Preispolitik

Warum die Bepreisung von Beratung scheitert

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Nur für einen kleinen Teil der Bankkunden hat Beratung einen eigenen Wert, der eine Bepreisung möglich macht. Die Universität Gießen ist in einer Studie der Frage nachgegangen, wie sich das ändern lässt. Dabei wurden drei zentrale Erfolgsfaktoren identifiziert: Kundenorientierung und soziale Kompetenz des Beraters sowie Ansehen des Berufsstands. Während Investitionen in mehr Kundenorientierung in den letzten Jahren Wirkung zeigten, wurden die Effekte durch den Imageverlust der Branche zunichte gemacht. Deshalb, so die Autoren, sollte das Berufsprestige mehr Beachtung finden. Red.

Banken und Finanzdienstleistungsunternehmen experimentieren immer wieder mit der Umsetzbarkeit von Honorarberatung. Dahinter steht die scheinbar folgerichtige Überlegung, dass die hohen unternehmensseitigen Investitionen (zum Beispiel in die Qualifikation der Mitarbeiter) die Beratungsleistung wertvoll machen und Beratung daher auch einen Preis haben sollte. Obwohl es einige gelungene Fälle gibt (zum Beispiel im Wealth Management von Banken), scheitern dennoch die weitaus meisten Initiativen dieser Art.

Warum scheitert die Bepreisung von Beratung? Auf diese Frage scheint es derzeit weder in der Praxis noch in der Wissenschaft eine überzeugende Antwort zu geben. Um die Problematik näher zu untersuchen, hat die Professur für Marketing und Verkaufsmanagement der Justus-Liebig-Universität Gießen daher eine Studie durchgeführt. Auf Basis der Überlegung, dass ein Preis einen entsprechenden Wert voraussetzt, war Fokus dieser Studie, zu verstehen, welchen Wert Beratung aus Kundensicht hat und wie man diesen als Bank oder Finanzdienstleistungsunternehmen beeinflussen kann. Die Studie wurde in der Bankbranche durchgeführt und basiert auf einer Befragung von insgesamt 112 Personen.

Geringer Wert der Beratung

Konsumenten sind nur bereit, einen Preis für die angebotene Leistung zu zahlen, wenn die Leistung für sie einen hinreichenden Wert besitzt. Ist dies nicht der Fall, wird der Versuch scheitern, die Leistung zu bepreisen. Doch für wie viele Bankkunden hat Beratung einen Wert?

Wie Abbildung 1 zeigt, besitzt Beratung nur für einen sehr kleinen Teil der Kunden einen wirklichen Wert, der eine Bepreisung möglich macht. In der Studie empfinden lediglich 8,2 Prozent der Bankkunden persönliche Beratung als so wertvoll, dass sich daraus eine grundlegende Bereitschaft ableiten lässt, etwas für Beratung zu zahlen. Bei über 90 Prozent der Kunden ist dies dagegen nicht der Fall. In der Breite des Marktes funktioniert der Ansatz einer bepreisten Beratung derzeit offensichtlich nicht.

Wenige zentrale Einflussfaktoren

Wovon hängt die geringe Wertschätzung der Beratung ab? Abbildung 2 zeigt, dass drei Faktoren den kundenseitigen Wert der Beratung in zentraler Weise beeinflussen: Kundenorientierung und soziale Kompetenz des Beraters sowie das kundenseitig mit dem Beruf verbundene Prestige.

Von den aufgabenbezogenen Einflussfaktoren beeinflusst lediglich die Kundenorientierung des Beraters den Beratungswert. Kundenorientierung meint dabei Aspekte wie Fachkompetenz und Verfolgung von Kundeninteressen. Insofern zeigen die Ergebnisse, dass unternehmensseitige Investitionen in die Kundenorientierung der Berater zweckmäßig sind, um Beratung für Kunden "Wert-voll" zu machen und so letztlich bepreisen zu können. Kommunikationskompetenz und Verkaufsorientierung der Berater haben dagegen keinen Einfluss.

Auf der zwischenmenschlichen Ebene zeigt sich die soziale Kompetenz des Beraters als ein weiterer Einfluss auf den kundenseitig empfundenen Wert von Beratung. Berater, die im Gespräch und zu den Kunden eine gute Beziehung aufbauen können, steigern den Wert von persönlicher Beratung. Ein vertrauenswürdiger Berater wird dagegen vorausgesetzt und führt zu keiner Wertsteigerung.

Schließlich hat von den allgemeinen einstellungsbezogenen Einflüssen das mit dem Beruf verbundene Prestige einen Einfluss auf den Wert von persönlicher Beratung. Wenn der entsprechende Berufsstand aus Kundensicht ein hohes Ansehen genießt, empfinden die Kunden persönliche Beratung als wertvoller - und sind eher bereit, auch dafür zu zahlen. Ob ein Kunde im Allgemeinen das Image von Beratern als positiv oder negativ einstuft, beeinflusst dagegen den kundenseitig empfundenen Wert von Beratung nicht.

Betrachtet man die Treiber des Beratungswerts, fällt auf, dass Kundenorientierung der Berater und insbesondere das mit dem Beruf verbundene Prestige den stärksten Einfluss auf den kundenseitig empfundenen Wert von persönlicher Beratung haben. Insofern sind diese beiden Faktoren die zentralen Hebel einer Strategie der Bepreisung von Beratung. Speziell der Einfluss des Berufsprestiges wurde von der Unternehmenspraxis bisher bei Fragen nach dem Wert von Beratung jedoch nicht wirklich beachtet.

