Altersvorsorge im Umbruch

Aktien in der Altersvorsorge: Die Politik ist gefordert

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Die Gründe für die Aktienabstinenz der Deutschen sind schon viel diskutiert worden. Auch Christine Bortenlänger verweist in diesem Zusammenhang auf die verbesserungswürdige Finanzbildung der Verbraucher. Daneben sieht sie jedoch den Gesetzgeber am Zug. Eine Riester-Regulierung etwa, die den Kapitalerhalt in den Mittelpunkt stellt, kann nur Rendite kosten, so ihre Kritik. Da sich jedoch die Mittel, die in die Altersvorsorge investiert werden können, nicht beliebig erhöhen lassen, sieht sie die Politik gefordert, ihren Teil zu einer nachhaltigen Rentenlösung beizutragen. Red.

Zu wissen, dass man für das Alter finanziell ausgesorgt hat, ist ein beruhigendes Gefühl. Doch wie hoch wird vor dem Hintergrund der immer älter werdenden Bevölkerung die gesetzliche Rente wirklich ausfallen? Was müssten die Bürger tun, um selbst mehr Vermögen für das Alter aufzubauen? Was kann der Staat tun, um die Menschen besser bei ihrer Altersvorsorge zu unterstützen? Auch wenn das Thema nicht den Beliebtheitspreis gewinnt, müssen wir uns in Deutschland diesen Fragen stellen.

Zwar hat die Politik in den achtziger Jahren noch vollmundig versprochen, dass die Rente sicher ist. Leider gilt dieses Versprechen nicht für die Höhe der Rentenansprüche, denn das Rentenniveau vor Steuern sinkt seit Jahren. 1990 lag es noch bei 55 Prozent des durchschnittlichen Jahresentgelts. In gerade einmal 15 Jahren, also 2030, wird das Rentenniveau voraussichtlich nur noch 43 Prozent betragen.

Ein wesentlicher Grund für diese Rentenlücke ist die demografische Entwicklung. Die nächsten Jahre werden auf dramatische Art und Weise die Schwächen des gesetzlichen Umlageverfahrens offenbaren, in dem die jüngeren, berufstätigen Bürger über ihre Rentenbeiträge die Renten der älteren Generation zahlen, die bereits aus dem Erwerbsleben ausgeschieden ist.

Eigentlich ist es sehr erfreulich, dass die Deutschen immer länger leben. Bei relativ schwachen Geburtenraten heißt dies aber auch, dass immer weniger Berufstätige zur Finanzierung der Rentenansprüche der Älteren zur Verfügung stehen. Im Jahr 2009 haben rund drei Berufstätige einen Rentner finanziert, während es 1970 noch vier waren. Im Jahr 2030 dürfte diese Zahl auf nur noch zwei sinken.

Rentenlücke am besten mit Aktien schließen

Wegen des demografischen Wandels wird die Leistungsfähigkeit des gesetzlichen Rentensystems zwangsläufig nachlassen. Um den Lebensstandard im Alter halten zu können, müssen die Deutschen daher mehr Geld im Rahmen ihrer privaten Altersvorsorge zurücklegen. Aktien eignen sich hierfür hervorragend, was sich anhand des DAX-Rendite-Dreiecks des Deutschen Aktieninstituts leicht nachvollziehen lässt (siehe Abbildung 1).

Es zeigt für jeden beliebigen Anlagezeitraum der letzten 50 Jahre die durchschnittliche jährliche Rendite, die sich aus Kursentwicklung und Dividendenausschüttungen ergibt. Die entscheidenden Botschaften sind, dass langfristig in Aktien investierte Gelder stattliche Renditen abwerfen und sich durch breite Streuung und langem Atem Verlustrisiken wirksam begrenzen lassen. Dies gilt selbst bei extrem ungünstigen Einstiegszeitpunkten.

Vor allem die langen Anlagezeiträume, die bei der Altersvorsorge vorliegen, sprechen für das Investment in Aktien. So lässt sich anhand des Rendite-Dreiecks für Anlagezeiträume von 30, 40 oder 45 Jahren ablesen, dass in diesem Berechnungszeitraum die Rendite niemals unter 6 Prozent jährlich lag.

