Direct Banking

Herausforderungen für Direktbanken - es geht um mehr als "digital"

Arno Walter, CEO, comdirect bank AG, Quickborn
Quelle: comdirect

Direktbanken und Filialbanken werden sich in ihren digitalen Angeboten immer ähnlicher. Nach wie vor bedienen sie jedoch unterschiedliche Zielgruppen, so Arno Walter. Es geht aber längst nicht mehr nur um Vertrieb mit oder ohne Filialen. Sondern durch Fintechs und die "GAFAS" hat der Wettbewerb an Komplexität gewonnen. Smartphone-Banken wie N26 oder Revolut sind ein neues Segment im Direktbankmarkt. Für die klassischen Direktbanken heißt das: Es reicht nicht mehr, nur digital zu sein und im Konditionenvergleich gut abzuschneiden. Sondern es wird immer wichtiger, sich mit den Bankdienstleistungen in die Lebenswelt der Kunden einzufügen und Convenience in den Fokus zu nehmen. Die dazu nötigen Innovationen erfordern auch interne Veränderungen. Red.

Die Digitalisierung verändert die Bankenlandschaft. Auch wenn immer noch zwischen Filial- und Direktbanken unterschieden wird: Die Kundenzugangskanäle verschwimmen. Zwar verzichten Direktbanken nach wie vor auf ein Filialnetz. Aber die Filialbanken werden zunehmend digitaler.

So ergab eine Umfrage des Bankenverbands im Juni 2018, dass die Hälfte aller Deutschen mittlerweile Online-Banking nutzt. Selbst 46 Prozent aller Kunden, die ihr Hauptkonto bei einer Sparkasse haben, erledigen ihre Bankgeschäfte online - obwohl Sparkassen ja bekanntermaßen über ein sehr breites Filialnetz verfügen.

Verschiedene Kernzielgruppen mit unterschiedlichen Erwartungen

Sind also nicht, wie lange Zeit behauptet, die Direktbanken eine Konkurrenz für Filialbanken, sondern ist es vielleicht anders herum? Tatsächlich haben beide Bankformen eine klare Zielgruppe.

- Wer sein Hauptkonto bei einer Filialbank hat, schätzt die Möglichkeit der persönlichen Beratung. Das Gespräch von Angesicht zu Angesicht, der persönliche Ansprechpartner vor Ort wird nach wie vor von vielen Deutschen geschätzt, gerade auch bei komplexeren finanziellen Fragen wie einer langfristigen Finanzierung.

- Direktbank-Kunden hingegen sind meist selbstbestimmte Finanzentscheider. Sie informieren sich selbstständig über Finanzthemen, um dann frei entscheiden zu können, wo sie welche Produkte kaufen oder Finanzdienstleistungen nutzen. Insbesondere die Generation Mobile erwartet heute von ihrer Bank das, was sie auch aus anderen Lebensbereichen kennt: jederzeit und überall verfügbare Informationen und Produkte, die sich einfach und schnell abrufen beziehungsweise erwerben lassen. Und sollten doch einmal Fragen auftauchen, sollten diese von ihrer Bank möglichst rund um die Uhr beantwortet werden können. All dies können Direktbanken leisten.

PSD2 verschärft den Wettbewerb

Ist der Markt also groß genug für alle Banken? Fakt ist: Noch nie war das Wettbewerbsumfeld so komplex wie heute. Zu den Filial- und Direktbanken sind in den vergangenen Jahren zum einen die sogenannten GAFAAs hinzugekommen, die über ihre riesigen Plattformen immer mehr Zahlungsdienstleistungen anbieten. Laut einer Bitkom-Studie vom Mai 2018 können sich 38 Prozent der Befragten vorstellen, ihre Bankgeschäfte über Internetunternehmen wie Google, Apple oder Amazon zu tätigen.

