ALTERSVORSORGE

Betriebsrenten richtig stärken

Dr. Christine Bortenlänger, Foto: DAI

Noch hat das Betriebsrentenstärkungsgesetz die betriebliche Altersvorsorge nicht gestärkt, konstatieren Christine Bortenlänger und Norbert Kuhn. Aus einer Vergleichsstudie von Ländern, in denen die betriebliche Altersvorsorge eine wichtige Rolle spielt, leiten sie Erkenntnisse und Handlungsempfehlungen für Deutschland ab. Die für das deutsche Sicherheitsempfinden vielleicht wichtigste: Der Verzicht auf Garantien sorgt für höhere Erträge. Beim Opt-out-Modell hat sich zum Beispiel in Großbritannien ein Einbeziehen aller Arbeitnehmer unabhängig von Tarifverträgen bewährt. Dafür allerdings braucht es eine einfache Standardlösung, für die es nach Einschätzung der Autoren freilich keines Staatsfonds bedarf. Das Beispiel Australien zeigt, dass sich das auch privat wirtschaftlich organisieren lässt. Red.

Der Name sollte zum Programm werden: Betriebsrentenstärkungsgesetz. Seit Anfang 2018 ist es in Kraft. Ein erstes Fazit fällt allerdings ernüchternd aus, da es in der Praxis bisher nur wenig genutzt wird. Das ist in höchstem Maße unbefriedigend, verfolgt das Gesetz doch gute Ansätze. So eröffnet es durch den Wegfall von Garantien mehr Spielraum für ertragreiche Anlagen wie Aktien.

Beitragszusage und Optionsmodell

Auch sollte der Verbreitungsgrad von Betriebsrenten erhöht werden, gerade in kleinen und mittleren Unternehmen, damit mehr Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in den Genuss einer Betriebsrente kommen. Um die Betriebsrente künftig zum Erfolg zu führen, ist aber kein grundlegender Wechsel, sondern nur ein "Facelift" erforderlich.

Bei der Verabschiedung des Betriebsrentenstärkungsgesetzes hatte der Gesetzgeber vor allem zwei Ziele vor Augen: ein höheres Versorgungsniveau und eine deutlich stärkere Verbreitung unter den Arbeitnehmern. Um diese Ziele zu erreichen, eröffnete er den Tarifparteien eine Reihe von Gestaltungsspielräumen.

So kann im Rahmen von Tarifverträgen, von der bisherigen Leistungszusage auf eine reine Beitragszusage umgestellt werden. Bei dieser sagt der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer nur die Zahlung von Beiträgen zu, nicht aber welche Höhe die Rente des Arbeitnehmers zum Rentenbeginn haben wird. Dadurch wird der Weg freigemacht, das Kapital freier und langfristig ertragreicher anzulegen. Denn Garantien etwa in Form einer fest zugesagten Rente, die oftmals als Anteil des letzten Arbeitseinkommens versprochen wurde, engen den Spielraum für ertragreiche Anlagen wie Aktien deutlich ein.

Zum anderen können die Tarifparteien ein Optionsmodell einführen. Bei diesem unterbreitet der Arbeitgeber den Beschäftigten ein Angebot zur Entgeltumwandlung, dem der Arbeitnehmer widersprechen muss, wenn er daran nicht teilnehmen will (Opt-out). Damit nehmen die Beschäftigten "automatisch" an der Betriebsrente teil, wenn sie nicht aktiv werden. Neben diesen Neuerungen sieht das Betriebsrentenstärkungsgesetz auch einen Arbeitgeberzuschuss zur Entgeltumwandlung, einen Förderbeitrag und bessere steuerliche Rahmenbedingungen vor, auf die im Nachfolgenden aber nicht weiter eingegangen wird.

Bisher keine Verbesserung der Situation

Obwohl viele der neuen Vorgaben des Gesetzes zunächst positiv bewertet wurden, ist nach einem Jahr doch eine gewisse Ernüchterung eingetreten. Die Tarifparteien nutzen im Grunde weder die Beitragszusage noch das Opt-out-Modell, mit der Folge, dass es letztlich zu keiner Verbesserung der Situation bei den Betriebsrenten gekommen ist.

Dies ist umso bedauerlicher, weil so weder das Potenzial, das im deutschen Mittelstand hinsichtlich der Verbreitung noch schlummert, noch Aktien stärker zum Einsatz kommen. Doch wie kann es gelingen, Anspruch und Wirklichkeit des Betriebsrentenstärkungsgesetzes in Einklang zu bringen?

