Big Data und Datensicherheit

Die Datenflut im Zahlungsverkehr wird unterschätzt

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Sepa und Basel III führen dazu, dass im Zahlungsverkehr immer mehr Daten immer schneller verarbeitet werden müssen. Schätzungen zufolge werden sich die Datenmengen mindestens verdreifachen. Mit den alten IT-Infrastrukturen der Banken, so Hubertus von Poser, wird dies immer schwieriger zu leisten sein. Herausforderungen sind Speicherplatz und Leitungen, die Skalierbarkeit von Systemen und die Zahl der Anwendungen. Insbesondere dort sieht der Autor Optimierungspotenzial. Red.

Der Zahlungsverkehr ist von entscheidender Bedeutung für die Wettbewerbsfähigkeit der Kreditinstitute. Zwar sind die Erträge in diesem Feld in den letzten Jahren deutlich rückläufig. Die strategische Bedeutung als Drehscheibe für die Kundenbeziehung kann jedoch gar nicht hoch genug eingeschätzt werden. Denn der Zahlungsverkehr ist der häufigste, in vielen Fällen sogar der einzige regelmäßige Kontakt, den die Bank zum Kunden hat. Er ist das Ankerprodukt und damit die Voraussetzung für Produktabschlüsse in anderen, profitableren Bereichen.

Wegen seiner hohen strategischen Bedeutung zieht der Zahlungsverkehr immer neue Anbieter an. Google, Apple, Amazon, Facebook - es gibt keinen Topkonzern aus der Internetbranche, der nicht eigene Zahlungsdienstleistungen anbietet oder es zumindest prüft.

Banken stehen damit von zwei Seiten unter Druck:

- Auf der einen Seite müssen sie sich gegen neue Wettbewerber mit innovativen Geschäftsmodellen behaupten.

- Auf der anderen Seite sind die etablierten Institute gelähmt durch eine Vielzahl regulatorischer Vorgaben. Vor allem die Schaffung des einheitlichen europäischen Zahlungsverkehrsraums (Sepa) und die schärferen Eigenkapitalvorschriften nach Basel III haben massive Auswirkungen auf den Zahlungsverkehr.

Sepa und Basel III führen auch dazu, dass immer mehr Daten immer schneller verarbeitet werden müssen. Die immer weiter steigende Datenmenge beeinträchtigt nicht nur die Handlungs- und Innovationsfähigkeit der Institute, sondern könnte für den Erfolg der Banken im Zahlungsverkehr gravierende Auswirkungen haben. Denn die neuen Wettbewerber warten nur auf Fehler der etablierten Anbieter am Markt. Wer es aber nicht schafft, die Daten fehlerlos und effektiv zu verarbeiten, riskiert Verzögerungen bei der Bearbeitung von Überweisungen oder sogar Unterbrechungen im kompletten Zahlungsverkehr. Diese würden das Vertrauen der Kunden erschüttern - und sie weiter in die Hände der Wettbewerber treiben.

XML-Format lässt die Datenmenge steigen

Grund für die steigenden Datenmengen ist das XML-basierte Datenformat nach ISO Standard 20022. Dieses wurde durch die Schaffung des einheitlichen europäischen Zahlungsverkehrsraums (Sepa) zum Standard bei der Einreichung und Abwicklung belegloser Überweisungen und Lastschriften. Für das Clearing von Kartentransaktionen wird es Anfang 2016 ebenfalls zum Standard werden.

Ziel der Einführung von XML ist es, die bislang unterschiedlichen nationalen Nachrichtenstandards im Zahlungsverkehr zu harmonisieren, also quasi eine einheitliche Sprache in der Finanzwelt zu schaffen und damit sowohl den nationalen als auch den länderübergreifenden Zahlungsverkehr zu vereinfachen.

Der Vorteil: XML ist eine plattformunabhängige erweiterbare Meta-Auszeichnungssprache. Das bedeutet, dass Daten oder Dokumente mit zusätzlichen Informationen versehen werden können. So kann in den Metadaten zu einer bestimmten Zahl erläutert werden, ob es sich dabei um eine Bankleitzahl oder die Sozialversicherungsnummer handelt. Außerdem können so mehrere Konten und Ausführungstermine in einer Nachricht beziehungsweise Datei angegeben werden.Der Nachteil: Das XML-Format übermittelt wesentlich mehr Informationen als das DTA-Format, das bislang beim Inlands-Zahlungsverkehr zum Einsatz kam. Deshalb benötigt es deutlich mehr Volumen.

