Geldanlage

Crowdinvesting - auch für Privatanleger?

Prof. Dr. Rolf Tilmes, Vorsitzender des Vorstands, Financial Planning Standards Board Deutschland e.V., Frankfurt am Main

Crowdfunding erfreut sich bei Privatanlegern zunehmender Beliebtheit. Doch bei der Schwarmfinanzierung geht es aus Anlegersicht eher um Spekulation als um ein Investitionsvehikel, warnt Rolf Tilmes. Privatanleger sind sich der Risiken jedoch oftmals nicht bewusst und setzen so ihr Vermögen für die Altersvorsorge aufs Spiel - auch deshalb, weil es ihnen oftmals schwerfällt, die Seriosität der Plattformen sowie die konkreten Projekte zu prüfen. Für diejenigen, denen neben der Altersvorsorge noch "Spielgeld" zur Verfügung steht, kann Crowdinvesting deshalb ein Beratungsthema werden. Red.

Im Juni dieses Jahres war es so weit: Der Crowdfunding-Markt hierzulande hat die Marke von 500 Millionen Euro geknackt. Das vermeldet das Informationsportal Crowdfunding.de. Damit weist der Markt ein höchst rasantes Wachstum auf. Schließlich betrug das Volumen im Jahr 2015 noch 100 Millionen Euro. Das heißt, das investierte Kapital hat sich in den vergangenen drei Jahren etwa verfünffacht.

Und das Wachstum dürfte sich weiter fortsetzen. Denn das Interesse an der Finanzierungsform ist groß. Laut einer Umfrage der Verbraucherzentrale Hessen spielt jeder siebte Bürger hierzulande mit dem Gedanken, künftig Geld über Crowdfunding-Plattformen anzulegen.

Erfolgsgeschichten elektrisieren die Anleger

Wie groß das Interesse ist, zeigt sich aber auch an den sehr kurzen Zeiträumen, in denen solche Platzierungen inzwischen stattfinden. Das extremste Beispiel dürfte das Finanzierungsangebot von Hertha BSC aus dem Jahr 2016 sein. Dem Berliner Fußballclub gelang es, in nur neun Minuten und 23 Sekunden eine Million Euro bei seinen Fans einzusammeln. Aber auch in vielen anderen Fällen dauerte es nur wenige Stunden, um hohe Summen zusammenzubekommen. Bei der auf Immobilien spezialisierten Crowdinvesting-Plattform Bergfürst zum Beispiel brauchte es im Februar dieses Jahres neun Stunden, um die Finanzierung für die Errichtung einer Neubau-Villa in Höhe von 900 000 Euro bei Privatanlegern zu platzieren. Der Anreiz dabei: Eine Verzinsung von 6,5 Prozent pro Jahr bei einer Laufzeit von 28 Monaten.

Zur zunehmenden Popularität dieser Investitionsform tragen aber sicherlich auch die Erfolgsgeschichten aus dem Unternehmensbereich bei. So konnten Anleger mit einem Investment in die Firma Erdbär, einem Berliner Produzenten von Bio-Obst- und Gemüsesnacks für Kinder, ihren Einsatz in nur drei Jahren vervierfachen. Mit der Beteiligung an dem Tee-Onlineshop 5 Cups and some Sugar waren es immerhin noch 48,5 Prozent nach zwei Jahren, die die Investoren erwirtschafteten. Es sind ohne Frage solche Stories, die die Anleger elektrisieren.

Grundsätzlich funktioniert Crowdfunding, auf Deutsch Schwarmfinanzierung genannt, folgendermaßen: Eine Vielzahl an Geldgebern beteiligt sich mit kleinen Beträgen an jungen Firmen, an Immobilien, an grünen Projekten oder auch an einer Film- oder einer Buchproduktion. Allerdings bekommen die Investoren nicht in jedem Fall einen finanziellen Ertrag. Vielmehr müssen Anleger vier verschiedene Arten des Crowdfundings unterscheiden.

