CSR in Banken

Ausschlusskriterien in der Geldanlage - stellenweise Glatteis

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Das Thema nachhaltige Geldanlage ist und bleibt ein schwieriges. Die Lenkungswirkung von Ausschlusskriterien ist mehr als ungewiss. Darüber hinaus ist die Definition dessen, was ein "gutes" oder "schlechtes" Unternehmen auszeichnet, schon deshalb sehr unterschiedlich, weil die zugrunde gelegte ethische Haltung sich individuell stark unterscheidet oder auch weil Ausschlusskriterien unerwünschte Folgen nach sich ziehen können. Das durchaus gut gemeinte Ziel, eine Art "Gütesiegel" für nachhaltige Geldanlagen zu entwickeln, hält der Autor deshalb für fehlgeleitet. Denn es würde der Freiheit von Anlegern entgegenwirken, individuelle ethische und moralische Ansprüche in ihrer Geldanlage zu verwirklichen. Red.

Zur Jahresmitte 2014 machte das Ergebnis einer Erhebung der Stiftung Warentest Schlagzeilen, das als Beleg dafür gewertet wurde, dass nachhaltige Geldanlagen nichts anderes sind als sogenanntes Greenwashing, weil viele nur wenige Ausschlusskriterien enthielten. Das methodisch Besondere ist an diesem Test, dass gemeinsam mit der Verbraucherzentrale Bremen zuvor sogenannte Ausschlusskriterien durch eine Infratest-Umfrage bei deutschen Privathaushalten ermittelt wurden. Sie dienten zur Beurteilung der Nachhaltigkeitsgüte der getesteten Investmentfonds, die im Bereich der Aktienfonds 20 Prozent und bei den Rentenfonds nur 8 Prozent der in Deutschland angebotenen Nachhaltigkeitsfonds ausmachten.

Auffallend ist, dass das Nachhaltigkeitsranking der Fonds nur durch deren Erfüllung der erhobenen Ausschlusskriterien entschieden wurde. Die Vielfalt der im Markt vorhandenen Formen von nachhaltigen Geldanlagen wie zum Beispiel Best in Class-Ansätzen oder Themenfonds wurde damit völlig ignoriert. Was ist von einer solchen dominanten Rolle von Ausschlusskriterien als das "Gütemaß" für Nachhaltigkeitsfonds zu halten?

Ausschlusskriterien scheinen auf den ersten Blick eine intuitiv nachvollziehbare und technisch klare Vorgehensweise für die Auswahl unerwünschter Wertpapiere und die Bildung von Nachhaltigkeitsfonds zu sein. Sie ist aber mit Tücken behaftet.

- So machen Aktien und Anleihen von Großunternehmen die häufigsten Anlageobjekte in Nachhaltigkeitsfonds aus. Solche Konzerne sind in vielerlei Geschäftsbereichen tätig, teilweise sehr weitläufig über Tochtergesellschaften. Hier ist es oft gar nicht möglich, einen "reinrassig" guten Wertpapieremittenten zu ermitteln. Die Frage ist daher zu beantworten, ab welcher "Schmerzgrenze", zum Beispiel Beteiligungshöhe der Muttergesellschaft am Waffen produzierenden Tochterunternehmen oder umgekehrt, muss eine Aktie oder Anleihe ausgeschlossen werden? Dass oft genug ein sogenannter "Dual Use" von Gütern sowohl für friedliche als auch kriegerische Zwecke möglich ist, erschwert die Sache.

- Des Weiteren können Ausschlusskriterien gegenteilige Folgen bei den Adressaten erzeugen. So könnte der Ausschluss eines Unternehmens wegen Duldung von Kinderarbeit in seiner Wertschöpfungskette dazu führen, dass im Produktionsland zwar keine Kinder mehr beschäftigt werden, sich dadurch aber die Armut in der Region erhöht.

Ungewisse Lenkungswirkung

Bei ethisch ausgerichteten Anlegern (nicht nur des kirchlichen Sektors) werden Ausschlusskriterien gerne verwendet. Ausschlusskriterien scheinen sich sehr gut zur Umsetzung einer deontologischen Ethikhaltung zu eignen, wenn also aus Gründen der Tugend oder des "reinen Gewissens" Geld nicht in Anleihen oder Aktien von für Anleger kontroversen Unternehmen eingesetzt werden soll. Aber ändern die Unternehmen beziehungsweise die Vorstände dann ihre Wirtschaftsweise zum ethisch Besseren?

Solche Verhaltensveränderungen müssen die Gesetze des Finanzmarktes berücksichtigen. So kann man mit Ausschlusskriterien nur über einen Kursrückgang und die dadurch bewirkte Erhöhung der zukünftigen Finanzierungskosten eines Unternehmens auf eine Verhaltensänderung hinsteuern. Der Vorstand würde sozusagen mit einem Kursverfall abgestraft werden. Wissenschaftliche Studien zeigen, dass es schon 40 Prozent und mehr an verkauften Aktien bedarf, damit es durch den Kursverfall zu Reaktionen auf der Vorstandsseite käme. Würde dies aber eine Verhaltensänderung von Vorständen hin zu beispielsweise mehr grünen Produkten oder einer emissionsärmeren Produktion auslösen?

Eine solche Lenkungswirkung dürfte völlig ungewiss sein und würde auf jeden Fall zusätzliche Kommunikationsstrategien gegenüber dem Vorstand erfordern, damit er um die Gründe des Kursrückgangs und der Bedeutung einer höherwertigen Nachhaltigkeitspolitik für die Kurserholung weiß. Aber wer auf den Finanzmärkten sollte diese Kommunikation in Gang setzen und steuern, wenn alle, die ein Interesse daran haben, ihre Aktien verkauft haben?

