Versicherungsneugeschäft und Corona - Chancen und Risiken

Rückgang des Neugeschäfts erwartet Quelle: V.E.R.S. Leipzig/EY

Während die Infektionszahlen mit dem Corona-Virus wieder ansteigen, sehen die deutschen Versicherer die Situation dennoch positiver als noch im Frühjahr dieses Jahres. Das geht aus einer Umfrage der Prüfungs- und Beratungsgesellschaft EY und der V.E.R.S. Leipzig GmbH hervor. 80 Prozent der befragten Vertreter der Assekuranz stimmen zwar auch im August/September noch der Aussage voll zu, dass aus der Corona-Krise Herausforderungen für die Versicherungwirtschaft entstehen. Gegenüber einer Vorgängerstudie aus dem Zeitraum März/April ist das jedoch ein Rückgang um 7 Prozentpunkte.

Vor allem die Herausforderungen im Bereich Schaden-/Leistungsfallbearbeitungen werden inzwischen deutlich entspannter beurteilt als noch im Frühjahr. Hier sank der Anteil der Zustimmung in den Topboxen von 67 auf 43 Prozent, beim Neugeschäft von 97 auf 87 Prozent. Leicht verschlechtert hat sich die Einschätzung für das Personalmanagement: Hier sehen inzwischen 67 (im Frühjahr 63) Prozent der Befragten Herausforderungen, bei der Betriebsorganisation sogar 77 Prozent, zehn Prozentpunkte mehr als im März/April.

Deutliche Rückgänge im bAV-Neugeschäft erwartet

Ganz konkret erwartet die Branche sehr stark oder stark steigende Schadenquoten bei Betriebsschließungsversicherungen, bei Veranstaltungs- und Reiserücktrittsversicherungen, aber auch bei Kredit- und Rechtsschutzversicherungen.

Was die Auswirkungen der Corona-Pandemie auf das Neugeschäft angeht, gehen die Einschätzungen auseinander: 47 Prozent der Befragten geben an, ihr Neugeschäft habe im Vergleich zum Vorjahr stark (10 Prozent) oder leicht (37 Prozent) abgenommen. Dagegen registrieren 40 Prozent eine starke (13 Prozent) oder leichte (27 Prozent) Zunahme.

Mit Blick auf die Zukunft rechnen 61 Prozent der Befragten damit, dass das Neugeschäft der Versicherer infolge der Corona-Krise stark (7 Prozent) oder leicht (54 Prozent) abnehmen wird. Auch in diesem Punkt haben sich die Erwartungen verbessert. Im Frühjahr erwarteten noch 84 Prozent einen starken (57 Prozent) oder leichten (27 Prozent) Neugeschäftsrückgang. Als Gründe für eine negative Entwicklung beim Neugeschäft nennen 77 Prozent den Coronabedingten reduzierten Aktivitätsgrad der Vertriebsmitarbeiter, 70 Prozent fehlende finanzielle Mittel der Bevölkerung.

Ein Rückgang des Neugeschäfts wird vor allem im Bereich der betrieblichen Altersvorsorge erwartet. Darin sind sich zwei Drittel der Befragten einig. Ebenfalls eine Mehrheit (55 Prozent) rechnet aufgrund der Corona-Krise mit einem rückläufigen Absatz bei kapitalbildenden Lebens- und Rentenversicherungen.

Die Branche sieht allerdings auch durchaus Chancen. Dem stimmen inzwischen 90 Prozent der Befragen voll (60 Prozent) oder eher (30 Prozent) zu. Bei der Vorgängerstudie waren das nur 28 beziehungsweise 34 Prozent. Einig waren und sind sich die Befragten darin, dass die Corona-Krise der Branche einen Digitalisierungsschub bringen und zu einer Flexibilisierung der Arbeitsmodelle führen wird. Erwartungen in Richtung Modernisierung des Vertriebs wurden inzwischen etwas relativiert. Diese sehen aktuell 60 Prozent der Befragten nach 70 Prozent im Frühjahr.

Rückgang des Neugeschäfts erwartet Quelle: V.E.R.S. Leipzig/EY

Mehr Neugeschäft bei Betriebsschließungsversicherungen

Positive Auswirkungen auf das Neugeschäft haben dürfte die Pandemie nach Einschätzung der Befragten vor allem bei Betriebschließungs- und Veranstaltungsausfallversicherungen (63 beziehungsweise 61 Prozent), im Privatkundenbereich bei Krankenzusatz- (59 Prozent), Reiserücktritts- (45 Prozent) und Rechtsschutzversicherungen (41 Prozent).

Über ein Kuriosum berichtet die R+V: Weil die Zeit im Homeoffice mehr Menschen dazu veranlasst hat, sich ein Haustier zuzulegen, hat der genossenschaftliche Versicherer im Juli und August dieses Jahres eine im Vergleich zum Vorjahr um 30 Prozent gestiegene Nachfrage nach Hundehaftpflichtversicherungen verzeichnet. Bei der Operationsversicherung für Hunde hat sich die Anzahl der Abschlüsse im Vergleich zum Vorjahr sogar mehr als verdoppelt.

