Digitalisierung

Für die Sparkassen ist die Digitalisierung kein Selbstzweck

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Alles, was digitalisiert werden kann, wird auch bei den Sparkassen digitalisiert werden (müssen), resümiert Georg Fahrenschon. Doch die Digitalisierung ist kein Selbstzweck, sondern vielmehr ein Mittel zum Zweck, den Sparkassengedanken für die veränderten Kundenerwartungen neu zu formulieren und ein Katalysator für soziale Innovationen. Dreh- und Angelpunkt bleiben deshalb die Mitarbeiter. Denn ihr Engagement, ihre Loyalität und der Vertrauensvorschuss, den sie genießen, sind Voraussetzung für den Erfolg im Web 3.0, in dem menschliche Interaktion eher noch an Bedeutung gewinnen wird. Red.

Zu den großen Stärken der Sparkassen zählt ihre Kundennähe. Das soll sich in der digitalen Welt nicht ändern. Darum wollen Sparkassen die Möglichkeiten der Digitalisierung nutzen, um menschliche Kommunikation unabhängig von Zeit und Raum zu organisieren - und damit ihr Alleinstellungsmerkmal weiter ausbauen.

Die neuen Technologien schaffen Freiräume für Menschen, weil sie neue Formen der Kommunikation ermöglichen. Durch die digitale Vernetzung sind Dienstleistungen schneller abrufbar, können Prozesse schneller gesteuert und Produkte auf direktem Weg verkauft werden. Die Digitalisierung ist daher gerade für Unternehmen im Dienstleistungsbereich relevant. Mit ihr ändern sich die Bedürfnisse und das Verhalten ihrer Kunden. Für die Sparkassen ist Digitalisierung vordringlich keine Frage der Technik. Sie verstehen sie stattdessen als Katalysator für soziale Innovationen, die die Art und Weise, wie Menschen zusammenleben und -arbeiten, verändern werden.

In der digitalen Welt gewinnt menschliche Nähe an Bedeutung

Doch Digitalisierung bedeutet noch mehr: Algorithmen werden immer und überall passende Informationen anbieten. Auf dieser Basis werden Maschinen für Menschen Entscheidungen treffen - ein Trend, den viele Menschen durchaus kritisch sehen. Insbesondere beim Thema Geld verursachen die neuen technischen Möglichkeiten Unbehagen. Denn die Finanzmarktkrise, die unzähligen Skandale in der Finanzbranche oder der weitverbreitete Datenmissbrauch sind bei den Kunden noch längst nicht vergessen. Dazu kommen Reizüberflutung durch Werbung, neue Produkte und immer neue Entscheidungsmöglichkeiten. All das zusammen macht die Lage für Kunden zunehmend unübersichtlicher.

Dagegen setzen Sparkassen auf Transparenz und klare Botschaften. Es ist ihr Zweck, möglichst vielen Menschen ein finanziell selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen. Kurz: "Wir machen es den Menschen einfach, ihr Leben besser zu gestalten." Deshalb sind sie davon überzeugt, dass Kunden in Finanzfragen auch künftig Menschen brauchen, denen sie vertrauen. In der digitalen Welt wird "menschliche Nähe" sogar an Bedeutung gewinnen. Die Technik dafür ist vorhanden - das Web 2.0 dient der Kommunikation zwischen Menschen. Und mit den mobilen Endgeräten ist der Zugriff auf die digitale Welt inzwischen praktisch flächendeckend verfügbar. Gerade die menschliche Vernetzung macht den wesentlichen Unterschied zwischen der Internetwelt 1.0 und dem Web 2.0 aus.

Web 3.0: Ständige Verbindung aus Realität und Virtualität

Das ist allerdings erst ein Anfang. Die eben im Entstehen begriffene Web-3.0-Welt ist gekennzeichnet durch eine ständige Verbindung aus Realität und Virtualität. Zu jedem Zeitpunkt ihres täglichen Lebens wollen Kunden über moderne und mobile Hochleistungsrechner im Handy, in der Uhr, künftig vielleicht in der Brille und im Auto auf alle Daten zugreifen. Damit wachsen die Erwartungen - an Technik, Produkte und Dienstleistungen.

Natürlich müssen Sparkassen innovative Technik beherrschen, bei den Banking-Apps sind sie mit großem Abstand Marktführer in Deutschland, ebenso bei kontaktlosen Bezahlsystemen. Gerade im Bereich Finanzdienstleistungen ist aber das Vertrauen der Kunden entscheidend. Sparkassen prüfen sorgfältig, was zu ihrem Selbstverständnis und zu ihrem Geschäftsmodell passt. Nicht alles, was die jetzt schon über 3 500 Fintechs heute entwickeln, wird mittelfristig Bestand haben. Aber vieles, was gut ist und den Kunden nützt, wird sich schon bald im Angebot der Sparkassen wiederfinden. Mit 414 unabhängigen Instituten haben sie zudem besser als jeder Konzern die Chance, neue Dinge einfach einmal auszuprobieren.

