Corona droht Gender Pension Gap bei Frauen zu steigern

Mehr als jede zehnte Frau spart wegen Covid-19 an der Altersvorsorge Quelle: Fidelity/Kantar Emnid

Generell sind Männer und Frauen gleichermaßen von den beruflichen Auswirkungen von Covid-19, wie Kurzarbeit oder Arbeitslosigkeit betroffen. Das wiederum bleibt nicht ohne Auswirkungen auf die Altersvorsorge: Eine Umfrage im Auftrag des Deutschen Instituts für Altersvorsorge hat gezeigt: 19 Prozent derjenigen, deren Einkommssituation sich durch die Corona-Krise verschlechtert hat, sparen bereits an der privaten Altersvorsorge, 17 Prozent halten das künftig für nötig, wenn sich die Einkommenssituation nicht verbessert. Frauen reagieren darauf jedoch anders als Männer und treten stärker auf die Ausgabenbremse. Das zeigt eine Umfrage von Kantar Emnid im Auftrag von Fidelity International unter 1 000 in einer repräsentativen Zufallsstichprobe ausgewählten Berufstätigen.

Jeder fünfte Corona-Betroffene will Altersvorsorge aussetzen

Frauen wollen demnach deutlich häufiger ihre Altersvorsorge kürzen oder aussetzen als Männer (14 Prozent der Frauen, im Vergleich zu 4 Prozent der Männer). Vor dem Hintergrund, dass die Vorsorgelücke bei Frauen meist ohnehin sehr viel größer ausfällt als bei Männern, ist das keine gute Nachricht. Einziger Lichtblick: Frauen planen seltener, dauerhaft weniger zu sparen oder fürs Alter vorzusorgen (2 Prozent, gegenüber 5 Prozent bei den Männern.

Insgesamt wollen 9 Prozent der Befragten ihre Spar- und/oder Altersvorsorgeprodukte aussetzen. Unter denjenigen, die durch Covid-19 negative Auswirkungen wie Kurzarbeit oder Jobverlust und finanzielle Einbußen spüren, sind es sogar 22 Prozent. Dauerhaft planen das 3 Prozent aller Befragten und 9 Prozent derjenigen, deren Situation sich infolge von Corona verschlechtert hat.

Frauen setzen stark auf den Staat

Jeder zweite Befragte gibt an, dass sich seine Sicht auf die Altersvorsorge geändert habe. Frauen denken jedoch unter dem Eindruck der Krise sehr viel häufiger (55 Prozent) anders über das Thema als Männer (45 Prozent). 41 Prozent von ihnen wünschen sich, dass der Staat sich stärker um ihre Altersvorsorge kümmert - unter den Männern sagen das nur 29 Prozent. 28 Prozent der Frauen streben nach noch mehr Sicherheit und möchten Garantien für die Geldanlage (Männer 21 Prozent) und mehr als jede dritte weibliche Befragte (34 Prozent) erkennt unter dem Eindruck von Corona, dass die Aktienanlage kurzfristig extrem volatil ist. Unter den männlichen Studienteilnehmern beträgt dieser Anteil 27 Prozent.

Ein erschreckend hoher Anteil der Frauen, so lässt sich resümieren, setzt somit auf eine Alterssicherung, die in dieser Form zumindest teilweise überholt ist. Denn es ist nicht zu erwarten, dass das Rentenniveau in der gesetzlichen Rentenversicherung wieder ansteigen wird. Und auch die Garantien in der Altersvorsorge sind tendenziell auf dem Rückzug. Das gilt sowohl für die neuen Tarifgenerationen der privaten Rentenversicherung als auch für die betriebliche Altersversorgung - Stichwort ist hier das Sozialpartnermodell. Und selbst das "sichere" Sparen in klassischen Sparformen ist so sicher nicht, wenn Kaufkraftverluste oder mögliche Verwahrentgelte berücksichtigt werden. Die Gefahr ist also groß, dass sich der "Pension Gender Gap" - also die Lücke zwischen der Versorgungssituation von Frauen und Männern noch weiter vergrößert. Hier besteht also Handlungsbedarf.

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Versorgungsausgleich bei der bAV als Beratungsthema

Das jüngste Urteil des Bundesgerichtshofs zum Versorgungsausgleich bei Betriebsrenten dürfte nur für wenig Abhilfe des Problems sorgen, da es nur die grundsätzliche Benachteiligung der Frauen für nicht verfassungskonform erklärt hat, während die Frage danach, wie sich diese Benachteiligung konkret vermeiden lässt, aber zwangsläufig offen bleibt. Hier bleibt es den Frauen überlassen, über die Familiengerichte eine gerechte Aufteilung zu erreichen, die die Verluste bei der Neuanlage ausgleicht.

Wo die Juristen vor allem eine hohe Arbeitsbelastung auf die Familiengerichte zukommen sehen, wird es zur Aufgabe der Finanzberatung, auf das Urteil und eventuellen Handlungsbedarf hinzuweisen, damit die Benachteiligung von Frauen nicht aus Unkenntnis weiter fortbesteht.

Gefragt wurde in der Fidelity-Umfrage auch danach, welche Art der Information den Menschen helfen würde, um noch mehr Vertrauen in die Notwendigkeit der Altersvorsorge zu bekommen. Auch hier richtet sich der Blick vor allem auf den Staat: Je 45 Prozent der Männer und Frauen wünschen sich, vom Staat persönlich und regelmäßiger darüber informiert zu werden.