Datenmenge verdreifacht sich

Nach Berechnungen von PPI steigt durch Sepa die Datenmenge, die von den Banken verarbeitet werden muss, um das Zwei- bis Dreifache. Andere Schätzungen gehen sogar noch darüber hinaus.

Wie die Studie "Exzellenz im Zahlungsverkehr - strategische und operative Handlungsfelder" von PPI und ibi research zeigt, unterschätzen die Banken und Sparkassen allerdings die damit verbundenen Herausforderungen. Demnach sieht nur jedes vierte Institut konkreten Handlungsbedarf für Projekte zum besseren Handling der steigenden Datenmenge. Dabei stehen 75 Prozent der Institute nach eigenen Angaben bei der Umstellung auf das neue XML-Format im Rahmen des Sepa Card Clearings noch am Anfang.

Geschwindigkeit nimmt zu

Als wäre das nicht genug, müssen die Banken und Sparkassen künftig auch in der Lage sein, die Datenflut schneller als bisher zu verarbeiten. Ein Grund dafür sind unter anderem die Vorgaben zum untertägigen Liquiditätsmanagement. Zwar schreiben die Regeln von Basel III spätestens ab 2017 zunächst nur das nachträgliche Reporting der untertägigen Liquiditätsstände vor. Nach Einschätzung von Marktteilnehmern ist es jedoch nur eine Frage der Zeit, bis dies auch in eine untertägige Abwicklung von Zahlungen mündet. Zudem stehen die Zeichen in einigen bedeutenden Regionen der Welt längst auf Echtzeitzahlungen. Die amerikanische Zentralbank hat eine entsprechende Studie aufgesetzt. In anderen Staaten wie Polen, Schweden oder Großbritannien sind entsprechende Systeme bereits im Einsatz. Australien hat es sich zum Ziel gemacht, ein entsprechendes System bis 2016 einzuführen.

Außerdem gewöhnen sich die Kunden mit Anbietern wie Paypal, Twitter und Co. zunehmend daran, dass Zahlungen zumindest virtuell in Sekunden von einem auf das andere Konto transferiert werden.

Bis vor wenigen Jahren dauerten Überweisungen zumeist noch drei Arbeitstage. Seit Anfang 2012 darf europaweit nur noch ein Werktag verstreichen, bis der Betrag auf dem Empfängerkonto gutgeschrieben ist. Mit der sekundengenauen Erfassung und Abwicklung von Zahlungen wird in wenigen Jahren die Zeit, die für die Datenverarbeitung bleibt, also grob gesagt von 36 Stunden auf wenige Sekunden gesunken sein.

Hinzu kommen die Anforderungen zur Abwehr von Betrugsversuchen. Bei Kartenzahlungen ist es bereits Standard, dass bei ungewöhnlichen Transaktionen, etwa aus dem Ausland, sofort Alarm geschlagen und der Zahlungsauftrag im Ernstfall gestoppt wird. Künftig gilt dies auch für Online-Überweisungen. Dies fordern insbesondere die Mindestanforderungen der Europäischen Zentralbank zur Sicherheit bei mobilen Zahlungen und Zahlungen über das Internet, die bis 2015 von allen Kreditinstituten umzusetzen sind.

Alte IT-Infrastrukturen problematisch

Die Menge der Daten und die Geschwindigkeit ihrer Verarbeitung nimmt also rasant zu. Dies ist problematisch, weil der Zahlungsverkehr der Geldhäuser oft auf Anwendungslandschaften beruht, die schon vor Jahren oder sogar Jahrzehnten implementiert wurden - zu einer Zeit also, als Echtzeitzahlungen und XML-Formate noch Zukunftsmusik waren. Da erscheint es umso kritischer, dass die meisten Banken an ihren bestehenden IT-Infrastrukturen festhalten. Denn wie die Studie zeigt, erkennt die Mehrzahl der Befragten keine Notwendigkeit, ihre IT-Infrastrukturen zu erneuern.

