Finanznorm DIN 77230 - Branche noch bei der Meinungsbildung

Finanznorm nur in jedem zehnten Unternehmen noch kein Thema Quelle: Ajco

Noch ist die "Finanznorm" DIN 77230 "Basis-Finanzanalyse für Privathaushalte" in der Praxis nicht recht angekommen. Das geht aus einer Umfrage von Ajaco unter 50 Vertretern von Banken, Versicherungen, Unternehmensberatungen, Maklerunternehmen und Finanzsoftware-Herstellern hervor. Eine Beschäftigung mit der Finanznorm findet zwar durchaus statt, aber die Meinungsbildung ist längst noch nicht abgeschlossen.

Fast die Hälfte der Befragten (49 Prozent) hat sich bereits intensiv mit dem Thema beschäftigt und sich eine erste Meinung gebildet, weitere 39 Prozent zumindest soweit, dass sie glauben, es inhaltlich einordnen zu können. Im beruflichen Umfeld ist die Finanznorm bei 49 Prozent der Studienteilnehmer schon einmal als Randthema aufgetaucht, ohne jedoch zu einer intensiveren Auseinandersetzung geführt zu haben. Bei 41 Prozent ist das Thema aktuell und genießt hohe Managementaufmerksamkeit. Nur jedem Zehnten ist die DIN 77230 im beruflichen Umfeld noch gar nicht begegnet.

Bei der Beschäftigung mit der Norm stehen aktuell die Standardisierung und Digitalisierung des Beratungsgeschäfts sowie die allgemeine Unternehmensstrategie (Chance oder Risiko?) im Vordergrund (65 beziehungsweise 60 Prozent). Mit weitem Abstand folgt mit 38 Prozent die Frage aktueller und zukünftig zu erwartender regulatorischer Anforderungen. Marketingstrategie und Marketingmaßnahmen im Zusammenhang mit der Finanznorm oder die Evaluierung für Beratungssoftware waren erst bei jeweils 28 Prozent der Unternehmen ein Thema.

Mehr als die Hälfte der Studienteilnehmer geht deshalb auch davon aus, dass die Finanznorm zwar aktuell noch keine Bedeutung für die Branche hat, dass sich das jedoch bei stärkerer Marktdurchdringung ändern kann. 39 Prozent gehen sogar davon aus, dass sich die Norm zu einem wichtigen Baustein für bessere Beratungsqualität entwickeln und sich als Marktstandard etablieren wird. Dass die Norm auch künftig keine nennenswerten Auswirkungen auf die Branche hat, erwarten nur 5 Prozent.

Die Hoffnungen, dass sich durch die Norm Verbrauchervertrauen zurückgewinnen lässt, sind hoch. Dass das möglich ist, glauben 63 Prozent der Befragten. Ebenso viele erwarten, dass durch die Norm zur Standardisierung von Beratungsangeboten führen wird, beinahe genauso viele erwarten bessere Beratungsqualität und eine knappe Mehrheit (51 Prozent) auch eine Verbesserung des Cross-Selling für Banken und Versicherungen. Eine Kostensenkung für die Anbieter von Finanzberatung prognostiziert immerhin mehr als jeder Vierte (29 Prozent). Als Innovationsthema sieht die Branche die Finanznorm dagegen eher nicht. Weniger als jeder Zehnte geht davon aus, dass sie zum Treiber für innovative Fiinanzprodukte werden könnte.

Unter dem Strich heißt das: Noch lässt sich nicht prognostizieren, ob sich die Finanznorm im Markt durchsetzt. Dafür bräuchte es vermutlich die Initiative einiger namenhaften Branchengrößen, die eine Vorreiterrolle einnehmen und das auch medienwirksam kommunizieren. Dann könnte Dynamik in den Markt kommen, der sich andere Markttteilnehmer irgendwann nicht mehr entziehen können.

Es könnte allerdings auch ganz anders kommen. Wenn sich nämlich die Branche mit der Meinungsbildung darüber, ob sie die Finanznorm in der Beratung einsetzen will, zu viel Zeit lässt, könnte die Politik (auch auf Druck von Verbraucherschützern) die Geduld verlieren und neue gesetzliche Vorgaben auf den Weg bringen. Dann wäre es wieder einmal nichts mit der "Selbstregulierung" der Branche auf dem Weg über die gemeinsam entwickelte Norm. Red.

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