Nachholbedarf bei Kundenorientierung und Prestige

Die Kundenurteile in Abbildung 3 zeigen, warum die überwiegende Anzahl der Bankkunden der persönlichen Beratung keinen so hohen Wert beimisst, dass sie dafür bereit wären, einen Preis zu zahlen. Die beiden zentralen Einflussfaktoren "Kundenorientierung" und "Berufsprestige" werden mit Werten leicht unterhalb des Skalenmittelwertes nur als mäßig empfunden. Trotz der hohen unternehmensseitigen Investitionen in die Kundenorientierung der Berater in den letzten Jahren und Jahrzehnten existiert dort aus Kundensicht offenbar weiterhin ein deutlicher Spielraum nach oben.

Und das Berufsprestige gehört als wichtiger Einflussfaktor des Beratungswertes auf den Radar der Unternehmen - lässt sich allerdings von einem einzelnen Unternehmen in der Regel nur bedingt verbessern.

Besser als Kundenorientierung und Berufsprestige wird die soziale Kompetenz der Berater wahrgenommen. Diese hat allerdings nur einen begrenzten Einfluss auf den Beratungswert. Und weitere Investitionen in den mit Abstand am positivsten bewerteten Faktor, die Kommunikationskompetenz der Berater, ist für eine Steigerung des Beratungswertes irrelevant.

Wert von persönlicher Beratung verharrt im Niemandsland

Die Ergebnisse der Studie können erklären, warum Banken bei ihrem Versuch, persönliche Beratung zu bepreisen, trotz großer Investitionen in die Kundenorientierung ihrer Berater nicht wirklich vorangekommen sind.

- Auch wenn die Kundenorientierung in der Beratungsrealität noch deutlich ausbaufähig ist, haben diese Investitionen in die richtige Richtung gewirkt und den Wert von persönlicher Beratung tendenziell erhöht.

- Die Nichtbeachtung des Berufsprestiges hat diese Anstrengungen jedoch zunichte gemacht: Zählte der Beruf des Bankers vor nicht allzu langer Zeit noch zu den angesehensten Berufen, ist das Prestige im Zuge der Finanzmarktkrise und zahlreicher weiterer Skandale regelrecht abgestürzt - und befindet sich inzwischen nicht selten sogar auf dem letzten Rang (zum Beispiel in der Prestige-Studie 2013 des Allensbach-Instituts).

Diese gegensätzlichen Entwicklungen haben insgesamt dazu geführt, dass der Wert von persönlicher Beratung im mäßigen Bereich verharrt - und damit für eine Bepreisung im Niemandsland.

Was kann man als Bank tun, um den Beratungswert zu steigern? Die Studie legt Aktivitäten in drei Bereichen nahe: Erstens sind Investitionen in die Kundenorientierung sinnvoll. Diese wurden bisher primär unter den Aspekten des Verkaufsabschlusses oder des langfristigen Beziehungsaufbaus zu den Kunden gesehen. Wie die Ergebnisse zeigen, legen die Investitionen in Fachwissen und Beratungs-Know-how aber auch eine Basis, um für persönliche Beratung einen Preis verlangen zu können.

Investitionen in die Sozialkompetenz sind nur eine flankierende Maßnahme

Zweitens steigert der Aufbau von Sozialkompetenz der Berater den kundenseitig empfundenen Wert von persönlicher Beratung. Dies zeigt, dass die persönliche Interaktion für das soziale Wesen Mensch einen eigenen Wert hat. Mit Blick auf die Bepreisung scheint der vergleichsweise schwache Effekt nahezulegen, dass Investitionen in die Sozialkompetenz der Berater eine flankierende Maßnahme darstellen. Da diese Ergebnisse als Folge der Befragung aus bewussten Antworten der Befragten resultieren, kann der (den Kunden nicht bewusste) Effekt im täglichen Leben aber deutlich stärker sein, als es hier den Anschein hat.

Stärker auf das Ansehen des Berufsstands konzentrieren

Drittens müssen sich Banken um das Ansehen ihres Berufsstandes kümmern. Dies können Banken mit Bezug zum eigenen Unternehmen umsetzen ("das Ansehen, bei dieser Bank zu arbeiten"). Eine branchenweite Steigerung des Berufsprestiges wird einem einzelnen Unternehmen dagegen kaum gelingen. Dann besteht gleichwohl die Möglichkeit, den eigenen Verband zu nutzen. Können die Verbandsaktivitäten das mit dem Beruf verbundene Ansehen erhöhen, steigt die kundenseitige Preisbereitschafft für persönliche Beratung.

Ist der Aufbau des Berufsprestiges insgesamt erfolgreich, zahlen Kunden für persönliche Beratung einen Preis, wie es etwa im Wealth Management der Fall ist. Ansonsten denken Kunden nicht im Traum daran - wie "einfache" Bankberater regelmäßig leidvoll feststellen müssen.

Zu den Autoren

Prof. Dr. Alexander Haas, Inhaber der Professur für Marketing und Verkaufsmanagement, Antje K. Möller, Justus-Liebig-Universität Gießen

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