Bei der spendenbasierten Variante geben die Geldgeber Kapital für einen bestimmten Zweck, ohne dafür eine Gegenleistung zu bekommen. Beim gegenleistungsbasierten Crowdfunding erhalten sie zumindest eine symbolische Gegenleistung. Das könnte bei der Finanzierung eines Buchprojekts zum Beispiel das am Ende fertig gedruckte Buch sein, aber kein Geld. Das ist beim sogenannten Crowdlending oder dem kreditbasierten Crowdinvesting anders: Wie der Name sagt, geht es hier um die Vergabe eines Kredits, den der Empfänger seinen Kreditgebern am Ende der zuvor festgelegten Laufzeit zurückzahlt. Zudem können Anleger bei dieser Art des Investments, sofern vereinbart, zusätzlich von regelmäßigen Zinszahlungen während der Laufzeit profitieren.

Equitiy-based Crowdfunding mit volkswirtschaftlicher Berechtigung

Die populärste und für manche Anleger vielleicht auch attraktivste Art der Investition dürfte das Equity-based Crowdfunding sein, bei dem der Anleger sich an einem Unternehmen, in der Regel eine noch junge Firma oder ein Start-up, beteiligt. Dies ist mit der Vergabe von Risikooder Wachstumskapital im Rahmen von Venture Capital oder Private Equity vergleichbar.

Die Idee dabei ist, dass die Firma mit ihrer Geschäftsidee oder ihrer Expansionsstrategie erfolgreich ist, ihr Wert dadurch steigt und sie schließlich ihren Investoren ein Rückkaufangebot macht, das deutlich über dem Wert der ursprünglichen Beteiligung liegt.

Diese Art der Finanzierung hat aus volkswirtschaftlicher Sicht durchaus ihre Berechtigung. Schließlich verschwinden immer wieder viele - vielleicht auch gute - Geschäftsideen mangels Finanzierungsmöglichkeiten in der Schublade.

Oder Unternehmen können Wachstumschancen nicht wahrnehmen, weil ihnen der Zugang zum nötigen Kapital fehlt. Genau dafür scheint Crowdfunding eine gute Lösung zu sein. Zudem gilt es nicht zu vergessen, dass Unternehmen dadurch auch die eigene Bekanntheit steigern können und unter Umständen sogar Zugang zu einem Netzwerk bekommen, das die Entwicklung der eigenen Firma voranbringt.

Das Interesse auf Investorenseite ist gut nachvollziehbar. Schließlich leben wir in einem Umfeld mit nach wie vor extrem niedrigen Zinsen, in dem Bankeinlagen keinen Ertrag abwerfen und die Inflation das reale Vermögen auffrisst. Anleger sind deshalb laufend auf der Suche nach höher rentierlichen Anlagen.

Im schlimmsten Fall kommt es zum Totalverlust

Tatsächlich bietet Crowdlending beispielsweise Verzinsungen im mittleren einstelligen Bereich. Beim Equity-based Crowdinvesting ist die Phantasie bezüglich der zu erzielenden Renditen sogar nach oben offen.

Dazu kommt noch etwas, was gerade diese letztgenannte Variante, also die Finanzierung über Eigenkapital, besonders interessant erscheinen lässt: Während Private-Equity- oder Venture-Capital-Investments häufig nur ab höheren Anlagebeträgen zugänglich sind, können sich Privatanleger bei der Schwarmfinanzierung bereits mit kleinen Beträgen auf vergleichbare Art und Weise an Start-ups oder jungen Firmen beteiligen.

Doch genau an dieser Stelle sollten sich Privatanleger einen solchen Schritt sehr genau überlegen. Denn was niemand vergessen darf: Eine hohe und attraktive Rendite gibt es nur unter Inkaufnahme entsprechend hoher Risiken. Und das bedeutet in diesem Fall schlicht und ergreifend den Totalverlust des eingesetzten Geldes. Scheitert die Firma oder geht das Immobilienprojekt schief, dann wird auch der Anleger kein Geld zurückbekommen.