Spürbarer Rückgang des Bankvertriebs

78 Prozent der befragten Unternehmen haben seit Beginn der Krise bereits eine starke oder leicht erhöhte Nutzung des Direkt-Vertriebskanals registriert. Sowohl kurz- als auch mittelfristig erwartet eine noch deutlichere Mehrheit eine weitere Zunahme.

Für den Bankvertrieb sind die Erwartungen der Branche dagegen mehrheitlich negativ. 15 Prozent der Befragten rechnen mit einer starken Abnahme des Neugeschäfts über den Vertriebskanal Bank, weitere 45 Prozent erwarten eine leichte Abnahme. Das korrespondiert mit den schlechten Erwartungen im Bereich Leben, der im Bankvertrieb noch immer einen stärkeren Stellenwert hat als der Bereich Schaden/Unfall. Die Corona-Krise stellt also einen weiteren Grund für Banken und Sparkassen dar, sich im Versicherungsvertrieb stärker um Produkte der Kompositsparte zu bemühen.

Bankvertrieb verliert an Bedeutung Quelle: V.E.R.S. Leipzig/EY

Steigender Beratungsbedarf?

Ganz im Gegensatz dazu steht die Beurteilung der Entwicklung des persönlichen Beratungsbedarfs der Kunden. Hier gehen die Meinungen zwar auseinander. Dabei zeigt die Tendenz allerdings eher in Richtung einer Zunahme - sowohl aktuell als auch kurz- und mittelfristig.

- Jeder Dritte nimmt seit dem Ausbruch der Corona-Krise in Deutschland einen erhöhten Beratungsbedarf wahr, 23 Prozent einen gesunkenen.

- 43 Prozent erwarten kurzfristig eine Zunahme des Beratungsbedarfs, 26 Prozent einen Rückgang.

- Auch in der mittelfristigen Perspektive überwiegt die Erwartungshaltung, dass die Nachfrage nach Beratung steigen wird (46 Prozent gegenüber 13 Prozent), die einen Rückgang erwarten. Im Vergleich zur Umfrage vom März/April dieses Jahres hat sich diese Einschätzung in der mittelfristigen Perspektive sogar noch einmal verstärkt.

Negative Imageeffekte

In Sachen Image kann die Branche nicht von der Corona-Krise profitieren - eher im Gegenteil. Zwei Drittel der Befragten sind der Meinung, die Pandemie habe sich leicht negativ auf das Branchenimage ausgewirkt, drei Prozent sehen sogar stark negative Effekte. Demgegenüber sehen lediglich 21 Prozent das Image leicht zum Besseren verändert.

Positiv auf das Image zahlen nach Einschätzung der Befragten vor allem neue oder optimierte digitale Kundenschnittstellen ein, die infolge der Corona-Krise neu geschaffen oder verbessert wurden, gefolgt von Kulanzzahlungen für Schäden und finanzielle oder materielle Unterstützung lokaler sozialer Einrichtungen. Die Diskussion um die Abdeckung der Pandemiefolgen durch Betriebsschließungsversicherungen hat dem Branchenimage den fast einhelligen Einschätzungen der Branchenvertreter zufolge dagegen massiv geschadet. Das meinen 60 Prozent der Befragten, weiteren 33 Prozente sehen hier leichte negative Effekte.

Diese könnten sich in Zukunft eher noch verstärken. Denn fast jeder dritte Versicherer wird der Umfrage zufolge die Deckung von Pandemierisiken durch Versicherungsprodukte künftig einschränken. Gegenüber der Umfrage vom März/April hat sich dieser Anteil mehr als verdoppelt. Damals gaben 13 Prozent der Branchenvertreter an, die Deckung von Pandemierisiken künftig stark einschränken zu wollen. 38 Prozent dachten im Frühjahr sogar noch an eine Ausweitung - aktuell nur noch 5 Prozent. Um künftigen Imageschäden vorzubeugen, wird es deshalb darauf ankommen, in der Beratung klar zu thematisieren, ob und in welchem Umfang Pandemierisiken durch eine Police abgedeckt werden - auch wenn das einen Teil des erwarteten zusätzlichen Neugeschäfts in diesem Bereich kosten wird.

Schlechte Neugeschäftserwartungen für die Altersvorsorge Quelle: V.E.R.S. Leipzig/EY

Zu spüren bekommen werden die Krise wohl auch die Kunden der Lebensversicherer: Hier erwarten 42 Prozent der Befragten eine verringerte Überschussbeteiligung infolge der Corona-Krise. Auch hier haben sich die Erwartungen im Vergleich zum Frühjahr eingetrübt. Damals ging nur jeder Vierte Befragte von einem Sinken der Überschussbeteiligung durch Corona aus.

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