Digitale Rentenübersicht - noch viele Fragen offen

Eine planvolle Absicherung des eigenen Lebensstandards im Alter erfordert eine gute Informationsbasis durch regelmäßige, möglichst vollständige, verständliche, verlässliche und vergleichbare Informationen zum Stand der individuellen Alterssicherung. Genau diesen Gesamtüberblick über bereits erreichte oder erreichbare Versorgungsleistungen soll die von der Bundesregierung geplante "digitale Rentenübersicht" bieten. Durch eine Verbesserung des Kenntnisstandes der Bevölkerung über die ei gene Altersvorsorge, um die Planungsgrundlagen zu verbessern. Den Bürgerinnen und Bürgern soll ein ergänzendes Angebot unterbreitet werden, sich nutzerfreundlich an einer Stelle einen Gesamtüberblick über die eigene Altersvorsorge zu verschaffen. Das Angebot einer Digitalen Rentenübersicht soll einen Anreiz setzen, sich intensiver mit der eigenen Altersvorsorge auseinanderzusetzen.

Bei der Vollständigkeit steckt der Teufel im Detail

Das Anliegen an sich wird von Verbraucherschützern unterstützt, vorausgesetzt, die digitale Renteninformation ist aus Verbrauchersicht vertrauenswürdig. Wichtigster Punkt dabei: Die Organisation, die die Auskunft bereitstellt, muss unabhängig von den Interessen der Produktanbieter sein. Der Vorschlag der Bundesregierung, die zentrale Stelle unter dem Dach der Deutschen Rentenversicherung Bund anzusiedeln, die Interessen der unterschiedlichen Stakeholder jedoch über ein Steuerungsgremium zu kanalisieren und damit eine Form der Mitbestimmung zu schaffen, wird deshalb vom Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) ausdrücklich begrüßt.

Punkt zwei ist ein gewisser Grad an Vollständigkeit. Denn nur, wenn das Bild möglichst umfassend ist, kann die Übersicht den Zweck, für den sie gedacht ist, wirklich erfüllen. Hier dürfte der Teufel im Detail stecken.

Zum einen geht es um die nur auf den ersten Blick banale Frage, wie man es schafft, alle relevanten Verträge tatsächlich in die Übersicht aufzunehmen. Würde man dies der Verantwortung der Verbraucher selbst überlassen, wäre das Projekt vermutlich ein Stück weit zum Scheitern verurteilt. Denn dann würden wahrscheinlich lediglich diejenigen ihre Verträge einpflegen, die sich ohnehin schon mit der Vorsorgethematik befasst haben.

Auch auf Produktebene selbst ist zu klären, welche Produktkategorien überhaupt als integrierbar angesehen werden und wie sich daraus eine spätere Rente hochrechnen lässt.

Im Gesetz ist eine Definition des Begriffs Altersvorsorgeprodukt vorgesehen. Der allerdings hat den Nachteil, in starkem Maße auf versicherungsförmige Produkte abzuzielen. Damit fallen aber andere Maßnahmen zur privaten Vorsorge aus dem Raster. Was ist etwa mit Immobilien, die oftmals auch unter dem Aspekt der Vorsorge erworben werden, weil sie zwar nicht die spätere Rente erhöhen, dafür aber die monatlichen Lebenshaltungskosten im Alter senken? Und was ist mit Fondssparplänen, die nicht mit einer Versicherungspolice gekoppelt sind? Letzten Endes sind auch das Vorsorgemaßnahmen, die in den Gesamtüberblick hineingehören würden, die aber nicht leicht zu integrieren sein werden.

Der vzbv schlägt folgende Definition vor: "Zur privaten Altersvorsorge sind alle Verträge zu zählen, die einmalige oder wiederkehrende Erlebensfallleistungen mit rentennahen Beginn des Leistungsbezugs erbringen." Diese Definition ist zwar weit gefasst - auch sie kann aber nicht alle vom Verbraucher unter dem Vorsorgeaspekt getroffenen Maßnahmen abdecken.

