenteilung

Früher waren die Verantwortungsbereiche von Vertrieb und Marketing relativ klar geregelt. Das Marketing kümmerte sich um alle Kommunikationsprozesse, die sich an größere Zielgruppen richteten. Der Vertrieb war für den direkten Kontakt, das heißt den persönlichen Dialog mit dem Kunden verantwortlich. In der heutigen Zeit ist diese Abgrenzung schwierig, da durch die Digitalisierung auch im Marketing direkte Kontakte bei der Kommunikation möglich wurden. Gleichzeitig sind im Vertrieb die Kontakte nicht mehr ausschließlich mündlich (persönlich oder telefonisch), sondern teilweise online und über die sozialen Medien. Die traditionelle Form der Abgrenzung hinsichtlich der Aufgabenteilung funktioniert nicht mehr.

Die neue Form der Aufgabenteilung geht daher heute in die Richtung, dass das Marketing sich darum kümmert, die Attraktivität und Anziehungskraft eines Unternehmens oder eines Brand konsequent zu erhöhen, um in den Dialog mit potenziellen Kunden zu treten. Die Sales-Abteilung filtert und kategorisiert die relevanten Interessenten und versucht, diese zielgruppengerecht und individuell anzusprechen. Marketing ist für das Generieren der Inhalte verantwortlich, die für die potenziellen Kunden attraktiv sind. Smarketing versucht nicht nur zu verkaufen, sondern eine Beziehung zu den bestehenden und potenziellen Kunden zu erzeugen. Diese Beziehung basiert auf einem kontinuierlich kommunizierten Content, der für die Zielgruppe einen Wert als Nachricht, Unterhaltung oder Information darstellt.

Wer seine Leistungen verkaufen will, muss den kompletten Horizont der Zielgruppe bedienen und nicht nur die Vorteile des eigenen Angebotes multimedial kommunizieren. So entsteht nicht nur eine Bekanntheit des Brand, sondern es kann auch die notwendige Sympathie und das Vertrauen zu einem Unternehmen aufgebaut werden. Aus dem Verhalten der Interessenten können die besonders Interessierten ermittelt und an den Vertrieb übergeben werden.

Für ein funktionierendes Smarketing sind bestimmte Schritte einzuhalten.

- Zu allererst müssen die Eigenschaften potenzieller Kunden und die Kontakte (unter anderem Visits, Contacts, Leads, Prospects, Marketing Qualified Leads (MQL), Sales Qualified Leads (SQL)) festgelegt und bewertet werden.

- Des Weiteren muss klar definiert werden, wann ein Interessent "reif" für die Übergabe an den Vertrieb ist, und der richtige Zeitpunkt für die Übergabe festgelegt werden. Dieses sogenannte "Lead Scoring" kann basierend auf den Entwicklungsstufen ("Lifecycle Stages") durchgeführt werden.

- Im nächsten Schritt müssen die Ziele, das heißt ein gemeinsames Kennzahlensystem entwickelt werden. Gemeinsame Ziele sind nötig, damit alle Beteiligten an einem Strang ziehen und eine Gruppe nicht mehr Druck verspürt als die andere. Beispiele für Zielgrößen, die an die Mitarbeiter im Smarketing gesetzt werden, können zum Beispiel die Anzahl der Qualified Leads sein, die monatlich an den Vertrieb übergeben werden, die Zielquote daraus entstehender Kunden, Umsätze aus abgeschlossenen Leads oder die angestrebte Zeit für die Entwicklung zum Kunden, der Gesamterlös aus marketing- beziehungsweise vertriebsgenerierten Leads pro Monat oder der Gesamtumsatz pro Monat.

Informationsfluss sicherstellen

Ein weiterer Erfolgsfaktor ist eine positive Einstellung zu einem derartigen Paradigmenwechsel und eine intensive innerbetriebliche Kommunikation. Die Mitarbeiter von Marketing und Sales müssen die Vorteile von Smarketing erkennen und bereit sein, sie für den gemeinsamen Erfolg zu nutzen. Sowohl Marketing- als auch Verkaufsteams interagieren auf ihre eigene, individuelle Weise mit bestehenden und potenziellen Kunden und wissen unterschiedliche Dinge über die Kunden. Wenn beide Teams intensiver miteinander kommunizieren, können wichtige Informationen untereinander ausgetauscht werden, was zu einem besseren Verständnis der Zielgruppe führt und die Möglichkeit bietet, ein optimiertes Kundenerlebnis zu erzielen.

Um den Informationsfluss sicherzustellen, ist es notwendig, geeignete Informationskanäle einzurichten und ein Gefühl für die Sorgen der anderen zu entwickeln. Regelmäßige Meetings zur Überprüfung des Erfolgs der Lead-Generierung, zum Austausch konstruktiven Feedbacks und zur aktiven Zusammenarbeit hinsichtlich Themen wie sich ändernde Kundenerwartungen, Optimierungen der Käuferpersönlichkeiten, Werbeaktionen, Marketing- und Verkaufsstrategien sind die Basis einer nachhaltigen Smarketing-Implementierung.

Softwaresysteme integrieren

Eine weitere zentrale Voraussetzung ist die Zusammenführung der Software. Die Marketing- und Vertriebssoftwaresysteme müssen so weit wie möglich integriert werden, um eine einheitliche Erfassung und Analyse von Leads, eine unkomplizierte Lead-Übergabe und einen gleichen Informationsstand für alle Beteiligten sicherzustellen. Die Pflege einer zentralen Kundeninformationsdatenbank ist für die reibungslose Kommunikation im Unternehmen unerlässlich. Durch das Zusammenfügen und die Nutzung aller gesammelten Daten und Informationen aus beiden Bereichen kann das Verhalten der Kunden vom ersten Website-Besuch bis zum tatsächlichen Kauf nachverfolgt und der finanzielle Aufwand der Marketinginvestitionen systematisch analysiert und beurteilt werden (ROI).

Finanzdienstleister sollten sich aufgrund des kompetitiven Umfelds mit Smarketing verstärkt auseinandersetzen. Sie sollten versuchen, die Kräfte von Marketing und Sales besser zu vereinen und abteilungsübergreifende Synergien nutzen, um die Prozesse der Buyer's Journey zu verbessern, Umsatzwachstum zu generieren und ihr Geschäft langfristig auszubauen. Es gilt das gleiche wie schon vor 2000 Jahren: "Wenn ein Reich in sich gespalten ist, kann es keinen Bestand haben."(Markus 3,24).

Dr. Ewald Judt ist Honorarprofessor der Wirtschaftsuniversität Wien, ewald.judt[at]wu.ac[dot]at
Dr. Claudia Klausegger ist Assistenzprofessorin am Institut für Marketing-Management der Wirtschaftsuniversität Wien, claudia.klausegger[at]wu.ac[dot]at.

Dr. Claudia Klausegger , Assistenzprofessorin am Institut für Marketing-Management der Wirtschaftsuniversität Wien
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