Ein Blick in Länder, in denen die betriebliche Altersvorsorge eine tragende Rolle spielt, hilft dabei. Zu diesen Ländern gehören die USA, Großbritannien, Kanada, Australien, die Schweiz, Dänemark und die Niederlande.

In einer umfassenden Vergleichsstudie hat das Deutsche Aktieninstitut bei diesen und weiteren Staaten die Altersvorsorgesysteme untersucht. Was wir von diesen Ländern für die betriebliche Altersvorsorge und das Betriebsrentenstärkungsgesetz lernen können, wird im Folgenden dargelegt.

Verzicht auf Kapitalgarantien bringt höhere Erträge

Um das zukünftige Versorgungsniveau der Betriebsrentner zu verbessern, müssen die Ersparnisse der Beschäftigten ertragreich arbeiten. Zu Recht hat sich der Gesetzgeber deshalb für das Modell der reinen Beitragszusage entschieden, obwohl darüber im Vorfeld der Verabschiedung des Betriebsrentenstärkungsgesetzes kontrovers diskutiert wurde.

Garantien, wie die Leistungszusage, verhindern in der Ansparphase einen hohen Aktienanteil und damit hohe Erträge. Der Grund dafür ist, dass die Anbieter, um die Garantien einhalten zu können, zu viel in festverzinsliche Wertpapiere investieren, die geringe Renditen abwerfen.

Der Blick ins Ausland zeigt, dass es für die erfolgreiche betriebliche Altersvorsorge auch keiner Garantien bedarf. In den untersuchten Ländern wird seit Jahren in der betrieblichen Altersvorsorge viel mehr auf Aktien gesetzt.

Bei ausgewählten Plänen in den USA beispielsweise belaufen sich die Erträge auf fast zehn Prozent pro Jahr vor Kosten und Steuern.

In Australien kommen die Betriebsrenten nach Steuern und Gebühren auf fast sechs Prozent pro Jahr.

Das belegt, dass eine Festlegung auf eine reine Beitragszusage unproblematisch ist. Lange Anlagezeiträume und eine breite Diversifikation, wie bei der Altersvorsorge üblich, federn die Risiken einer Aktienanlage auch ohne Garantien ab.

Opt-out-Modell für alle einführen

Die Erfahrungen in den untersuchten Ländern sprechen für sich. Die Einführung der reinen Beitragszusage darf deshalb zukünftig nicht mehr vom good will der Tarifparteien abhängen, wenn das Versorgungsniveau der Betriebsrenten verbessert werden soll.

In den betrachteten Ländern ist es gang und gäbe, dass mehr als 85 Prozent der Beschäftigten in ein Betriebsrentensystem einzahlen. Dagegen liegt der Verbreitungsgrad von Betriebsrenten in Deutschland bei gerade einmal knapp 60 Prozent. Wie erklärt sich dieser Erfolg im Ausland?

Häufig gibt es dort ein Obligatorium, wie etwa in Australien oder der Schweiz. Danach müssen alle abhängig Beschäftigten, gegebenenfalls ab einem bestimmten Lebensalter oder einer bestimmten Einkommensgrenze, mit einer Betriebsrente für das Alter vorsorgen. In der Pflicht sind die Arbeitgeber, die entsprechende Beiträge abführen müssen.

Ein Obligatorium gibt es in Deutschland bislang ausschließlich im gesetzlichen Umlageverfahren. In der zweiten Säule, also der betrieblichen Altersvorsorge, gilt das Prinzip der Freiwilligkeit. Obwohl das Options-Modell im Betriebsrentenstärkungsgesetz angelegt ist, zeigt es keine Wirkung, weil es auf der Basis von Tarifverträgen oder betrieblichen Lösungen implementiert werden muss.

Da aber für die Verbreitung von Betriebsrenten die automatische Einbeziehung der Beschäftigten in Betriebsrenten mit Opt-out-Lösung essenziell ist, bedarf es der Einführung eines Optout-Modells, das, unabhängig von Tarifvereinbarungen, alle Beschäftigten automatisch einbezieht.

Vorbild dafür könnte das Opt-Out-System sein, das Großbritannien mit großem Erfolg eingeführt hat. Hier werden alle abhängig Beschäftigten automatisch in eine betriebliche Altersvorsorge einbezogen, wenn sie nicht widersprechen. Erst einmal einbezogen, ist das Interesse zu widersprechen, offensichtlich nicht mehr so groß. Waren im Jahr 2015 nur 55 Prozent der Arbeitskräfte in Großbritannien mit einer Betriebsrente abgesichert, sparten im Jahr 2017 bereits 84 Prozent mit einem betrieblichen Sparplan. Der Erfolg gibt den Briten Recht. Umso wichtiger ist es daher, ein solches Opt-out-Modell auch in Deutschland einzuführen.

