VERSICHERUNGEN

Epidemie generiert neue Services

In einer weltweiten gesundheitlichen Krisensituation stehen bei den Finanzdienstleistern Krankenversicherungen an vorderster Front. Wegen anfallender Arztkosten und erhöhtem Beratungsbedarf entsteht für sie eine Doppelbelastung. Vor allem bei der Beratung müssen sich Versicherer Gedanken machen, wie sie die Nachfrage der Kunden vollumfänglich und zuverlässig bedienen und sich von der Konkurrenz abheben können. Im persönlichen Gespräch mit dem eigenen Ansprechpartner durch Wissen und Freundlichkeit zu glänzen, kommt wegen der Kontaktbeschränkungen derzeit nicht infrage.

Zwei Versicherer stellen nun verschiedene Ansätze vor, bei denen schnelle und kompetente Beratung auch ohne ein Gespräch von Angesicht zu Angesicht ermöglicht werden soll. Zum einen bietet die R+V Krankenversicherung in Kooperation mit der Teleclinic GmbH seit Anfang April dieses Jahres die digitale Sprechstunde an. Per Telefon, Video oder Chat können Kunden des Versicherers nach Terminvereinbarung mit einem Arzt sprechen, welcher berechtigt ist, Rezepte, Überweisungen oder Krankschreibungen auszustellen. Die Termine sind nicht an Sprechzeiten von Arztpraxen gebunden und können auch am Wochenende vereinbart werden.

Dagegen schickt die Hanse Merkur einen "Corona Bot" ins Rennen. In Zusammenarbeit mit Softwarentwickler Doycet GmbH hat Hanse Merkur einen frei verfügbaren KI gestützten Chatbot entwickelt, der besorgten Menschen eine medizinische Ersteinschätzung geben kann, Handlungshinweise parat hat und häufige Fragen zum Corona Virus beantworten kann. Zwar ist die Software ein zugelassenes Medizinprodukt, kann jedoch die Diagnose oder die ärztliche Sprechstunde nicht ersetzen. Der Bot soll aber momentan knappe Kapazitäten von Praxen und Krankenhäusern entlasten, indem er Patienten erst bei hohem vermuteten medizinischen Bedarf zum Arztbesuch bewegt.

Die beiden Dienstleistungen sind in mehreren Aspekten als nur der Mensch Maschine Dichotomie verschieden. Beispielsweise haben beide zwar die präsenzlose Interaktion mit Kunden als Mittel, die Ziele unterscheiden sich jedoch. R+V stellt bei ihrer zeit und ortsunabhängigen Sprechstunde den Nutzen für und die genossenschaftstypische Nähe zum Patienten in den Vordergrund, Hanse Merkur hat als Ziel die Entlastung der Ärzte durch die KI Beratung.

Ein weiterer Unterschied liegt in der Verfügbarkeit. Während ein Chatbot Tag und Nacht unermüdlich und für alle Patienten gleichzeitig arbeiten kann, ist der Dienst der R+V durch eine begrenzte Anzahl an verfüg baren Ärzten und der Terminvereinbarung limitiert. Im Grunde gleichen beide Ansätze, dem, was auch Banken derzeit tun, um dem Fragenansturm von verunsicherten Wertpapiersparern angesichts der Verwerfungen an den Kapitalmärkten zu begegnen: mit persönlichen Ansprechpartnern, automatisiert per Chatbot (oder mit einer Kombinatiion aus beiden Ansätzen).

Bei den Versicherern kommt jedoch noch ein anderer Aspekt hinzu: Der seit einigen Jahren zu beobachtende Trend, sich mit Services über das eigentliche Versicherungsgeschäft (im Fall der Krankenversicherung also das bloße Begleichen von Rechnungen) hinaus zu positionieren. Insofern wird es eine spannende Frage für die Zukunft darstellen, ob derlei Dienstleistungen nach der Pandemie weiter angeboten werden und wie sie dann noch angenommen werden. Red.

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