Direktbanken

ING-Diba: Strategische Reserven genutzt

In Zeiten niedriger Zinsen oder in manchen Segmenten gar Negativzinsen ist es für Kreditinstitute mit einem Geschäftsschwerpunkt im Einlagengeschäft schwer, das bisherige Ertragsniveau auch nur zu halten. Denn speziell im Privatkundengeschäft werden sich negative Einlagenzinsen am Markt kaum durchsetzen lassen. Und damit droht dieses Segment im harten Wettbewerb mehr und mehr zum Zusatzgeschäft zu werden.

Wie sehr die in diesem Geschäftsfeld verankerten Kreditinstitute unter der momentanen Zinssituation leiden, zeigt sich beispielsweise an den Sparda-Banken. Galten diese lange Zeit in der Genossenschaftsorganisation und darüber hinaus als Musterbeispiel für eine effiziente Marktbearbeitung im Privatkundensegment, läuft inzwischen nur noch die private Baufinanzierung gut, während sich die Institute auf der Einlagenseite mit immer niedrigeren Margen zufriedengeben müssen. Selbst das traditionell als wirksames Marketinginstrument genutzte kostenlose Girokonto steht deshalb bei vielen Sparda-Banken zur Disposition und ist in einigen Häusern faktisch abgeschafft worden.

Vor einem ähnlichen Dilemma steckt auch die ING-Diba, die das Volumen ihrer Kundeneinlagen von 55 Milliarden Euro im Jahre 2005 auf 116 Milliarden Euro im Berichtsjahr 2015 mehr als verdoppelt hat. Mit einer zum Stichtag Ende 2015 um weitere 8 Milliarden Euro auf inzwischen 144 Milliarden Euro gestiegenen Bilanzsumme hat es die Bank der Größe nach in diesen Jahren unter das erste Dutzend der hiesigen Bankenszene geschafft. Und doch hat sie sich bei allem Wachstum nicht nur ihren eigenen Stil, sondern auch strategische Flexibilität bewahrt. Das mittlerweile schon über viele Jahre gepflegte Image einer übersichtlichen Strategie mit einer überschaubaren Anzahl an Dienstleistungen und Produkten sowie dem Anspruch auf eine Beschränkung auf das Wesentliche wird weiterhin ganz bewusst gepflegt - bis hin zur Präsentation der Geschäftszahlen 2015.

Dass die Tochter der niederländischen ING Group sich bei ihrer Berichterstattung im Zweifel kürzer fassen kann als andere hiesige Häuser vergleichbarer Größenordnung ist nachvollziehbar, schließlich veröffentlicht die Muttergesellschaft die Konzernzahlen regelmäßig schon vorab. Aber die Frankfurter Tochter kommt in ihrer Bilanzpressekonferenz eben mit einem zweiseitigen Flyer und einer ebenso langen beziehungsweise kurzen Pressemitteilung aus, ohne den Eindruck zu hinterlassen, wesentliche Aspekte außen vor zu lassen.

Die drei wichtigsten Botschaften des Berichtsjahres 2015 wurden jedenfalls klar transportiert. Das 50. Jahr nach Gründung brachte einmal mehr einen Nettozuwachs an Kunden sowie ein Wachstum in allen Geschäftsbereichen. Gerade der zuletzt forcierte Geschäftsbereich des Wholesale Banking entwickelt sich mit einem Anstieg der Firmenkundenkredite um 78 Prozent auf 15,5 Milliarden Euro besonders gut.

Und drittens hat sich die Bank den Anspruch Digital Leadership auf die Fahne geschrieben und dafür verschiedene Initiativen gestartet, mit denen sie auch in der Phase einer zunehmenden Digitalisierung des Bankgeschäftes ihre Kosteneffizienz wahren will. In welchen Dimensionen die Bank sich an dieser Stelle bewegt, wird an der Cost Income Ratio von 40 (44) Prozent deutlich.

Auf dieser gesicherten Basis konnte und kann sich die ING-Diba intensiv der Absicherung ihrer Zukunftsentwicklung widmen. In den Jahren ihres kontinuierlichen Wachstums hat sie stets den kontrollierten Ausbau ihrer Geschäftsfelder vorangetrieben. Waren im Geschäftsjahr 2005 noch rund 67 Prozent des Geschäftsvolumens den Spareinlagen zuzuordnen, sind das per Jahresende 2015 nur noch 48 Prozent. Maßgeblich an Bedeutung gewonnen hat in dieser Zeit die Baufinanzierung mit knapp 27 Prozent (2005 rund 19,5 Prozent). Und ganz neu aufgebaut wurde in den vergangenen 5 Jahren das im Berichtsjahr so kräftig gewachsene Wholesale Banking, das mittlerweile auch schon knapp 6,5 Prozent zum Geschäftsvolumen beisteuert.

Gerade die stärkere Forcierung des Kreditgeschäftes kommt in diesen Zeiten des Niedrigzinsszenarios ungemein der Ertragsrechnung zugute. Zwar sind die Personalkosten mit 9 Prozent wie auch die Sachkosten mit 8 Prozent recht deutlich angestiegen. Aber die Erlöskomponenten Zinsergebnis mit plus 11 Prozent und Provisionsergebnis mit plus 20 Prozent weisen noch größere Steigerungsraten auf.

Dank der bisher noch überschaubaren Marktanteile im einstelligen Prozentbereich darf die ING-Diba in den nächsten 15 Jahren sogar eine nochmalige Verdopplung des Marktanteils für möglich halten. Im Wholesale Banking dürften die Ziele noch ehrgeiziger sein. Hier strebt die Bank in einem noch kürzeren Zeitraum eine Verdreifachung der Kernbankbeziehungen an - von heute rund 100 auf dann 300 Unternehmenskunden. Mo

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