So überrascht es nicht, dass die Aktie im Vergleich zu festverzinslichen Geldanlagen auch im langjährigen Vergleich und unabhängig vom aktuell herrschenden Zinsniveau überzeugt. Bei langfristigem Anlagehorizont erzielen Aktien einen Renditevorsprung von rund zwei Prozentpunkten gegenüber festverzinslichen Anlagealternativen wie Staatsanleihen. Zwar erscheinen diese zwei Prozent zunächst nicht allzu viel. Durch den Zinseszinseffekt wirken sie jedoch wie ein Turbo für das Wertpapierdepot, der sich in einem wesentlich höheren Endvermögen bemerkbar macht.

Die Deutschen sind Aktienmuffel

Trotz dieser offensichtlichen Vorteile meiden die Deutschen Aktien noch immer und sehen damit von einem wichtigen Renditetreiber für den langfristigen Vermögensaufbau ab. Nur sieben von 100 Deutschen investieren in Aktien. Aktuelle Zahlen zeigen, dass die Zahl der Aktienbesitzer in Deutschland jüngst sogar gesunken ist - obwohl sich der Deutsche Aktienindex Dax seit 2009 im Wert verdoppelt hat.

Dies ist eine fatale Entwicklung. Die Scheu der Deutschen vor den Risiken der Aktienanlage muss endlich überwunden werden, damit das Auskommen der Bevölkerung im Alter auch künftig gesichert werden kann. Aber warum verzichten die Deutschen weitgehend auf Aktien als Baustein ihrer Altersvorsorge? Die Angst vor einem risikoreicheren Investment allein kann es nicht sein, denn die Deutschen sind durchaus bereit, viel Geld in den Grauen Kapitalmarkt zu investieren, obwohl in den Medien regelmäßig über Verluste in Milliardenhöhe in diesem Bereich berichtet wird.

Ein Grund für die Aktienabstinenz der Deutschen ist das geringe Wissen über Geldthemen und somit auch über Altersvorsorge und Aktien. Deshalb fällt es ihnen häufig schwer, wirtschaftliche Zusammenhänge zu verstehen und sie kritisch zu bewerten.

Gründe für die Aktienabstinenz: Mangelnde Finanzbildung ...

Um des Themas "unzureichendes Finanzwissen" Herr zu werden, fordert das Deutsche Aktieninstitut schon seit Jahren ein Schulfach Ökonomie, in dem die Schüler unter anderem auch über das Einmaleins der Geldanlage informiert werden. Lang gehegte politische Grabenkämpfe über die Zielrichtung eines solchen Wirtschaftsunterrichts müssen endlich ad acta gelegt werden, damit die nachfolgenden Generationen zu mündigen Anlegern heranwachsen können, die besser in der Lage sind, kritisch die Kapitalanlageangebote zu hinterfragen und damit seriöse von unseriösen zu unterscheiden.

In diesem Zusammenhang ist das Vorhaben der Landesregierung in Baden-Württemberg, den Lehrplan an den Schulen um das Fach "Wirtschaft, Berufs- und Studienorientierung" zu ergänzen, grundsätzlich zu begrüßen. Allerdings bleibt abzuwarten, wie dieses Vorhaben umgesetzt wird und ob es Nachahmung in anderen Bundesländern findet.

... und das System der gesetzlichen Altersvorsorge

Auch das System der gesetzlichen Altersvorsorge in Deutschland trägt dazu bei, dass sich die Deutschen mit dem Thema Aktienanlage nicht genügend auseinandersetzen.

- Zwar fördert der deutsche Gesetzgeber mit der Riester- und Rürup-Rente nun den Ausbau der kapitalgedeckten Altersvorsorge und reagiert damit auf die abnehmende Leistungsfähigkeit des Umlageverfahrens.

