Lebensversicherungen in der Transparenzfalle

Die Lebensversicherer sind Kummer gewöhnt. Immer wieder werden grundsätzliche Fragen zu ihrem Geschäftsmodell dem Bundesgerichtshof zur Entscheidung vorgelegt. Und die Erfahrung zeigt, dass selbst ein Sieg für die Branche nur bedingt als Erfolg gewertet werden kann.

Das dürfte auch für die jüngste Entscheidung des IV. Zivilsenats vom 11. Februar dieses Jahres gelten, bei dem es um die Berechnung der Überschussbeteiligung ging. Im Raum stand die Frage, ob die Beteiligung eines Kunden an den Überschüssen und Bewertungsreserven, die bei Ablauf einer Lebensversicherung Ende 2008 ausgezahlt worden waren, zu niedrig ausgefallen sei. Ferner befasste sich der BGH mit der Fragestellung, ob der Kunde einen erweiterten Auskunftsanspruch zur Berechnungsgrundlage seines Anteils an Überschüssen und Bewertungsreserven bei Vertragsende habe. Die entsprechende Klage wurde von den Bundesrichtern abgewiesen. Die Berechnungsmethode der Allianz wurde für rechtens erklärt. Damit erledigte sich auch der Antrag auf den Auskunftsanspruch des Kunden.

Zur Begründung teilte der BGH mit, dass zwischen der Berechnung und Zuteilung der Bewertungsreserve einerseits und deren Auszahlung andererseits zu differenzieren sei. Ein höherer Anteil an den Bewertungsreserven habe automatisch ein Absinken des Schlussüberschusses zur Folge.

Das Urteil ist insofern ein Sieg für die Branche, als im Fall eines Erfolgs der Klage vermutlich eine große Zahl von Verträgen erneut hätte überprüft werden müssen. Möglicherweise wären dann Nachzahlungen in beträchtlicher Höhe auf die Lebensversicherer zugekommen. Insofern ist ein Aufatmen sicher angebracht.

Lebensversicherung bleibt eine Black Box

In Triumphgeheule ist die Branche gleichwohl zu Recht nicht ausgebrochen. Denn mit dem Abweisen der Klage ist die geübte Praxis zwar in ihrer Rechtmäßigkeit bestätigt worden. Aber das ändert nichts an der Tatsache, dass es für Kunden kaum transparent ist, wie letzten Endes die Auszahlungen bei Ablauf des Vertrages erhält, zustandekommen. Die Lebensversicherung bleibt somit gleichsam eine "Black Box" mit einem gewissen Überraschungselement am Schluss. Und das ist in einem Meinungsumfeld, in dem Transparenz Trumpf ist, zweifellos nicht hilfreich.

Das gilt umso mehr als die Lebensversicherer in der Renditedebatte um ihre Produkte immer wieder auf die Bedeutung der Überschussbeteiligung als nicht zu vernachlässigender Zuschlag zum mageren Garantiezins verwiesen haben. Wer solches tut, der muss sich nicht wundern, wenn dieser Ertragsbestandsteil stärker unter die Lupe genommen wird und der Ruf nach mehr Transparenz erschallt.

Keine Frage: Dem Nicht-Aktuar würde eine erweiterte Offenlegung der Berechnungsgrundlage kaum einen Erkenntnisgewinn bringen, selbst wenn die Branche sich an dieser Stelle über die Schulter schauen lassen würde. Genau hier aber liegt das gleiche Problem begründet, mit dem sich auch die Auskunfteien, allen voran die Schufa, immer wieder konfrontiert sehen: Der Forderung nach mehr Transparenz für den Verbraucher kann kaum begegnet werden. Daran werden sich Verbraucherschützer denn auch voraussichtlich weiterhin abarbeiten, was dem Image der Branche wie auch der Akzeptanz ihrer Produkte nicht förderlich ist.

Absicherung der biometrischen Risiken stärker betonen

Wo an dieser Stelle ein Ausweg kaum zu finden ist, bleibt in der Kommunikation der Branche insgesamt und vor allem im Vertrieb eigentlich nur eins: Wenn nach Rendite gefragt wird, muss stärker als bisher betont werden, dass die Rendite bei der Lebensversicherung nur ein Aspekt und vielleicht nicht einmal der wichtigste ist. Natürlich lässt sich mit Wertpapier anlagen mehr aus dem Ersparten herausholen. Aber die Absicherung der biometrischen Risiken kann kein Aktiendepot und kein Fondssparplan leisten. Der Branchenverband GDV hat sich zwar immer wieder einmal in diesem Sinne geäußert. Letzten Endes hat sich die Branche und auch der Vertrieb jedoch zu stark auf die Renditediskussion eingelassen.

Für den Bankvertrieb mit seinem starken Standbein im Einmalbeitragsgeschäft ist das vielleicht nicht ganz so dramatisch, weil für die ruhestandsnahen Jahrgänge, die hier die Hauptzielgruppe bilden, der Aspekt der biometrischen Risiken einen vergleichsweise hohen Stellenwert hat. Um auch jüngere Jahrgänge für die Lebensversicherung als Basisprodukt der Vorsorge zu interessieren, müsste die Argumentation aber vielleicht dennoch angepasst werden.

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