AUSLAND

Drastisches Filialsterben in Großbritannien

298 Bankfilialen in Großbritannien sind an weniger als fünf Wochentagen geöffnet Quelle: Which?

Wenn es um Entwicklungen rund um die Digitalisierung im Bankgeschäft geht, tut es gut, immer wieder einmal nach Großbritannien zu schauen. Natürlich ist nicht alles, was dort zu beobachten ist, eine Blaupause für Deutschland. Aber die Entwicklung beim kontaktlosen Bezahlen zeigt doch, dass vieles, was sich dort vollzieht, auch in Deutschland so kommen kann. Aus diesem Grund hat eine Untersuchung des britischen Verbraucherschutzunternehmens Which hohe Aufmerksamkeit erregt.

Erst im November hatte Which berichtet, dass Großbritannien in den vergangenen 30 Jahren zwei Drittel der Bankfilialen verloren hat. Deren Zahl belief sich 1988 noch auf 20 583 und sank bis 2018 auf 7 586. Jeder fünfte Brite lebt demnach inzwischen mehr als drei Kilometer von der nächsten Bankfiliale entfernt, für etwa jeden zehnten beträgt die Entfernung mehr als fünf Kilometer. Einer Ende September veröffentlichten Analyse zufolge wurde allein in den letzten vier Jahren - von 2015 bis August 2019 - mehr als ein Drittel aller britischen Bankfilialen geschlossen. Insgesamt wurden 3 303 Geschäftsstellen aufgegeben. Führend sind dabei die vier größten Institute: Royal Bank of Scotland, Barclays, HSBC und Lloyds Banking Group.

Vom Filialabbau betroffen sind der Untersuchung zufolge vor allem ländliche Gebiete. Which hat sogar einen ersten Wahlbezirk ausgemacht, in dem es keine einzige Bankfiliale mehr gibt: Wentworth und Dearne in Yorkshire mit immerhin 98 000 Einwohnern. In 8 Wahlbezirken ist lediglich ein Filialstandort übriggeblieben, in 18 weiteren sind es zwei.

Zudem wurden in den verbleibenden Standorten die Öffnungszeiten teils drastisch reduziert. Von den noch geöffneten Niederlassungen haben 298 mittlerweile reduzierte Öffnungszeiten von vier Tagen pro Woche oder weniger. 11 Bankfilialen im Land sind lediglich an einem einzigen Wochentag geöffnet, 45 an zwei und 88 an drei Tagen pro Woche. Extrembeispiel ist ein Standort der RBS in Stronsay, der lediglich an einem Wochentag von 9.15 bis 14.45 Uhr geöffnet ist - und selbst diese können wetterbedingt nicht gesichert werden, da das Insel-Hopping des einzigen Mitarbeiters von der Fährverbindung abhängt. Bei Nebel kann da die Filiale schon einmal mehrere Wochen geschlossen sein.

Nur eine britische Bank, die Nationwide Building Society, setzt noch verstärkt auf Präsenz vor Ort und betreibt heute im Vergleich zu 2015 noch 96 Prozent der Standorte. Which zufolge hat die Nationwide versichert, dass jede Gemeinde, in der sie aktiv ist, zumindest bis ins Jahr 2021 eine Filiale haben wird.

Die britischen Verbraucherschützer nehmen das zum Anlass zu warnen: Immerhin rund jeder dritte Brite erledigt seine Bankgeschäfte noch nicht online. Diese Menschen drohen nun auf der Strecke zu bleiben, zumal auch die Infrastruktur zur Bargeldversorgung immer mehr ausgedünnt wird. Laut einer im Mai veröffentlichten Analyse des wissenschaftlichen Dienstes des britischen Parlaments ist 2018 im vereinigten Königreich erstmals die Anzahl der kostenfrei zu nutzenden Geldautomaten im Vergleich zum Vorjahr gesunken, und zwar um 4,8 Prozent auf 52 000 Geräte. Bei den nur gegen Entgelt zu nutzenden Geldautomaten betrug der Rückgang sogar 20,1 Prozent auf 11 100 Automaten. Re

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