Sparkassen sind Kreditinstitute, die mit der konkreten Aufgabe gegründet wurden, Menschen bei der Eigenvorsorge zu unterstützen. An dieser grundsätzlichen Aufgabenstellung ändert sich in der digitalen Welt nichts. Wer aber das Bewährte auf neue Weise tun will, steht vor der Frage, wie sich diese Aufgabe unter technisch und kommunikativ veränderten Bedingungen lösen lässt. Sparkassen haben sich dazu entschlossen, die Möglichkeiten der Digitalisierung zu nutzen, um den Dialog zwischen Menschen unabhängig von Zeit und Raum zu organisieren. Innovative Dienstleistungen und Produkte sollen das ermöglichen.

"Zukunft denken" ist für die Sparkassen Teil ihres Selbstverständnisses. Dahinter steht das Ziel, technisch ausgereifte Finanzprodukte zu entwickeln, die den Kunden das Leben erleichtern. Sparkassen gestalten deshalb ihre Angebote so, dass sie - auf der Basis der ermittelten Kundenbedürfnisse - ein Höchstmaß der vom Kunden gewünschten und benötigten Sicherheit vermitteln. Gleichzeitig haben sie das Ziel, Zugangs- und Nutzungshürden abzubauen und die Anwendungen intuitiver zu gestalten. Dazu wollen sie den in der Finanzwirtschaft stets vorhandenen Zielkonflikt von Einfachheit und Sicherheit kreativ auflösen.

Entsprechend setzen die Institute Technik ein. Sie nutzen digitale Kontakte, um darüber eine persönliche Beziehung zum Sparkassenmitarbeiter aufzubauen - zu Mitarbeitern, die Kunden in der lokalen Geschäftsstelle wirklich treffen können. Die neuen technischen Möglichkeiten helfen dabei, die Kunden jederzeit zu betreuen. So lassen sich Fragen online beantworten, Gespräche per Videochat führen oder anspruchsvolle Beratungen in der Filiale durchführen. Sparkassen sind davon überzeugt, dass Menschen, Menschen brauchen, denen sie vertrauen können. Genau diese Nähe garantieren sie ihren Kunden, in der realen Welt genauso wie in der digitalen.

Nähe in der realen stützt die Glaubwürdigkeit in der digitalen Welt

Deswegen werden Geschäftsstellen im digitalen Zeitalter weiterhin einen hohen Stellenwert für Sparkassen besitzen. Die "Nähe" in der realen Welt stützt die Glaubwürdigkeit in der digitalen Welt. Kunden werden selbstverständlich auch künftig bei wichtigen Finanzfragen das persönliche Gespräch in der Filiale suchen. Damit steigen die Anforderungen an die Angebote der Sparkassen:

- Die digitalen Services sorgen dafür, dass die Bedeutung der Finanzdienstleistungsfiliale traditioneller Prägung sinkt.

- Umgekehrt steigen die Kundenansprüche an Beratungs- und Produktqualität. Der Mehrwert eines Geschäftsstellenbesuchs muss gegenüber einer Geschäftsabwicklung im Netz deutlich spürbar sein.

Das bedeutet, dass Sparkassen künftig weniger reine Abwicklungsgeschäftsstellen benötigen, gleichzeitig aber die verbleibenden stationären Angebote hinsichtlich Kompetenz und Beratung deutlich aufwerten müssen.

Das Konto wird intelligent

Darüber hinaus werden sie die Konten ihrer Kunden zur "Drehscheibe des täglichen Lebens" weiterentwickeln. Kunden wollen jederzeit und überall Überblick über ihre Finanzen haben. Das Konto soll intelligent werden und durch ständige Bereitstellung der jeweils notwendigen Informationen bei der Bewältigung des täglichen Lebens helfen. Entsprechend werden die Sparkassen ihr Kundenwissen nutzen, um stärker als bisher individuell relevante Angebote unterbreiten zu können.

Mit einer besseren Betreuung der Kunden geht ein transparentes, einfach zu beherrschendes und wettbewerbsfähiges Produktangebot einher. Deshalb werden Sparkassen auch künftig eine breite Produktpalette anbieten. Gleichzeitig werden sie für das alltägliche Geschäft ihre Produkte umfassend standardisieren und für die jeweiligen Kundensegmente bündeln. Das ist die Voraussetzung dafür, dass alle Abschluss-, Abwicklungs- und Serviceangebote auch online angeboten werden können. Um den Kunden möglichst einfache und bequeme Zugangswege zu bieten, werden Sparkassen besonders im IT-Bereich in den nächsten Jahren stark investieren. Die digitale Welt wird so zum neuen Ankerpunkt der Kundenkommunikation.

