NACHHALTIGKEIT

Wie der CO2 -Fußabdruck bei Krediten und Investments messbar wird

Georg Schürmann, Foto: Tridos Bank

Die Rolle der Finanzwirtschaft bei der Transformation der Weltwirtschaft in eine klimafreundliche Wirtschaft wird bislang unterschätzt, sagt Georg Schürmann. Damit Kreditinstitute ihre Rolle entsprechend wahrnehmen können, gilt es zunächst einmal den CO2 -Fußabdruck von Investments und Krediten zu messen. Dafür hat die Platform Carbon Accounting Financial eine Methode entwickelt, die allen Marktteilnehmern offensteht. Im nächsten Schritt soll es darum gehen, die Kompatibilität des Bankgeschäfts mit dem 1,5-Grad-Ziel der Klimapolitik zu messen. Red.

Der Weltgemeinschaft bleibt nicht mehr viel Zeit, um die Folgen des Klimawandels zumindest zu begrenzen. In den kommenden Jahren braucht es gemeinsame Anstrengungen von allen: von uns Individuen, von der Politik und von der Wirtschaft. Wir müssen es schaffen, den weltweiten CO2 -Ausstoß zu reduzieren, um die Klimaziele von Paris erreichen zu können. Die Erderwärmung unter 1,5 Grad im Vergleich zur vorindustriellen Zeit zu begrenzen, erfordert erhebliche Anstrengungen und schnelles Handeln.

Chancen und Risiken für die Finanzwirtschaft

Dem Finanzsektor, Banken und Investoren, kommt dabei eine wichtige und immer noch unterschätzte Rolle in der Transformation einer CO2 -intensiven Weltwirtschaft in eine CO2 -arme und damit klimafreundliche Wirtschaft zu. Als Investoren und Financiers der Wirtschaft wird es darauf ankommen, zum Beispiel die sogenannten "braunen" Assets in den CO2-intensiven Wirtschaftssektoren signifikant zu reduzieren - und gleichzeitig gezielt in "grüne" Assets umzuschichten. Letzteres bedeutet nichts anderes, als in Unternehmen zu investieren, die eine positive Wirkung auf das Klima haben. Hier liegen auch geschäftliche Chancen.

In der Debatte stehen allerdings eher die Risiken im Vordergrund. "Stranded assets" bedeuten erhebliche Risiken für Banken und Investoren. Aufsichtsbehörden setzen sich damit inzwischen intensiv auseinander.

Aufgrund beider Aspekte - Chancen und Risiken - müssen Finanzakteure zunächst überhaupt erst einmal wissen, wie groß der CO2 -Fußabdruck ihrer Aktiva ist. Viele Akteure am Markt setzen sich mit dieser Fragestellung bereits auseinander.

PCAF-Methodik zur Messung des CO2-Fußabdrucks gesucht

Ein zentraler Aspekt ist dabei die Suche nach der Methodik. Mit der Pariser Klimakonferenz 2015 ist Bewegung in die Sache gekommen. Eine bekannte Initiative, die in dem Umfeld entstanden ist, ist die Task Force on Climate-related Financial Disclosure (TCFD).

Die wegweisende Weltklimakonferenz war es auch, die dazu geführt hat, dass sich insgesamt 14 niederländische Finanzinstitute, Versicherungen und Pensionskassen zusammengeschlossen haben und die Platform Carbon Accounting Financials (PCAF) ins Leben gerufen haben.

Den Teilnehmern - darunter die Triodos Bank - ging es darum, ebendiesen CO2-Fußabdruck der Finanzbranche offenzulegen und bilanzierbar zu machen. Dies ist der erste, wichtige Schritt, um eine Antwort auf die Frage zu haben, ob die eigenen Aktivitäten 1,5-Grad-kompatibel sind oder nicht.

In den Jahren nach der Klimakonferenz hat die Gruppe um die Triodos Bank, ABM Ambro und die ASN Bank mit fundierter wissenschaftlicher Unterstützung eine Methodik zur CO2 -Bilanzierung entwickelt, die alle für Banken relevanten Anlageklassen abdeckt: börsennotierte Wertpapiere, Kredite inklusive Baufinanzierungen sowie Projektfinanzierungen.

Die PCAF-Methodik ist eine der ganz wenigen Methoden zur Klimawirkung von Banken, die bereits angewendet wurde: Die Triodos Bank beispielsweise hat sie im November 2017 eingeführt und im Rahmen ihres Jahresberichts 2018 als erste Bank in Deutschland den CO2-Fußabdruck ihrer Kredite und den CO2 -Fußabdruck der von Triodos Investment Management gemanagten Assets veröffentlicht.