Nicht alle sind sich über die Risiken im Klaren

Dass sich nicht alle über die Möglichkeit eines kompletten Verlusts im Klaren sind, verdeutlicht eine Umfrage der Verbraucherzentrale Hessen. Demnach halten nur 39 Prozent der Befragten diese Art der Geldanlage für riskant oder sehr riskant. Oder anders herum: 61 Prozent unterschätzen offenbar die Risiken, die mit Crowdinvesting verbunden sind.

Bevor sich jemand mit dem Gedanken der Schwarmfinanzierung befasst, gilt es kritisch zu hinterfragen, warum jemand für sein Projekt den Weg über eine Crowdfunding-Plattform nutzt. Natürlich kann ein Firmengründer dabei auch im Hinterkopf haben, die Bekanntheit seiner Geschäftsidee zu verbreitern, und deshalb diesen Weg der Finanzierung durch eine Bank vorzuziehen. In manchen Fällen aber dürfte die Entscheidung auch damit zu tun haben, dass andere Wege der Finanzierung, eben zum Beispiel über ein Kreditinstitut, verschlossen sind.

Mit anderen Worten: Es ist denkbar, dass eine Bank zu dem Ergebnis kam, dass das Risiko zu groß oder eine Geschäftsidee nicht überzeugend genug ist - und deshalb die Vergabe eines Kredits verweigert.

Für die Altersvorsorge ungeeignet

Dies verdeutlicht bereits, dass es bei dieser Anlageform eher um Spekulation und nicht um ein Investmentvehikel geht, mit dem Sparer langfristigen Vermögensaufbau betreiben können. Wer langfristig ein Vermögen zusammensparen möchte, um zum Beispiel Geld für die Altersvorsorge oder den Bau oder Erwerb eines Eigenheims zu haben, sollte Anlagen, die ihm mit relativ hoher Wahrscheinlichkeit einen Totalverlust bescheren können, meiden.

Stattdessen gilt es in einem solchen Fall, einen gut durchdachten, maßgeschneiderten und langfristig ausgerichteten Finanzplan zu erstellen. Im Rahmen eines solchen Finanzplans können Anleger dann der eigenen Risikotragfähigkeit entsprechend und zur individuellen Situation passend breit gestreut in verschiedene liquide Anlagen investieren, die auf lange Sicht eine positive Rendite bringen.

Wer dann darüber hinaus noch Spielgeld hat, der kann sich natürlich sehr wohl überlegen, bei einem Crowdfunding-Projekt mitzumachen. Doch auch in diesem Fall sollte die Vorgehensweise sehr gut durchdacht sein.

Seriosität der Plattform prüfen

Im ersten Schritt gilt es die Seriosität einer Crowdfunding-Plattform zu prüfen. Manche dieser Plattformen, schreibt die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht BaFin, seien nämlich "gezielt so ausgestaltet, dass sie keine Erlaubnis benötigen und damit auch nicht von der BaFin beaufsichtigt werden. Daher gehören diese Plattformen zum Grauen Kapitalmarkt". Natürlich bedeutet das nicht, dass alle Angebote dort zwangsläufig unseriös sind. Aber Anleger sollten sich unbedingt sehr genau über eine Plattform und deren Betreiber sowie, sofern vorhanden, über die Erfahrungen anderer Nutzer informieren.

Im nächsten Schritt gilt es dann die einzelnen Projekte genau zu prüfen. Immerhin sollten Investoren bedenken, dass Private-Equity-Investoren oder Risikokapitalgeber oft ein ganzes Team erfahrener Experten beschäftigen, die sich intensiv mit einem Unternehmen, einer Geschäftsidee und der Expertise der verantwortlichen Personen auseinandersetzen. Ein Anleger muss deshalb eigentlich sicherstellen, dass die Crowdfunding-Plattform selbst eine geeignete und gründliche Vorauswahl trifft.

Gibt es dort also ein Team von Mitarbeitern, das eine Risikoanalyse durchführt, das das Zahlenwerk einer Firma, deren Businessplan, die Geschäftsidee und die Aussichten analysiert? Und inwiefern nehmen sie das Management oder das Gründerteam einer Firma sowie deren Fähigkeiten und deren Qualifikation genau unter die Lupe? Das alles zu beurteilen, ist für einen Privatanleger wohl kaum möglich.