- Allerdings verhindern die regulatorischen Anforderungen insbesondere bei der Riester-Rente umfassende Investitionen in renditeträchtige Aktien. Deshalb kann die Riester-Rente bis heute nicht die in sie gesteckten Erwartungen erfüllen. Weniger Regulierung hätte dem Bürger hier deutliche Vorteile gebracht.

So engt die Vorgabe, dass mindestens die vom Sparer geleisteten Einzahlungen zu erhalten und gegebenenfalls zusätzlich eine Mindestverzinsung erwirtschaftet werden muss, die Anbieter von Altersvorsorgeverträgen in ihrer Anlageentscheidung deutlich ein. Diese Anforderung ist nämlich regelmäßig am einfachsten mit festverzinslichen Wertpapieren zu erreichen, bei denen die Rückflüsse aus Investments besser planbar sind als bei Aktien. Die Aktienanlage ist in der kurzen Frist per se schwankungsanfälliger, was immer mit dem Risiko verbunden ist, dass der Kapitalerhalt vorübergehend nicht erreicht wird.

Dementsprechend werden die Beiträge aus den rund 11 Millionen Riester-Versicherungsverträgen, die den Hauptanteil der insgesamt 16 Millionen Riester-Verträge ausmachen, kaum in Aktien angelegt. Insgesamt ist ja die Aktien quote der deutschen Lebensversicherer von nicht einmal vier Prozent deutlich ausbaufähig.

Grundproblem Kapitalerhalt

Der Kapitalerhalt erschwert selbst die Aktienanlage bei Riester-Fondssparplänen, die immerhin von drei Millionen Anlegern genutzt werden. Hier gibt es zwar die Möglichkeit der Lebenszyklusfonds, das heißt der Anteil von Aktien an den gesamten Ersparnissen ist insbesondere bei jüngeren Sparern besonders hoch, kann dementsprechend - je nach Risikoneigung - bis zu 100 Prozent betragen und wird mit zunehmendem Alter abgesenkt.

Jeder Riester-Fondssparer hat allerdings schon einmal die Erfahrung gemacht, dass der Fonds gerade bei fallenden Kursen Aktien verkauft und diese Gelder in festverzinsliche Wertpapiere umschichtet. Der Grund ist die Befürchtung der Fondsanbieter, den Kapitalerhalt nicht gewährleisten zu können, selbst wenn das Renteneintrittsalter noch in weiter Ferne liegt. Steigen die Kurse, werden die Mittel wieder aus den festverzinslichen Wertpapieren in Aktien umgeschichtet. Insgesamt ist also die Anforderung des Kapitalerhalts damit verbunden, dass Aktien bei fallenden Kursen verkauft und bei steigenden gekauft werden. Dieses Anlageverhalten kostet Rendite.

Der Kapitalerhalt in der Riester-Rente, so gut er gemeint ist, gehört also auf den Prüfstand. Dies entspricht auch einem internationalen Trend, der sich weg von einer vorab definierten Auszahlungshöhe in der Rentenphase ("defined benefits") - dazu gehört auch ein garantierter Kapitalerhalt - hin zu fixen Beiträgen während der Einzahlungsphase ("defined contributions") bewegt.

Von anderen Ländern lernen

Während in Deutschland das gesetzliche Umlageverfahren weiterhin die wichtigste Stütze der Altersvorsorge ist, nutzen andere Länder bereits seit längerem den Kapitalmarkt und Aktien viel stärker in ihrem Rentensystem. Abbildung 2 zeigt, dass in vielen anderen Ländern die kapitalgedeckte Altersvorsorge schon sehr weit ausgebaut ist. So haben beispielsweise niederländische, kanadische oder amerikanische Haushalte im Rahmen ihrer Altersvorsorge Geld in Höhe von fast dem Anderthalbfachen des Bruttoinlandsprodukts in Kapitalmarktprodukte wie Aktien und Anleihen gesteckt. In Deutschland sind dies gerade einmal sechs Prozent.