Schon 30 Banken messen ihre Klimawirkung

Neben der Triodos Bank hat auch die niederländische ASN Bank bereits ihre Klimawirkungen publiziert. Darüber hinaus haben knapp 30 Mitglieder der Global Alliance for Banking on Values (GABV) Anfang 2019 in Vancouver erklärt, ihre Klimawirkung in den kommenden Jahren zu messen und darüber zu berichten.

Die PCAF-Methodik ist "open source". Sie steht jedem Finanzakteur zur freien Verwendung, der mehr über die Klimaauswirkungen seiner Assets erfahren möchte. Außerdem ist sie eine Methodik, die noch weiterentwickelt wird, wie das Beispiel der Triodos Bank zeigt.

Im Austausch mit Kreditkunden Datenqualität erhöhen

Im ersten Jahr der Anwendung auf das Kreditvolumen und Kapitalanlagenportfolio der Nachhaltigkeitsbank konnten knapp 70 Prozent der Bilanz mit Blick auf den Ausstoß von Treibhausgasen bewertet werden. Ein Anfang ist damit gemacht. In den kommenden Jahren soll die Abdeckung kontinuierlich erweitert werden.

Auch was die Datenqualität betrifft, gibt es erhebliche Unterschiede. Kreditkunden beispielsweise können ihre CO2 -Bilanzen verschieden gut einschätzen. Ein Betreiber eines Windparks etwa kann auf deutlich detaillierte Daten zurückgreifen als eine Schule oder ein Altenpflegeheim. Für Banken und andere Investoren ist es deshalb wichtig, im aktiven Austausch mit Kreditkunden und Unternehmen aus dem Investmentportfolio zu stehen, um die Datenqualität langfristig zu erhöhen.

Ansätze zum Nachsteuern

Auch wenn es viele Möglichkeiten zur Verbesserung und Präzisierung der PCAF-Methodik gibt, geben die Daten der ersten Erhebung der Triodos Bank wichtige, erste Einblicke. Welche CO2 -Bilanz die Kredite und Investments der Triodos Bank 2018 hatten, zeigt die Abbildung. Der obere orange Balken veranschaulicht die Treibhausgasemissionen, die durch Investments und Kredite mitverursacht wurden (GHG emissions). Der graue Balken steht für gebundene und absorbierte Emissionen. Dadurch konnten der Atmosphäre Kohlenstoffdioxid entzogen werden, beispielsweise durch Aufforstungsprojekte (GHG sequestration).

Der blaue Balken zeigt die sogenannten vermiedenen Emissionen. Hier handelt es sich um Treibhausgasemissionen, die durch fossile Energieerzeugung entstanden wären - und durch den entsprechenden Ausbau von erneuerbaren Energieprojekten vermieden wurden. (GHG avoidance)

Die Ergebnisse zeigen deutlich, dass die seit vielen Jahren durch die Bank erfolgende Finanzierung einer nachhaltigen Wirtschaft zu einer erheblichen Menge verminderter Emissionen im Vergleich zu den erzeugten und gebundenen Emissionen geführt hat. Die Ergebnisse sind darüber hinaus sehr wertvoll, um gezielt dort nachsteuern zu können, wo viele Emissionen anfallen und in Zusammenarbeit mit den Kunden den Treibhausgasausstoß zu verringern.

Die PCAF-Gruppe wird in den kommenden Jahren mit anderen auf diesem Gebiet spezialisierten Partnern zusammenarbeiten, um die verwendeten Modelle zu verfeinern.

Vom CO2 -Fußabdruck zur 1,5-Grad-Kompatibilität

Nachdem in einem ersten Schritt der CO2 -Fußabdruck ermittelt wird, muss der Ansatz dahingehend weiterentwickelt werden, dass die 1,5 Grad-Kompatibilität ermittelt wird. Erst dann wird es zu einer echten Steuerungskennzahl für die Geschäftsstrategie.

Die PCAF-Gruppe will die gesamte Finanzbranche dazu ermutigen, sich der CO2 -Bilanzierung anzuschließen, um als Branche den so immens wichtigen Beitrag dazu zu leisten, die Erderwärmung nicht über die 1,5-Grad-Schwelle steigen zu lassen und damit ihrer gesellschaftlichen Verantwortung nachzukommen.

Georg Schürmann, Geschäftsführer, Triodos Bank N.V. Deutschland (Zweigniederlassung der Triodos Bank N.V.), Frankfurt am Main
Georg Schürmann , Geschäftsführer, Triodos Bank N.V. Deutschland (Zweigniederlassung der Triodos Bank N.V.), Frankfurt am Main

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