Einfache und kostengünstige Standardlösung schaffen

Wenn es zu einer automatischen Einbeziehung der Arbeitnehmer in die Betriebsrente kommt, muss sichergestellt werden, dass das Anlageprodukt einfach und kostengünstig gestaltet ist. Ist dies der Fall, nehmen die Beschäftigten entsprechende Angebote gerne in Anspruch und verspüren gar kein Bedürfnis, der Einbeziehung in die Betriebsrente zu widersprechen.

Umzusetzen wäre dies am einfachsten mit Standardlösungen, also Fonds, die mit einer einfachen Anlagestrategie kostengünstig die Gelder künftiger Rentnergenerationen in Wertpapiere wie Aktien anlegen.

Solche Standardprodukte sind im Betriebsrentenstärkungsgesetz bisher nicht vorgesehen, spielen aber in der aktuellen deutschen Rentendebatte eine immer größere Rolle. Allerdings liegt der Fokus hier meist auf der Einführung einer staatlich organisierten Lösung, wie etwa bei der Deutschland-Rente, die von den hessischen Ministern Grüttner, Schäfer und Al-Wazir vorgestellt wurde.

Das Beispiel Australien zeigt jedoch, dass es nicht notwendig ist, einen Staatsfonds als Standardlösung einzuführen. Vielmehr wird in Down Under die Standardlösung rein privatwirtschaftlich organisiert. Dies sorgt im Gegensatz zu einem staatlichen Monopolisten für Wettbewerb. Klare staatliche Vorgaben, etwa hinsichtlich der Anlagestrategie und der Kostenstruktur, sorgen für einen funktionierenden Wettbewerb.

Entnahmeplan statt Verrentung

Im Betriebsrentenstärkungsgesetz ist in der Auszahlungsphase eine Verrentung der Beiträge vorgesehen. Dies bedeutet, dass zum Rentenbeginn ein Großteil der Ersparnisse in festverzinsliche Wertpapiere umgeschichtet werden muss. Besser wäre jedoch ein Entnahmeplan, da dieser insbesondere bei der Aktienanlage für Flexibilität sorgt.

Ein solcher Entnahmeplan ist beispielsweise auch bei Fondssparplänen unter Riester möglich und sieht nur die Auflösung des Vermögens vor, das für die Rentenzahlung des jeweiligen Jahres benötigt wird. Ein wesentlicher Teil der Altersvorsorge kann damit auch nach dem Renteneintritt in Aktien investiert bleiben. So profitieren diejenigen, die Renten beziehen, weiterhin von den attraktiven Erträgen der Aktienanlage. Gleichzeitig verhindert ein Entnahmeplan, dass zu Beginn der Rente ein umfassender Aktienverkauf möglicherweise in einer schwachen Marktphase stattfindet.

Damit sind die Maßnahmen skizziert, mit der die betriebliche Altersvorsorge erfolgreich durchstarten kann: die reine Beitragszusage, die von keiner Einigung der Tarifpartner abhängt, ein alle Beschäftigte umfassendes Optionsmodell, das von einer privatwirtschaftlichen Standardlösung flankiert wird, und ein Entnahmeplan statt fixer Verrentung.

Die betriebliche Altersvorsorge könnte so auch hierzulande zu einer tragenden Säule unseres Altersvorsorgesystems werden. Die positiven internationalen Erfahrungen sollten alle Beteiligten ermutigen, diesen Weg einzuschlagen und den künftigen Generationen im Rentenalter den Zugang zu einer betrieblichen Altersvorsorge mit Aktien zu eröffnen.

Dr. Christine Bortenlänger, Geschäftsführender Vorstand, Deutsches Aktieninstitut e.V., Frankfurt am Main
Dr. Norbert Kuhn, Leiter Unternehmensfinanzierung, Deutsches Aktieninstitut e.V., Frankfurt am Main
Dr. Christine Bortenlänger , Geschäftsführende Vorständin , Deutsches Aktieninstitut e. V., Frankfurt am Main
Dr. Norbert Kuhn , Leiter Unternehmensfinanzierung und stellvertretender Leiter des Fachbereichs Kapitalmärkte , Deutsches Aktieninstitut e.V., Frankfurt am Main

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