In der Regel spielen Aktien in der kapitalgedeckten Altersvorsorge eine große Rolle. Dies zeigt das Beispiel USA. Im Jahr 2013 machten Aktien mehr als 50 Prozent der gesamten Vermögensgegenstände der Altersvorsorge aus. Alleine aus den Individual Retirement Accounts (IRA), in die 46 Millionen amerikanische Haushalte sparen, fließen mehr als 4,4 Billionen US-Dollar an den Aktienmarkt. Der Trend hin zu defined contributions ist in den USA sehr eindrucksvoll: Im Jahr 1994 waren die Gelder aus betrieblichen und privaten Altersvorsorgeplänen mit fixen Beitragszahlungen zu etwas mehr als 40 Prozent der Vermögensgegenstände der US-Altersvorsorge investiert. Im Jahr 2014 waren es schon 60 Prozent. Parallel dazu ist auch der Aktienanteil um rund 10 Prozentpunkte gestiegen.

Aber auch Schweden, das sich in Deutschland wegen seiner bekanntermaßen umfassenden Sozialsysteme möglicherweise besser als Vorbild nutzen lässt als die USA, hat Ende der neunziger Jahre ein starkes Element der Kapitaldeckung in sein Rentensystem eingebaut: Die Prämienrente, die ebenfalls auf reinen Beitragszusagen basiert. Von dem Rentenbeitrag in Höhe von 18,5 Prozent des Einkommens (rund 10 Prozent werden hier von dem Arbeitgeber gezahlt) fließen 16 Prozent in eine Rente, die auf dem Umlageverfahren basiert, und 2,5 Prozent in die kapitalgedeckte Prämienrente.

Bei der Prämienrente können die Versicherten entsprechend ihrer Risikopräferenz aus fast 800 behördlich zugelassenen Fonds (Aktien-, Renten- oder Mischfonds) bis zu fünf Fonds auswählen. Der Anteil reiner Aktienfonds beträgt 2013 fast 60 Prozent. Wird keine individuelle Anlageentscheidung getroffen, werden die Beiträge automatisch in einen durch eine staatliche Behörde verwalteten Standardfonds investiert. Im Jahr 2014 machte der Anteil an Aktien 90 Prozent des gesamten Fondsvermögens aus. Die Versicherten können zwischen drei unterschiedlichen Anlagealternativen mit einem Aktienanteil von 33 bis 75 Prozent wählen. Die Prämienrente gehört wie die Einkommensrente in Schweden zu der obligatorischen Vorsorge, das heißt, dass alle Arbeitnehmer in die Prämienrente einzahlen müssen. Nicht von ungefähr ist fast jeder sechste Schwede in Aktien investiert.

Stärker kapitalgedeckte Rente darf kein Tabuthema sein

Es ist klar, dass nicht einfach einzelne Programme aus anderen Ländern auf Deutschland übertragen werden können. Doch es stellt sich die Frage, mit welchen Altersvorsorgeinstrumenten die Politik dem demografischen Wandel und der voraussichtlich noch auf Jahre andauernden Niedrigzinsphase begegnen will.

Wenn in einer alternden Gesellschaft immer weniger Berufstätige für immer mehr Rentner aufkommen müssen und letztlich das Äquivalenzprinzip von Leistung und Gegenleistung in Gefahr gerät, darf eine stärker kapitalgedeckte Rente kein Tabuthema sein. Andere Länder haben Lösungen zu diesen Problemen gefunden, die wir uns genau ansehen sollten. Die Gelder, die für die Altersvorsorge genutzt werden können, können nicht beliebig erhöht werden. Umso wichtiger ist es, über die Art und Weise nachzudenken, wie diese angelegt werden. Die Politik ist nun endlich gefordert, ihren Teil zu einer nachhaltigen Rentenlösung beizutragen.

Zum Autor Dr. Christine Bortenlänger, Geschäftsführender Vorstand, Deutsches Aktieninstitut e.V., Frankfurt am Main
Dr. Christine Bortenlänger , Geschäftsführende Vorständin , Deutsches Aktieninstitut e. V., Frankfurt am Main

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