Zielgruppenmanagement

Mit intelligenter Kundensegmentierung zu mehr Rentabilität

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Weite Teile der Privatkundschaft von Banken verfügen weder über relevante Sparbeiträge noch über Vermögen. Auch ganzheitliche Beratungskonzepte können deshalb nichts daran ändern, dass annähernd 40 Prozent der Kunden für Banken und Sparkassen nicht profitabel sind. Notwendig ist deshalb nach Einschätzung der Autoren ein radikaler Umbau des Geschäftsmodells auf Basis einer Kundensegmentierung nach Kriterien der Profitabilität: Aktive Betreuung soll es dann nur noch für solche Kunden geben, die ein entsprechendes Ertragspotenzial bieten. Für die Übrigen gilt es, die mediale Filiale auszubauen. Beratung gibt es für sie nur noch auf Kundenwunsch - auch dann freilich ohne Extra-Kosten. Red.

Die richtige Kundensegmentierung ist schon seit vielen Jahren eine Schlüsselfrage in der Gestaltung von Geschäftsmodellen im Retail-Banking. Im Mittelpunkt der Diskussion stehen dabei vor allem soziodemografische oder psychografische Kriterien. Zwei Entwicklungen haben aber in der letzten Zeit die traditionellen Segmentierungen derart überlagert, dass ein Überdenken erforderlich ist.

Die erste Entwicklung betrifft die zunehmende Konzentration von Einkommen, Sparquote und Vermögen. Diese hat dazu geführt, dass etwa 93 Prozent der jährlichen Sparleistung von zirka 50 Prozent der Haushalte getragen wird und zirka 80 Prozent des Geldvermögens auf 10 Prozent der Haushalte fällt. Zusätzlich fällt auf, dass 50 Prozent aller bundesdeutschen Haushalte nur noch rund 3 Prozent ihres Einkommens im Schnitt sparen können oder mögen.

Rapider Verfall der Einlagenmarge

Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass aus Sicht einer Bank weite Teile der Privatkunden weder über relevante Sparbeiträge noch Vermögen verfügen. Im Mittelpunkt steht vor allem die Frage der Verteilungsgerechtigkeit, die von allen ideologischen und politischen Lagern sehr unterschiedlich und kontrovers gesehen wird. Faktum ist aber, dass diese Polarisierung inzwischen sehr bedeutend geworden ist und unabhängig davon, wie man diese Entwicklung beurteilen will, für Wirtschaftsunternehmen und insbesondere Banken eine ökonomische Realität darstellt.

Die zweite Entwicklung ist der rapide Verfall der Einlagenmarge durch die anhaltende Niedrigzinsphase. Ohne Berücksichtigung von Liquiditätskosteneffekten durch Bodensätze ist die Zinsmarge auf der Einlagenseite nahe der Null-Linie. Der dadurch entstandene Ertragsverlust beträgt im Privatkundengeschäft in Deutschland mindestens 10 Milliarden Euro.

Kundensegmentierung nach ertragsorientierten Kriterien

Das Zusammenwirken dieser beiden Faktoren führt dazu, dass die Ertragsstruktur im Privatkundengeschäft immer schiefer verteilt wird. Aus diesem Grunde lohnt sich bei einer Segmentierungskonzeption jedenfalls eine sehr differenzierte Schichtung nach ertragsorientierten Kriterien; den besten Aufschluss ergibt eine Segmentierung nach mehreren Kriterien:

- AuM (Assets under Management: Kundeneinlagen und Kundenwertpapiere),

- MuM (Money under Management: AuM zuzüglich Kundenkredite),

- eMuM (erweitertes Money under Management: MuM zuzüglich vermittelte Kredite und Einlagen sowie Rückkaufswerte von Versicherungen)

- und auch die Bruttoerträge je Kunde (Zinskonditionenbeiträge zuzüglich Provisionsnettoertrag).

In der Praxis stellt sich die Frage, ob man diese Darstellungen pro Kunde oder Kundenverbund wählen sollte. Wir empfehlen eine Darstellung nach Kundenverbünden oder Haushaltseinheiten, sofern diese auch gut gewartet sind. Denn diese entsprechen dem Anspruch vieler Banken und Sparkassen nach ganzheitlicher Betrachtung und Betreuung einer Kundenverbindung. Sind diese Verknüpfungen datentechnisch jedoch nicht oder zu wenig qualitativ vorhanden, gibt jedoch auch die Darstellung nach Kunden genügend Aufschluss über die betriebswirtschaftlichen Realitäten.

Die Hälfte der Kunden erwirtschaftet keinen ausreichenden Ertrag

Confidum und seine Partner wenden an dieser Stelle schon seit vielen Jahren das S-6-Modell an; dabei werden die genannten Kriterien in 6 Schichten unterteilt. Dabei zeigt sich immer wieder ein sehr ähnliches Bild; auf Basis der Analysedatenbank (zirka 1,5 Millionen Kundenverbindungen) zeigt sich dabei im Durchschnitt eine Verteilung, wie sie in Abbildung 1 dargestellt wird.