Möglicherweise erleiden die durch die Ausschlusskriterien zum Verkauf gezwungenen Anleger aufgrund der gesunkenen Verkaufskurse eigene Vermögensverluste, während die nicht durch die Nachhaltigkeitsbrille agierenden Anleger erfreut sein dürften über den günstigen Einstieg in das Wertpapier. Bei entsprechenden Kaufvolumina würde also der Wertpapierkurs wieder steigen. Und wenn dies sehr schnell erfolgt, wäre der Netto-Kurseffekt wohl null - der Vorstand hätte dann doch alles richtig gemacht?

Vorläufiges Fazit: Verändern kann man als Anleger bei Unternehmen, von denen man keine Aktionärs- oder Gläubigerrechte besitzt, weil man entweder alle Wertpapiere verkauft hat oder erst gar keinen Kauf aus ethischen Gründen erwägt, so gut wie nichts. Wieso sollte dann aber ein Nachhaltigkeitsfonds, der viele Ausschlusskriterien erfüllt, eine besonders hohe Nachhaltigkeitsgüte besitzen?

Was sind die "richtigen" Ausschlusskriterien?

Bleibt die Frage nach den "richtigen" Ausschlusskriterien, also ethischen Einstellungen für die Geldanlage. Die Verbraucherzentrale hat durch Infratest "die Privathaushalte" befragen lassen, was ist davon zu halten? Daraus eine generalisierende normative Rechtfertigung abzuleiten ist aus mehreren Gründen zweifelhaft - und auch nicht statthaft.

- Zum einen macht es einen Unterschied, ob jemand nur einfach einmal so über Ausschlusskriterien befragt wird. Ganz anders wird seine Antwort aller Erfahrung nach aussehen, wenn er sie im konkreten Fall seiner eigenen Geldanlage und unter Hinweis auf die möglichen Folgen für das Anlageergebnis gestellt bekommt.

- Ferner ist zu berücksichtigen, dass einige Fonds ihrerseits bereits Wissen über Ausschlusskriterien ihrer potenziellen und tatsächlichen Anlegerkreise eingeholt haben, etwa indem sie ihre eigenen Anleger vor Auflage eines Nachhaltigkeitsfonds befragten. Warum sollte die ethische Vorstellung real investierter Anleger weniger zum Maß der Nachhaltigkeitsbeurteilung gemacht werden als die Vorstellung von eventuellen Anleger-Laien auf diesem Gebiet? Die Fondsgesellschaft handelt hier zweifelsohne anlegergerecht, verdient also, eine hohe Güte an Nachhaltigkeit testiert zu bekommen.

- Daneben führen Banken teilweise Stakeholder-Dialoge unter anderem auch für ihr Fondsgeschäft durch und lassen sich so Hinweise auf die Ausschlusskriterien ihrer Stakeholder (nicht notwendigerweise ihrer Anleger!) geben. Auch hier müssten prinzipiell die Nachhaltigkeitsfonds der Bank mit hoher Güte testiert werden.

Keine ideologische Hegemonie

Das Konzept der nachhaltigen Geldanlage ist und bleibt für viele ein schwieriges Anlagekonzept. Das ist auch nicht anders zu erwarten, weil im Grunde eine ethische Haltung zugrunde gelegt wird, die zwischen Anlegern individuell ist und oft sehr divergiert. Dies gilt genauso für die Wahrnehmung dessen, was man als gutes oder schlechtes Unternehmensverhalten einstuft. Eine pluralistische, sich selbst bestimmende Gesellschaft zeichnet aber gerade Individualität in Moral und Ethik aus.

Jedes Ansinnen - und sei es auch aus noch so gut gemeinten Gründen -, über die Köpfe der Mitglieder einer Gemeinschaft, also auch der Privatanleger, zu behaupten, man wüsste als Institution, was ein gutes und was ein schlechtes Unternehmen auszeichnet, ist daher sehr kritisch zu beurteilen. Dies gilt dann auch für die hier angesprochene Bewertungsweise von Nachhaltigkeitsfonds durch die Stiftung Warentest.

Die Beschäftigung mit dem Thema Ausschlusskriterien im Bereich der nachhaltigen Geldanlage wird weitergehen, weil derzeit einige Kreise Kriterien für ein Gütesiegel "nachhaltige Geldanlagen" bestimmen. Würde eines Tages ein Gütesiegel herausgebracht, das zum Maß einer "guten nachhaltigen Geldanlage" alleine die Anzahl und die Art von Ausschlusskriterien macht, käme dies einer ideologischen Hegemonie gleich. Der Freiheit von Anlegern, individuelle ethische und moralische Ansprüche in ihrer Geldanlage zu verwirklichen, würde damit entgegengewirkt werden und ein solches Siegel würde fehlleiten.

Weitere Informationen: Schäfer, H., 2014, Ausschlusskriterien in der nachhaltigen Geldanlage. Eine ökonomische Analyse, Universität Stuttgart, BWI/Abt. III, Forschungsbericht Nr. 01/2014, http://papers.ssrn.com/sol3/papers.cfm?abstract_id=2485108.

Zum Autor

Prof. Dr. Henry Schäfer, Inhaber des Lehrstuhls für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre und Finanzwirtschaft, Universität Stuttgart

Dr. Henry Schäfer , Professor a. D. , Universität Stuttgart
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