Angesichts der zuvor skizzierten Entwicklungen müssen sich viele Kreditinstitute fragen, ob ihre bestehende Infrastruktur in der Lage ist, die an sie gestellten Anforderungen zu erfüllen. Dabei gibt es drei kritische Bereiche.

- Der erste ist die Hardware. Kreditinstitute müssen überprüfen, ob sie über ausreichend Speicherplatz verfügen, um das gestiegene Datenvolumen beherrschen zu können. Auch die Leitungen müssen in der Lage sein, mehr Daten in noch kürzerer Zeit zu transportieren.

- Der zweite wichtige Bereich ist die Software. Anwendungen müssen auf ihre Skalierungsfähigkeit hin überprüft werden. Dabei dürfen auch die Umsysteme, wie zum Beispiel die Embargoprüfung oder das Archivsystem, nicht außer Acht gelassen werden.

- Der dritte kritische Bereich ist die Anzahl der Anwendungen im Zahlungsverkehr. Hier gibt es erhebliches Optimierungspotenzial.

Zahl der Anwendungen reduzieren

Teilweise kommen bis zu 60 oder sogar mehr verschiedene Anwendungen zum Einsatz, etwa bei der Eingangsverarbeitung, dem Clearing, der Ausgangsverarbeitung, der Embargo-Prüfung und der Geldwäschekontrolle.

Die hohe Zahl von Anwendungen ist meist historisch bedingt: So werden nach Fusionen vorhandene Anwendungen oftmals parallel weiterbetrieben. Darüber hinaus gibt es häufig einzelne Geschäftsfunktionen mit Spezialanforderungen, etwa bei der Embargo-Prüfung. Für diese Funktionen wurde eine eigene Anwendung aufgesetzt.

Standard-Software mit Kostensenkungspotenzial

Neben der Reduzierung der Anwendungen bietet der Kauf von Standard-Software eine andere Möglichkeit zur Optimierung, um etwa gesetzliche Änderungen in hauseigenen Anwendungen nicht auf eigene Faust umsetzen zu müssen. So informierte die Commerzbank vor gut einem Jahr über den Abschluss eines entsprechenden Vertrags mit dem belgischen Anbieter Clear-2-Pay.

Die Erfahrungen von PPI zeigen, dass Banken auf diese Weise ihre Kosten im Zahlungsverkehr um zehn bis 25 Prozent senken können.

Neben der Reduzierung der Anwendungen im Zahlungsverkehr können die Kreditinstitute auch die Kommunikation der Anwendungen untereinander verbessern. Denn häufig erschweren unterschiedliche Programmiersprachen, Formate oder die parallele Verwendung von dezentralen Architekturen einerseits und zentralen Großrechner-Architekturen andererseits deren Zusammenspiel. Auch hier besteht für Kreditinstitute die Möglichkeit, die Leistungsfähigkeit ihrer eigenen IT-Infrastruktur zu verbessern.

Probleme zügig angehen

Für welche Maßnahmen sich die Geldhäuser auch entscheiden: Wichtig ist, dass sie die Probleme zügig angehen. Denn auch wenn mit Sepa die erste große Welle weitestgehend abgeschlossen ist, warten mit den Vorgaben zum untertägigen Liquiditätsmanagement, den Echtzeitzahlungen und dem Schutz vor Betrug die nächsten großen Herausforderungen auf die Banken. Nach Einschätzung von PPI belaufen sich die Investitionen in die IT-Infrastruktur, die dafür notwendig sind, für größere Häuser auf einen zweistelligen Millionenbereich. Damit entspricht der Umfang ungefähr dem von Sepa.

Ein gewaltiger Aufwand, zu dem es jedoch keine Alternative gibt. Denn wer nicht rechtzeitig in eine verbesserte Infrastruktur investiert, wird von der steigenden Datenflut erschlagen. Es drohen Reputationsschäden, die die Kunden direkt in die Arme der Wettbewerber treiben. Banken müssen den Zahlungsverkehr daher als strategische Aufgabe begreifen und ihm die Aufmerksamkeit schenken, die er verdient: als Drehscheibe für die Kundenbeziehung.

Zum Autor

Dr. Hubertus von Poser, Leiter des Bereichs Zahlungsverkehr, PPI AG, Hamburg

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