KONSUMENTENKREDIT

Corona-Moratorium als Dauer-Krisenklausel?

Kurz vor der für Ende Juni angekündigten Veröffentlichung eines Richtlinienentwurfs für die neue Verbraucherkreditrichtlinie durch die EU-Kommission haben sich die Verbraucherschützer in Deutschland wieder einmal in Stellung gebracht. Wer sich noch an die vor Jahren geführte Diskussion um ein "Recht auf Kredit" erinnert, der dürfte sich bei der Lektüre des Positionspapiers "Die verbraucherorientierte Kreditbeziehung", das der Verbraucherzentrale Bundesverband (VZBV) e.V., Berlin, am 11. Juni veröffentlicht hat, erstaunt die Augen reiben. Denn während es damals um eine vermeintlich zu strenge Bonitätsprüfung ging, verkehrt sich der den Banken gemachte Vorwurf jetzt nahezu ins Gegenteil.

Als "Störfaktoren" in der Kreditbeziehung bezeichnet der VZBV eine unzureichende Kreditprüfung, bei der die finanzielle Situation der Verbraucher und die Auswirkungen des Kredits auf das Budget nicht ausreichend analysiert werden, ferner "ungeeignete Kredite", die bei Kreditsumme, Laufzeit oder Kosten an den Bedürfnissen der Verbraucher vorbeigehen, sowie mangelnde Flexibilität bei persönlichen Krisenereignissen wie Einkommensverlusten durch Arbeitslosigkeit, Kurzarbeit oder Krankheit. Weiterer Kritikpunkt ist die Kreditvermittlung im Handel, bei der der Verkauf der Ware und die Vermittlung der Finanzierung durch dieselbe Person erfolgen, wodurch Verbraucher verleitet werden könnten, Produkte zu finanzieren, die ihre finanziellen Möglichkeiten übersteigen. Hinzu kommen die Zersplitterung der Aufsicht bei der gewerblichen Kreditvermittlung zwischen Gewerbeämtern und den Preisaufsichtsbehörden der Bundesländer und das Dauerthema Restschuldversicherung.

Der Weg in einen "funktionalen Verbraucherkreditmarkt" führt nach Ansicht des VZBV über eine umfassende Haushaltsanalyse, bei der es nicht allein darum gehen soll, ob die Kreditraten leistbar sind, sondern die Angaben über Einnahmen, Ausgaben, vorhandenes Vermögen und bestehende Verbindlichkeiten wie zum Beispiel Unterhaltszahlungen sowie bekannte künftige finanzielle Veränderungen beinhaltet. Für den Fall, dass sich die Zahlungsfähigkeit der Kreditnehmer durch persönliche Krisenereignisse verschlechtert, sollten diese zudem die Möglichkeit erhalten, zeitlich befristet eine flexible Anpassung der Kreditkonditionen vornehmen zu können.

Niedrigschwellige Finanzierungen wie Mini- und Kurzzeitkredite mit einem Nettodarlehensbetrag unter 200 Euro beziehungsweise einer Laufzeit von unter drei Monaten sollen von der Liste der Ausnahmen im Verbraucherkreditrecht gestrichen werden. Und die vornehmlich im Handel angebotene Nullprozentfinanzierung soll nach den Vorstellungen des VZBV vollständig vom Verbraucherkreditrecht erfasst, die Befreiung von der gewerberechtlichen Erlaubnisplicht soll gestrichen werden.

Nicht zuletzt sollen die Aufsicht über Verbraucherkredite vollständig auf die BaFin übergehen, die Vermittlung von Restkreditversicherungen zeitlich vom Kreditabschluss entkoppelt und ihre Kosten in den effektiven Jahreszins eingerechnet werden. Abgerundet wird der Forderungskatalog mit einem Maßnahmenpaket zum Thema Werbung. Hier müsse die Spanne der angebotenen Zinssätze angegeben werden ("von - bis"). Zudem sollten die Anbieter die Einhaltung der Zwei-Drittel-Regel durch Dokumentation nachweisen müssen und die BaFin die Kompetenzen für Überwachung, Ermittlung und Sanktionen bei Verstößen gegen die Preisangabenverordnung erhalten.

Unter dem Strich heißt das: Die Hürden für die Aufnahme eines Verbraucherkredits würden erheblich steigen - sowohl was die Auskunftspflichten betrifft als auch mit Blick auf die Ablehnungsraten. Bei Verbrauchern würden die geforderten Maßnahmen vermutlich größtenteils auf wenig Gegenliebe stoßen. Wer eine neue Küche oder auch nur einen Fernseher finanzieren möchte, wird vielleicht wenig begeistert sein, wenn hierzu auch Angaben zu Sparguthaben, Depotvolumen oder Unterhaltszahlungen zu machen sind. Viele Verbraucher würden dies vermutlich als Schikane oder als unverhältnismäßig im Vergleich zur Kredithöhe bewerten. Und die für Verbraucher bequeme Finanzierung direkt am PoS wäre bei Umsetzung der Forderungen mindestens aufwendiger als bisher. Immerhin wären solche Maßnahmen mit einem verbesserten Schutz vor Überschuldung zu rechtfertigen.

Bei der Forderung nach einer "Krisenklausel" die Verbrauchern die Anpassung der Kreditkonditionen an geänderte Lebenssituationen wie Arbeitslosigkeit, reduzierte Arbeitszeit, Krankheit oder Scheidung ermöglicht, sieht das anders aus. Einerseits will man den Vertrieb von Restkreditversicherungen, die genau diese Risiken absichern, limitieren - denn man wird wohl davon ausgehen dürfen, dass die zeitliche Entkoppelung vom Kreditabschluss die Abschlussraten deutlich sinken lassen würde. Andererseits soll ein neues (für den Schuldner vermutlich kostenloses) Sicherheitsnetz im Kreditvertrag eingezogen werden.

Hier fordert ein vom VZBV in Auftrag gegebenes Gutachten des Instituts für Finanzdienstleistungen (iff), die Logik des pandemiebedingten Zahlungsmoratoriums auf pandemieunabhängige Krisen zu übertragen, um dem Darlehensnehmer für die Dauer der liquiditätsbedingten Krise "Luft zu verschaffen". Vorgeschlagen wird beispielsweise, eine Anpassung der Darlehensrate in Abhängigkeit von einem durch Jobverlust oder Krankheit eingetretenen Einkommensrückgang zu normieren, gegebenenfalls zeitlich gedeckelt auf zum Beispiel sechs Monate oder ein Jahr, um das Risiko des Kreditgebers überschaubar zu halten. Das ändert jedoch nichts daran, dass es im Grunde darum geht, die Risiken für die Hauptursachen für Zahlungsschwierigkeiten vom Schuldner auf den Gläubiger zu übertragen. Red.

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