Fintechs als weitere Wettbewerber entwickeln (mal mehr, mal weniger erfolgreich) neue Use Cases, mit denen sie ebenfalls um Bankkunden konkurrieren. Durch die Richtlinie PSD2 wird sich der Wettbewerb hier noch einmal deutlich verschärfen. Denn die PSD2 regelt unter anderem, dass Banken die Kundenschnittstelle auch für Drittanbieter, also Fintechs oder auch die GAFAAs, öffnen müssen.

Sind Smartphone-Banken die neuen Gewinner?

Hinzu kommen die sogenannten Smartphone-Banken. Als neue Marktteilnehmer sind sie, zumindest im Zahlungsverkehr, eine weitere Konkurrenz. Auch sie sprechen die selbstbestimmten Finanzentscheider an, die smarte und kostengünstige Lösungen wollen. Per Definition handelt es sich bei den Smartphone-Banken ebenfalls um Direktbanken, denn auch sie verzichten auf Filialen. Der Unterschied besteht in der (bisherigen) Fokussierung auf das Smartphone als Kundenzugangskanal.

- Die Berliner Smartphone-Bank N26 hat innerhalb von rund fünf Jahren nach eigenen Angaben etwa eine Million Kunden gewonnen, davon einen Großteil in Deutschland.

- Der britische Konkurrent Revolut, gegründet im Sommer 2015, hat eigenen Angaben zufolge über alle Länder doppelt so viele Kunden wie N26, davon die meisten allerdings im Heimatmarkt Großbritannien. Revolut strebt an, seinen Marktanteil in Deutschland auch mittels neuer Angebote weiter auszubauen. Ziel seien 300 000 Kunden im DACH-Raum bis Ende 2018.

Gründe für das schnelle Wachstum

Wie kommt es, dass die "jungen Wilden" in einer Branche, in der immer noch Vertrauen der entscheidende Faktor für die Kundenbindung ist, relativ schnell wachsen?

Zum einen konzentrieren sie sich nur auf ein beschränktes eigenes Produktangebot. Bei N26 steht die Kontoführung im Mittelpunkt, Revolut spricht mit seinem Fokus auf Währungen vor allem Vielreisende an. Beide Dienstleister konnten in ihren jeweiligen Nischen smarte Lösungen konzipieren.

Weil Smartphone-Banken einerseits keine Universalbanken sind, die selber das gesamte Spektrum an Bankdienstleistungen und -produkten anbieten, und andererseits erst neu am Markt aktiv sind, müssen sie auch weniger umfangreiche Regulierungsvorgaben erfüllen als die traditionellen Bankinstitute und können anders agieren. Dazu trägt zudem bei, dass sowohl Revolut als auch N26 über internationale Kapitalgeber verfügen, die ihnen Wachstum ermöglichen, auch wenn sich ihre Geschäftsmodelle noch nicht rechnen. So erwirtschafteten N26 und Revolut gemäß den letzten öffentlich verfügbaren Zahlen im Jahr 2016 noch Verluste.

Direktbanken sind Fintechs erster Generation

Im Gegensatz zu den Smartphone-Banken wurden die meisten der in Deutschland erfolgreichen Direktbanken bereits in den neunziger Jahren gegründet. Ihr Verzicht auf Filialen galt als revolutionär. Stattdessen waren Telefon, Fax, Post und später der Computer die Kontaktmöglichkeiten zum Kunden. Dadurch ist die DNA der Direktbanken per se digital. Man könnte sogar sagen, dass Direktbanken Fintechs erster Generation sind.

Heute bieten sie selber als Universalbanken von Zahlungsverkehr über Wertpapiere und Sparanlagen bis hin zum Kreditgeschäft sämtliche Finanzdienstleistungen an. Das unterscheidet sie elementar von den Smartphone-Banken.

Über die Jahrzehnte haben sich die Direktbanken in Deutschland einen soliden Kundenstamm aufgebaut. Und sie wachsen, trotz zunehmender Konkurrenz, weiter: So konnte beispielsweise die Comdirect Bank AG allein im ersten Halbjahr 2018 über 100 000 Neukunden gewinnen - und gleichzeitig ein positives Ergebnis in Höhe von rund 48 Millionen Euro erzielen. Direktbanken wachsen profitabel. Aber es ist kein Geheimnis, dass sie sich nicht auf den Erfolgen der Vergangenheit ausruhen dürfen.