Egal welcher Blickwinkel dabei angesetzt wird: Rund die Hälfte der Kunden erwirtschaftet aus Sicht einer Bank heute keinen ausreichenden Ertrag zur Deckung allfälliger Kosten und auch kein signifikantes Ertragspotenzial, wenn man die gesamtwirtschaftlichen Zahlen betrachtet. Das Privatkundengeschäft einer Regionalbank ist eben das statistische Abbild seiner Bevölkerung. Noch drastischer wird das Ergebnis, wenn die durch Direktbanken immer mehr unter Druck stehenden Zahlungsverkehrsgebühren neutralisiert werden.

Stellt man den Erträgen der Segmente auch die entsprechenden Kostenpositionen (Basis Confidum Komplexitätskostenmodell) gegenüber, so zeigt sich die strategische Fehlstellung des Geschäftsmodells in voller Dramatik: Die Kleinkunden bringen Verluste in Millionenhöhe: Pro Tausend Kunden in den Servicekunden-Segmenten wird ein Verlust von 132000 Euro erzielt.

Inzwischen macht sich auch immer mehr die Erkenntnis breit, dass sich diese Situation auch mit noch so intensiven Cross-Selling-Bemühungen nicht verbessern wird. Die ganzheitlichen Finanzberatungskonzepte, die mit viel Aufwand entwickelt und eingesetzt wurden, bringen nur bei 35 bis 40 Prozent der Kunden wirklich einen Nutzen und für die Bank einen entsprechenden Ertrag. Ein großer Teil der Anstrengungen und Aufwendungen verpufft somit an der Realität der deutschen Verteilung von Sparfähigkeit und Vermögen.

Geschäftsmodell umbauen

Abhilfe bringt nur ein rascher und entschiedener Umbau des Geschäftsmodells, der an den Ertragspotenzialen und am Beratungsbedarf der Kunden ansetzt. Die dafür erforderlichen Bausteine sind in den meisten Regionalbanken vorhanden, müssen aber anders kombiniert und gewichtet werden. Diesem Umbau muss allerdings eine konsequente Segmentierung nach den Potenzialen in der Marktbearbeitung vorausgehen. Zwei oder drei Segmente im Privatkundengeschäft können für den Anfang genügen.

Im Kern geht es um die Identifizierung der betriebswirtschaftlichen Potenzials der Kunden. Diverse Subsegmente nach Beratungsaffinitäten (ein Beispiel sind "Selbstentscheider") können in dieses einfache, aber dynamische Modell integriert werden.

Aktive Beratung nur für Kunden mit Potenzial

Die aktive persönliche Beratung und Betreuung der Kunden bleibt denjenigen Kunden vorbehalten, die heute bereits über kritische Mengen an Sparquote und/oder Money under Management (MuM) verfügen oder entsprechendes Potenzial dafür vermuten lassen. In diesem Konzept bildet die persönliche Beratung der Kunden durch einen gut ausgebildeten und qualifizierten Berater den ersten Baustein.

Um die Beratung aber auch effektiv einzusetzen, hat diese bei jenen Kunden anzusetzen, die über ein Mindestmaß an finanziellem Potenzial verfügen, sodass sich die Beratung sowohl für diese und die Bank rentiert. Nach Erfahrungen der beiden Autoren ist das zirka 30 bis 50 Prozent der Kundenbasis und speziell definierte Potenzialkunden.

Auch die Strukturierung der Beratung ist ein wesentlicher Erfolgsfaktor. An erster Stelle steht dabei die ganzheitliche Finanz- und Vorsorgeberatung, mit der die finanziellen Verhältnisse langfristig geplant und geordnet werden. Ist das einmal passiert, so ist eine Überprüfung nur bei Anlass oder in größeren Zeitabständen erforderlich - im Detail hat eine Bank hier vielfältige Gestaltungsmöglichkeiten.

Besondere Themen sind die Baufinanzierung - das einschneidendste finanzielle Ereignis im Leben vieler Kunden - und die Anlageberatung. Zu diesem Zweck ist der Einsatz von Spezialberatern ein Konzept, das sowohl den Kunden als auch der Bank einen hohen Nutzen bringt und im Fall der Anlageberatung in der Detailgestaltung durchaus komplex ist.

Produktivität der Beratung im Auge behalten

Für den Erfolg einer Bank ist aber nicht nur die Qualität der Beratung wichtig, sondern auch deren Produktivität. Das ist ein Faktor, dem man in der Vergangenheit nicht annähernd die gleiche Bedeutung zugemessen hat wie der Fachkompetenz und Ausbildung.