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Vorsorgeportal wird dringender

Ebenfalls weitgehende Einigkeit zwischen den Geschlechtern herrscht darüber, dass das Informationsangebot der Produktanbieter digitaler werden sollte (Männer 41 Prozent, Frauen 40 Prozent). Das geplante Vorsorgeportal, das alle drei Säulen der Vorsorge abbildet und den Menschen jederzeit einen Gesamtüberblick über ihre Vorsorgesituation bietet, wird also immer dringender, zumal sich unter den 14- bis 29-Jährigen bereits 67 Prozent mehr digitale Angebote wünschen.

An dritter Stelle stehen kostenfreie Informationsveranstaltungen der Produktanbieter. Ihnen steht fast jede dritte Frau (31 Prozent) positiv gegenüber, bei den Männern sind es nur 27 Prozent.

Bericht der Rentenkommission vom Tisch gewischt

Der nähere Blick in die Tabellen zeigt: Der Ruf nach dem Staat - sowohl was die Alterssicherung an sich betrifft als auch mit Blick auf die Information - ist tendenziell bei Personen mit kleineren Einkommen und mittlerer Bildung am höchsten - also bei jenen, bei denen die Versorgungssituation im Alter am ehesten schwierig zu werden droht. Umso dringender sind die immer noch ausstehenden Weichenstellungen der Politik.

Vor diesem Hintergrund lohnt ein Blick in den im Mai veröffentlichten Bericht des wissenschaftlichen Beirats des Bundesfinanzministeriums mit dem Titel "Der schwierige Weg zu nachhaltigen Rentenreformen". Denn dieser wischt die erst kurz vor der Corona-Krise vorgelegten Vorschläge der Rentenkommission mehr oder weniger vom Tisch. Stattdessen kritisiert der Beirat das immer wieder praktizierte "kurzfristige Optimieren", mit dem den Interessen einzelner Wählergruppen entsprochen wird. Stattdessen plädiert der Bericht für zwei Maßnahmen: die (unpopuläre) regelgebundene Erhöhung des Renteneintrittsalters, der die Rentenkommission ausgewichen ist; und eine institutionell besser abgesicherte Trennung von Bundeshaushalt und gesetzlicher Rentenversicherung, die für mehr Transparenz hinsichtlich der Kosten der genannten "Optimierungsmaßnahmen" sorgen würde.

Jetzt Langfristperspektive bei der GRV schaffen

Beide Maßnahmen zusammen würden für die längst überfällige Langfristperspektive bei der gesetzlichen Rente sorgen, bei der bisher die "Nachbesserungen" immer wieder falsche Erwartungen wecken. Diese Langfristperspektive wiederum ist allen Erfahrungen nach die Grundvoraussetzung für Entscheidungen rund um die private und (soweit der Arbeitnehmer die Beiträge selbst aufbringt) auch die betriebliche Altersvorsorge und zugleich die Grundlage einer vernünftigen Beratung.

Die Chance für eine solche Weichenstellung war nie besser als heute: Die Kosten der Corona-Krise dürften jegliche Illusionen zerstört haben, die Rentenversicherung mit all den Extras für bestimmte Bevölkerungsgruppen durch Zuweisungen aus dem Bundeshaushalt im Rahmen der "doppelten Haltelinie" zu belassen. Und für eine Anhebung der Regelaltersgrenze ist eine große Koalition vermutlich auch politisch die günstigste Konstellation. Um das noch in dieser Legislaturperiode zu beschließen, wäre allerdings Tempo gefragt.

Andere Maßnahmen wie die Frage nach einem möglicherweise standardisierten Standardprodukt à la Deutschlandrente oder der generellen staatlichen Förderung privater und betrieblicher Vorsorge müssen dem gegenüber nicht in den Hintergrund treten. Auch sie sollten zeitnah vorangetrieben werden, um klare Rahmenbedingungen zu schaffen. Die Regelungen bei der gesetzlichen Rentenversicherung sollten aber Vorrang haben - gerade weil so viele Menschen in Sachen Altersvorsorge den Staat in der Verantwortung sehen. Dabei geht es nicht darum, den Bürgern Eigenverantwortung für ihre Alterssicherung abzunehmen. Doch nur wer sicher weiß, was er einmal zu erwarten hat, der kann fundierte Entscheidungen darüber treffen, wie er ergänzend vorsorgt.

Natürlich sind solche Entscheidungen auch heute schon möglich - nach dem Motto: Ein zu viel an Eigenvorsorge gibt es gar nicht, auch wenn die gesetzliche Rente höher ausfallen sollte als erwartet. Das betrifft dann allerdings eher diejenigen Bevölkerungsgruppen, die ohnehin nicht Gefahr laufen, in Altersarmut zu laufen, ganz gleich wie hoch das Versorgungsniveau bei der gesetzlichen Rente einmal sein wird. Bei all jenen hingegen, bei denen es knapp zu werden droht, kommt es genau darauf an. Sie müssen wissen, wie knapp es wird und sie brauchen Verlässlichkeit darüber, dass sich Eigeninitiative wirklich lohnt und nicht indirekt "bestraft" wird, weil sich andere Gruppen ohne Eigenvorsorge kaum schlechter stehen.

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