Banken müssen sich in die Lebenswelt ihrer Kunden einfügen

Im Zeitalter des Internets ist der Wettbewerber immer nur einen Mausklick entfernt. Wie hält man Kunden und gewinnt neue dazu? "Bei uns steht der Kunde im Mittelpunkt" - diese Aussage schreibt sich fast jedes Unternehmen auf die Fahnen. Nur leider weicht die Realität, gerade auch im Bankensektor, häufig davon ab.

Vertriebs- und Provisionsdruck sind weiter vorhanden. Hier können Direktbanken punkten, denn ein klassischer Vertrieb findet dort nicht statt. Ihre Kunden entscheiden selbst, welche Produkte und Leistungen sie brauchen und wollen. Das erhöht auch die Kundenzufriedenheit: Bei der repräsentativen Studie "Fanfocus Deutschland" des Mainzer Marktforschungsunternehmens 2HMforum lagen von den acht zur Auswahl stehenden Banken die drei Direktbanken ING-Diba, DKB und Comdirect hinsichtlich zufriedener Kunden vorne.

Sicherlich entscheidet sich der Kundenwettbewerb auch über Konditionen. Menschen, die selbstbestimmt über ihre Finanzen entscheiden, sind zumeist preisbewusst und vergleichen. Aber allein durch "billig" - also niedrige Kosten - lassen sich Kunden heute nicht mehr überzeugen. Sie erwarten von ihrer Bank, was sie auch aus anderen Lebensbereichen gewohnt sind: Banking muss so einfach, schnell und bequem wie möglich sein. Insbesondere die Generation Mobile möchte Bankgeschäfte jederzeit und überall erledigen können. Eine moderne Bank muss sich daher in die Lebenswelt ihrer Kunden einfügen, um zukunftsfähig zu sein.

Eine neue Customer Journey für maximale Bequemlichkeit

Es reicht heute nicht mehr, nur digital zu sein, Online-Banking zu ermöglichen oder einfach nur eine schicke Banking-App zu haben. Stattdessen muss die Customer Journey komplett neu und vom Kunden her gedacht werden. Eine moderne Bank und ihre Dienstleistungen sollten über eine Vielzahl von Kanälen erreichbar sein - je nach Situation, in welcher der Kunde seine Bank kontaktieren möchte, kann das beispielsweise das Telefon, der Chatbot, die E-Mail oder der Sprachassistent sein. Die Antwort auf seine Frage, seinen Produktwunsch, die Dienstleistung, die er in Anspruch nehmen möchte - all diese Dinge müssen schnell und vor allem einfach zu erledigen sein.

Convenience heißt das Zauberwort. Banken, deren Internetauftritt mehrere Sekunden lädt, oder ein Überweisungsformular, das erst nach Minuten ausgefüllt ist - solche Vorgänge schrecken insbesondere jüngere und mobile Kunden massiv ab.

Innovationsformate für echten Wandel

Smarte, innovative Lösungen für den Kunden entwickeln sich allerdings nicht von selbst, erst Recht nicht in größeren, gewachsenen Strukturen. Wie schaffen es Direktbanken, schnell und innovativ zu sein? Und das noch dazu über das gesamte Produktspektrum? Dafür braucht es in erster Linie eine neue Unternehmenskultur, die Raum für Ideen lässt. Bei Comdirect gab die neue Strategie 2015 dafür einen starken Impuls.

Mittlerweile verfügt die Direktbank über diverse Innovationsformate, die für eine stetige Generierung von Ideen sorgen. Dazu zählt beispielsweise das interne Ideen- und Innovationstool, wo alle Mitarbeiter ihre Ideen einbringen können. Einmal im Jahr veranstaltet die Bank den Innovation Day, auf welchem dem Kollegium die neuesten digitalen Entwicklungen aus unterschiedlichen Branchen vorgestellt werden. Ein Highlight ist sicherlich die "Höhle der Antilopen": Mitarbeiter mit eigenen innovativen Ideen können diese in Workshops weiterentwickeln und auf dem Innovation Day vor einer Jury pitchen.