Einen hohen Produktivitätsfortschritt erzielt die Bank oder Sparkasse, wenn sie Kunden mit geringem Einkommen und/oder Money under Management aus dem "aktiven Beratungsprozess" ausnimmt. Untersuchungen der beiden Autoren zeigen einen um zirka 35 bis 40 Prozent geringeren Personalbedarf in den Vertriebsstellen und eine höhere Kunden- und Mitarbeiterzufriedenheit, weil die Mitarbeiter ihre Kunden doch am besten kennen und wissen, wo sich eine Beratung aus betriebswirtschaftlicher Sicht lohnt und wo nicht.

Ein weiterer Aspekt ist die Betrachtung der durchschnittlichen Frequenz an Beratungen pro Tag. Diese beläuft sich in den meisten Banken auf 2 bis 3 Beratungsgespräche pro Tag. Vergleicht man das mit anderen Dienstleistungsunternehmen, ist das ein alarmierender Wert. Zur Optimierung gibt es zwei Stoßrichtungen, die parallel zu verfolgen sind.

- Die erste besteht in der Verdichtung der Beratungsstandorte und einer Konzentration der Kunden - wenn man von einer durchschnittlichen Beratungsfrequenz von 18 Monaten und von 4 Beratungsgesprächen pro Tag ausgeht, so kann ein Kundenberater zirka 1 400 beratungsrelevante Kunden betreuen. Die wenigsten Filialen besitzen eine solche Kundenanzahl; die Unterauslastung ist damit schon vorprogrammiert. Im Umkehrschluss kann eine gesamte Kundenbasis von 100 000 Kunden mit 35 bis 40 Beratern abgedeckt werden. Von solchen Kennziffern ist die durchschnittliche Regionalbank weit entfernt.

- Die zweite Stoßrichtung ist die persönliche Beratung über Telekommunikation - in erster Linie bietet sich hier die Videoberatung an. Gerade für jüngere Kundenschichten ist das auch durch die zeitlich hohe Verfügbarkeit und Unabhängigkeit einer vorgängigen Terminvereinbarung ein Vertriebskanal mit hoher Convenience und Attraktivität. Diese Art der Beratung dürfte in den nächsten Jahren rasant zunehmen. Damit kann auch die Produktivität weiter gesteigert werden: 10 Beratungsgespräche pro Arbeitsschicht sind nach ersten Erfahrungen durchaus machbar.

Mediale Filiale ausbauen

Der zweite Baustein ist eine gut ausgebaute "Mediale Filiale" aus einer Kombination von Internet und einem Kundenservicecenter, in dem alle einfachen Kundenangelegenheiten per Telefon und Mail bearbeitet werden. Dieser Vertriebsschiene werden auch alle Kunden zugeordnet, die nicht in die persönliche und individuelle Betreuung fallen. Diese werden bezüglich Produktverkauf mit medialen Kampagnen bedient.

Sofern daraus ein persönlicher Beratungsbedarf entsteht, können auch diese Kunden die Beratung ohne Zusatzkosten in Anspruch nehmen. Mit dem Ausbau der "Medialen Filiale" ist der dezentrale Kundenservice in den Filialen sukzessive zu reduzieren und am Ende der Transformation nur noch auf die Standorte zu konzentrieren, an denen auch die Beratung stattfindet.

Ein solcher Umbau stellt eine große Herausforderung für das Management dar. Diese liegt bei näherer Betrachtung nicht so sehr auf der Ebene des Geschäftsmodells. Viele Elemente des Zukunftsmodells sind heute schon ausgeprägt und müssen nur optimiert und entlang den technischen Möglichkeiten weiterentwickelt werden: Multikanalstrategie, Preismodelle, CRM-Systeme, Private-Banking-Einheiten, Immobiliencenter, Ressourcensteuerung, zentrale Produktlieferanten.

Die größten Hürden der Praxis stellen die enormen Ressourcen an Standorten, Beratern, Servicekräften und Stabsmitarbeitern dar, die vom traditionellen Geschäftssystem noch immer hier stehen und in der Zukunft keine produktive Verwendung mehr finden. Dasselbe gilt auch für die zentralen Ebenen, die entsprechend strukturiert und ausgerichtet werden müssen.

Um einen Sozialkollaps zu vermeiden, ist es unbedingt erforderlich, eine Restrukturierung anhand eines Masterplanes so rasch wie möglich zu beginnen und über einen entsprechenden Zeitraum auszudehnen. Damit kann auch ein radikaler Schnitt evolutionär durchgeführt werden.

Zu den Autoren Dr. Christof Grabher, Präsident des Verwaltungsrats, CONFIDUM Financial Management Consultants AG, St. Margrethen, Stephan Vomhoff, Inhaber, Stephan Vomhoff und Kollegen, Göppingen

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