Das gilt umso mehr, da auch die Informationen zu den einzelnen Projekten nicht immer ausreichend sind, wie eine Untersuchung der Marktwächter der Verbraucherzentrale Hessen zeigt. Die Verbraucherschützer haben in 83 Fällen von schwarmfinanzierten Projekten das Vermögensanlage-Informationsblatt geprüft.

Insgesamt 51 Mal waren demnach die Angaben zum Anlageobjekt nicht konkret genug und in 54 Fällen waren die Angaben zur Laufzeit eines Darlehens in verschiedenen Dokumenten widersprüchlich. Deshalb sollte sich auch niemand allein auf die Risikoprüfung durch eine Crowdfunding-Plattform verlassen.

Verbraucherschützer: Viele Angebote mangelhaft

Crowd-Investoren kommen deshalb nicht darum herum, sich den Businessplan sowie das Zahlenwerk eines Unternehmens zusätzlich selbst gründlich anzusehen. Dabei ist auch von besonderer Bedeutung, dass ein Anleger die Firma und deren Geschäftsidee komplett versteht. Es sollte transparent und leicht nachvollziehbar sein, was ein Unternehmen macht und wie es langfristig profitabel arbeiten will. Nur wenn das gegeben ist, sollten Anleger darüber nachdenken, der Firma ihr Geld zu überlassen.

Dabei gilt es aber auch zu berücksichtigen, dass es selbst im Private-Equity- oder Venture-Capital-Bereich vorkommt, dass Investments - trotz der gründlichsten Analyse durch erfahrene Profiinvestoren - abgeschrieben werden müssen. Das heißt, Anleger müssen auch beim Crowdinvesting damit rechnen, dass es zu Ausfällen kommt.

Wer also folglich mit dem Schwarm investieren will, sollte auf keinen Fall sein ganzes Geld auf ein Pferd setzen, sondern das Risiko streuen und in verschiedene Projekte investieren. Schließlich müssen Anleger immer damit rechnen, dass von fünf oder zehn Investments am Ende nur ein Teil davon eine positive Rendite bringt. Private-Equity-Anleger gehen in aller Regel übrigens ähnlich vor und streuen ihr Kapital auf verschiedene Zielobjekte.

Professionelle Unterstützung kann sinnvoll sein

Hilfreich kann bei all dem eine Checkliste sein, wie es sie unter anderem auf der Website der Verbraucherzentale gibt. Damit können Anleger die einzelnen Punkte, die es beim Crowdinvesting zu beachten gilt, gut nachvollziehen und abhaken. Alternativ kann es sinnvoll sein, sich professionelle Hilfe bei einem erfahrenen und gut ausgebildeten Finanzplaner zu suchen.

Diese Professionals können nicht nur dabei behilflich sein, im Rahmen einer langfristigen Finanzplanung ein gut strukturiertes Portfolio aufzubauen, das individuell zur Anlagestrategie, den Anlagezielen und der Risikoneigung eines Anlegers passt. Sondern sie können darüber hinaus wertvolle Tipps geben, welche Anlagemöglichkeiten es des Weiteren gibt und wo dort die Risiken und Chancen liegen. Und sie erläutern, wie Anleger bei einem Crowdinvestment am besten vorgehen.

Denn so gut und hilfreich diese Form der Finanzierung gerade für junge Unternehmen ist, die auf diese Weise noch einen alternativen Weg zur Finanzierung ihrer Geschäftsidee oder zum weiteren Wachstum haben, so vorsichtig sollten Privatanleger sein. Denn sie riskieren sonst unnötige Verluste und setzen vielleicht Geld aufs Spiel, das sie eigentlich für ihre Altersvorsorge benötigen.

Zum Autor Prof. Dr. Rolf Tilmes, Vorsitzender des Vorstands, Financial Planning Standards Board Deutschland e.V., Frankfurt am Main
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