Arbeitsteilung verbessern

Die nächste große Herausforderung ergibt sich unmittelbar aus den vorgenannten Veränderungen: Je mehr Service- und Vertriebsprozesse automatisiert und über mediale Kanäle zur Kundenselbstbedienung angeboten und genutzt werden, umso mehr stellt sich die Kapazitätsfrage in der bisher geschäftsnotwendigen Infrastruktur. Sparkassen agieren am Markt, entsprechend muss die Infrastruktur eine Form von Wertschöpfung ermöglichen, die von Kunden honoriert wird. Auch deshalb werden die Institute investieren: in Technik und Ideen. Sparkassen werden eine neue Innovationskultur entwickeln und die Arbeitsteilung innerhalb der Finanzgruppe verbessern.

So konzentriert sich der Deutsche Sparkassen- und Giroverband (DSGV) künftig klar auf die strategische Führung. Verbundunternehmen wie etwa dem Deutschen Sparkassenverlag (DSV) oder der Finanz Informatik (FI) kommt dann bei der Umsetzung eine Schlüsselrolle zu. Zudem wird im DSGV eine Innovationseinheit eingerichtet, die interdisziplinär besetzt Ideen generiert, Anregungen von Sparkassen aufnimmt und diese dann zu Konzepten weiterentwickelt.

Dreh- und Angelpunkt sind die Mitarbeiter

Sparkassen haben gute Chancen, dies auch künftig zu realisieren. Angesichts steigender Komplexität fehlt es den Kunden an Zeit, ihre Situation und passende Angebote selbst zu analysieren. Dreh- und Angelpunkt in Sparkassen werden auch beim Thema Digitalisierung stets die Mitarbeiter sein: Ihr Engagement und ihre Loyalität sind entscheidend für den Erfolg in der digitalen Welt.

Vermutlich werden in der gesamten Branche die Mitarbeiterzahlen in den nächsten Jahren eher zurückgehen. Für Sparkassen steht aber im Vordergrund, in die Mitarbeiter zu investieren und sie für die neuen Aufgaben zu qualifizieren. Denn ein wesentliches Alleinstellungsmerkmal der Sparkassen sind die 244 000 Menschen, die für sie überall in Deutschland arbeiten.

Sowohl die Marke Sparkasse als auch die Berater genießen einen großen Vertrauensvorschuss. Gerade angesichts der neuen Unübersichtlichkeit sehnen sich viele Menschen nach regionaler Identität. So hinterfragen Kunden verstärkt die Herkunft von Produkten und Dienstleistungen oder sie beziehen ihre Waren vorzugsweise wieder aus der eigenen Region. Damit stößt die Digitalisierung bei den Kunden von Finanzdienstleistungen einen Wertewandel an, der besonders den Sparkassen einen Wettbewerbsvorteil gegenüber den Konkurrenten im Markt verschafft. Mit ihrem umfassenden Kundenwissen und ihrer Marktverankerung können sie neue Märkte - und damit auch neue Erlösquellen - erschließen. Denn ihr Geschäftsmodell unterscheidet sich signifikant von Banken herkömmlichen Typs.

Sparkassen sind dem Gemeinwohl verpflichtet. Sie setzen auf langfristigen Werterhalt statt auf Gewinnmaximierung, pflegen Kunden- und Geschäftsbeziehungen über Jahrzehnte. Sie stehen Menschen, Unternehmen und Kommunen stets zur Seite, wenn es darum geht, neue Entwicklungen anzustoßen und umzusetzen. Als regionale Geldinstitute können sie sehr flexibel sein. Sie kennen ihr Geschäftsgebiet und setzten sich für seine Stärkung ein.

Den Sparkassengedanken neu formulieren

Das einzigartige Sparkassenmodell birgt das Potenzial, zum entscheidenden Wettbewerbsfaktor für die Zukunft zu werden. Gerade im Bereich Finanzdienstleistungen ist das Vertrauen der Kunden entscheidend. In Deutschland gibt es kaum eine andere Marke, die es an Bekanntheit mit dem Sparkassen-S aufnehmen kann. Die Marke verbindet Kundenorientierung, ertragsorientierte Unternehmensführung und gemeinwohlorientiertes Handeln.

Sparkassen ist es bewusst: Alles, was digitalisiert werden kann, wird digitalisiert. Doch die Digitalisierung ist kein Selbstzweck, sondern Mittel zum Zweck, einmal mehr den Sparkassengedanken für die geänderten Kundenerwartungen neu zu formulieren. Im Ergebnis werden die Menschen profitieren. Sie können sich auch in Zukunft darauf verlassen, jederzeit Zugang zu den Leistungen und Angeboten ihrer regionalen Sparkasse zu haben. Die Möglichkeiten der Digitalisierung helfen dabei, Kunden jederzeit umfassend zu betreuen - unabhängig davon, ob sie sich über Handy, Computer oder direkt bei ihrem Berater melden.

Zum Autor Georg Fahrenschon, Präsident, Deutscher Sparkassen- und Giroverband e.V., Berlin
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