Ebenfalls intern wird der Innovationsradar geführt, mit dem die Bank Trends beobachtet. Formate mit Externen wie der jährliche Collabothon oder das Finanzbarcamp im Rahmen der Hamburger Fintech-Week sind ebenfalls gute Inspirationsquellen für Innovationen. Alle Ideen, die sich aus den genannten Formaten ergeben, werden analysiert und bewertet. Dabei gilt: Es gibt keine Denkverbote, jeder kann und darf sich einbringen. In sogenannten Flagships werden die priorisierten Themen dann weiterentwickelt. Hier wird team- und bereichsübergreifend gearbeitet. Interessierte Mitarbeiter werden über einen begrenzten Zeitraum von ihren eigentlichen Aufgaben freigestellt und dürfen sich voll auf die Umsetzung der Innovationen fokussieren.

Nicht zuletzt werden neue Ideen durch externe Kooperationen, insbesondere mit Fintechs, generiert. Comdirect hat dafür vor Jahren die Start-up-Garage ins Leben gerufen. Hier können sich Gründer mit ihren Ideen bewerben und werden dann von Comdirect bei der Weiterentwicklung zu Prototypen mit Raum, Rat und Tat, Technik sowie finanziell unterstützt.

Neue Ideen erfordern eine neue Zusammenarbeit

All diese Innovationsformate führen letzten Endes aber nur dann zu einem guten Ergebnis, wenn auch die Art der Zusammenarbeit sich grundsätzlich verändert. Das Silodenken muss abgeschafft werden. Stattdessen sollte ein klares Zielbild definiert werden, für das alle Mitarbeiter gemeinsam antreten. Das heißt auch: mehr Verantwortung für den Einzelnen und Abbau von Hierarchien.

In vielen Direktbanken wird heute, zumindest in Teilen, bereits agil gearbeitet. Diese aus der Software-Entwicklung stammende Art der Zusammenarbeit ermöglicht im Gegensatz zum klassischen Wasserfallmodell deutlich mehr Flexibilität. Unternehmen können so schneller auf Veränderungen reagieren, neu priorisieren, Entwicklungen frühzeitig testen und alle Schnittstellen möglichst frühzeitig einbinden.

Agiles Arbeiten erfordert vom Einzelnen aber auch eine größere Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen, selbstständig und schnell zu entscheiden. Und es verändert die Art zu führen. Führungskraft wird in agilen Strukturen nicht zwangsläufig der Mitarbeiter mit der längsten Berufserfahrung oder der größten fachlichen Kompetenz. Gefordert ist das Geschick, die einzelnen Teammitglieder zu befähigen, als Product Owner verantwortungsvoll zu agieren - und dafür zu sorgen, dass bei aller Agilität das große Ganze nicht aus dem Blick gerät.

Zum smarten Finanzbegleiter werden

Bei aller Innovationsfreude gilt natürlich, dass das Ergebnis am Ende nicht nur dem Kunden gefallen, sondern ihn auch an die Bank binden sollte. Ein Kreditinstitut muss es schaffen, sich mit seinen Dienstleistungen in die Lebenswelt seiner Kunden zu integrieren. Mit Produkten und Dienstleistungen, die einen echten Mehrwert bieten, erhöht sich die Zufriedenheit des Kunden - was dazu führt, dass dieser am Ende mehr Produkte als nur das Girokonto nutzt.

Hier schließt sich der Kreis: Banken, die durch innovative Lösungen zum smarten Finanzbegleiter ihrer Kunden werden, werden auch zukünftig profitabel wachsen. Dafür braucht es allerdings den Mut und die Entschlossenheit, Bank täglich neu zu denken.

Zum Autor Arno Walter, CEO, comdirect bank AG, Quickborn
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