Stark auf Versicherungsprodukte ausgerichtet

Der starke Bezug auf Versicherungsprodukte zeigt sich im Gesetzestext auf bei den Vorgaben zur Anbindung von Vorsorgeeinrichtungen. Zunächst sollen das nur diejenigen Einrichtungen sein, die per Gesetz zur Übermittlung von regelmäßigen Standeinrichtungen verpflichtet sind. Berufsständische Versorgungswerke, Direktversicherungen, aber auch Fondssparpläne wären damit erneut außen vor.

Der vzbv betont zu Recht, dass das Fehlen von Vorsorgekategorien auch eine Unterdeckung suggerieren kann, die tatsächlich gar nicht vorhanden ist. Dies wäre zweifellos besser, als wenn Verbraucher sich irrtümlich fürs Alter gut versorgt wähnen und dann erst im Ruhestand von der Versorgungslücke überrascht werden. Es kann aber auch nicht der Sinn der digitalen Renteninformation sein, Menschen, die sich bereits mit ihrer Vorsorge befasst haben, in Panik zu versetzen und ohne Not an den von ihnen getroffenen Maßnahmen zweifeln zu lassen.

Nicht zuletzt kann eine mangelnde Vollständigkeit auf Produktebene auch zu einer Wettbewerbsverzerrung kommen, wenn Produkte, die von der digitalen Renteninformation nicht berücksichtigt werden, in der Wahrnehmung der Verbraucher unterrepräsentiert und damit auf dem Markt benachteiligt wären. Vermeiden lässt sich das aus Sicht des vzbv, wenn Verbraucher für eine Übergangszeit entsprechende konkrete Ansprüche selbst einpflegen könnten.

Nicht rein digital

Doch wie kommt die Information zum Verbraucher? Das vom Gesetzgeber vorgesehene Portal scheint zwar im Zuge der Digitalisierung naheliegend - ist im Sinn der Teilhabe aber vermutlich nicht ausreichend. Nicht ohne Grund kommt auch die jährliche Renteninformation per Post und wartet nicht auf einer Plattform darauf, dass der Versicherte sie schon abrufen wird. Um dem Thema die nötige Aufmerksamkeit zu verschaffen, müsste deshalb auch die digitale Renteninformation, ihrem Namen zum Trotz, zu einem bestimmten Stichtag postalisch zugestellt werden.

Was den konkreten Ausweis der Anwartschaften angeht, wird es ebenfalls noch einmal schwierig - auch hier sind Versicherungsprodukte, und dort vor allem solche der alten Tarifgenerationen mit festen Langzeitgarantien im Vorteil. Auf jeden Fall muss vermieden werden, dass die in der Übersicht gegebenen Informationen Prognosen geben, von denen die tatsächlichen Ergebnisse womöglich stark abweichen können.

Die Verbraucherschützer fordern deshalb, dass nur erreichte Altersvorsorgeansprüche ausgewiesen werden. Auch das könnte allerdings schwierig werden, beispielsweise bei kapitalmarktorientierten Produkten, bei denen im Grunde nur eine Stichtagsbetrachtung möglich ist.

Unter dem Strich heißt das: Im ersten Schritt wird die Digitale Renteninformation vermutlich nicht wesentlich mehr sein als ein Zusammenrechnen der erreichten Ansprüche aus der gesetzlichen Rentenversicherung, privaten Lebens- und Rentenversicherungen und eventuell noch der betrieblichen Altersvorsorge. Das wäre zweifellos besser als der jetzige Status quo - würde aber den tatsächlichen Stand der Vorsorgebemühungen der Verbraucher dennoch nur unzureichend abbilden - mit dem Ergebnis, dass die Menschen sich immer noch, ob nun zu Recht oder zu Unrecht, einreden können, im Alter besser dazustehen, als es die digitale Renteninformation ausweist. Dem erklärten politischen Ziel, die Menschen für die Thematik zu sensibilisieren und zu mehr Vorsorge zu aktivieren, wäre das sicher nicht zuträglich. Ob sich eine echte Gesamtübersicht, die diesen Namen verdient, allerdings jemals wird realisieren lassen, ist eine andere Frage. Schnell gehen wird es sicher nicht.

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