KUNDENBINDUNG

Die Kundenerwartungen nur unzureichend erfüllt

Prof. Dr. Jessica Hastenteufel, Foto: Universität des Saarlandes

Kundenzufriedenheit ist die Basis für Kundenbindung, von der wiederum das Ertragspotenzial einer Kundenbeziehung abhängt. Hier sehen Jessica Hastenteufel und Sabrina Kizka jedoch erhebliche Defizite. Einen Schlüssel für mehr Kundenzufriedenheit sehen sie im Kommunikationsverhalten der Banken. Anstatt die Kunden regelmäßig zu kontaktieren, sollten digitale Assistenten und Messenger-Kommunikation in den Fokus gestellt werden. Beim persönlichen Kontakt gilt es dagegen, die Kunden nach ihren Wünschen zu fragen - und diese dann auch zu erfüllen Red.

Foto: AdobeStock_Blue Planet Studio

Das aktuelle Marktumfeld für Banken und Finanzdienstleister ist von zahlreichen Herausforderungen gekennzeichnet. Die Finanz- und Wirtschaftskrise der Jahre 2007 ff. hat eine neue Realität geschaffen, die durch die anhaltende Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank und anhaltende Belastungen einer zunehmenden Regulierung gekennzeichnet ist. Hinzu tritt die Digitalisierung, die die Bankenlandschaft fundamental verändert. Doch nicht nur die Rahmenbedingungen, in denen Banken agieren, haben sich grundlegend verändert, sondern auch das Verhalten der Bankkunden selbst. Die Kunden sind informierter und anspruchsvoller als je zuvor. Werden die gestiegenen Erwartungen an das Kundenerlebnis, nicht erfüllt, ist die Wechselbereitschaft hoch. Hinsichtlich des steigenden Handlungsdrucks ist es daher essenziell, den gestiegenen Erwartungen der Kunden gerecht zu werden.

Der Begriff "Kundennähe" hat durch die Digitalisierung eine Erweiterung erfahren, sodass sowohl die klassische soziale und lokale Nähe zum Kunden durch persönliche Ansprechpartner als auch die technische Nähe verbunden mit der jederzeitigen Zugriffsmöglichkeit auf die Leistungen der Banken berücksichtigt werden muss. So kann beispielsweise auch die Filiale in der Hosentasche Nähe repräsentieren. Daher ist Kundennähe heutzutage vielmehr eine sinnvolle Erreichbarkeit und hohe Kompetenz als nur eine räumliche Präsenz. Letztlich beschreibt der Begriff die Strategie, sich vollständig an der Erfüllung von Kundenwünschen auszurichten. Dadurch kann eine Steigerung der Kundenzufriedenheit erreicht werden.

Hierzu wird das in der Literatur zumeist angeführte Konfirmations-/Diskonfirmations-Paradigma zur Erklärung der Zufriedenheitsentstehung herangezogen. Zufriedenheit resultiert dabei aus dem Vergleich der tatsächlich gemachten Erfahrung bei der Inanspruchnahme einer Leistung (Ist-Leistung) mit einem bestimmten kundenindividuellen Vergleichsstandard (Soll-Leistung). Daher entscheidet der Erfüllungsgrad der Erwartungen über den Grad der Zufriedenheit. Dabei ist zu beachten, dass emotionale Prozesse die kognitiven Aspekte dominieren. Werden die Erwartungen erfüllt, ist der Kunde zufrieden. Jedoch kann nur eine Übererfüllung zu echter Begeisterung führen. Durch eine Nichterfüllung der Erwartungen können zahlreiche unzufriedene Kunden hinterlassen werden.

Kundenbewertungen immer bedeutsamer

Unzufriedene Kunden weisen nicht nur eine höhere Abwanderungstendenz auf, sondern betreiben zusätzlich negative Mundpropaganda und teilen ihre Erfahrungen zudem wesentlich öfter als zufriedene Kunden. Dies ist in Zeiten der sozialen Medien noch relevanter geworden. Die soziale Mundpropaganda in Form von Kundenbewertungen ist heutzutage bei vielen Kaufentscheidungen ein ausschlaggebender Faktor. Nach Thieme/Schweiger1) greift im Bankenbereich bereits ein Drittel der Kunden in Europa auf Bewertungen im Internet zurück, bevor sie sich für ein Bankprodukt entscheiden.

Eine weitere Form der Unzufriedenheitsäußerung sind direkte Beschwerden. Diese sollten vom Institut als Chance begriffen werden, da sie die Möglichkeit bieten, auf Produkt- oder Servicemängel aufmerksam zu werden. Zudem sind Kunden, deren Beschwerden zufriedenstellend bearbeitet wurden, anschließend zufriedener als vergleichbare Kunden, die bisher keinen Grund hatten, sich zu beschweren.

Zufriedenheit stärkt Preisbereitschaft

Außerdem sind zufriedene Kunden dazu bereit, die Leistungen eines Instituts erneut oder sogar in stärkerem Umfang in Anspruch zu nehmen, was einer schrittweisen Bindung gleichkommt. Damit stellt die Kundenzufriedenheit die bedeutsamste Determinante zur Erreichung der Kundenbindung dar. Durch die Bindung weisen die Kunden eine höhere Produktnutzung sowie länger andauernde Geschäftsbeziehungen auf, wodurch sie insgesamt einen deutlich höheren Ertrag für das Unternehmen bedeuten. Neben den Vorteilen des Wieder- und Mehrkaufs treten zudem nachhaltige Potenziale beim Cross- und Up-Selling, positive Mund-zu-Mund-Kommunikation und eine geringere Preiselastizität der Nachfrager.

Mit zunehmender Zufriedenheit und Bindung steigt die Preisbereitschaft der Kunden. Der Kundenwert (Customer Lifetime Value) erhöht sich daher in der Regel mit der Dauer einer Kundenbeziehung und die Wechselbereitschaft nimmt tendenziell ab. Durch die geschilderten positiven Effekte verzeichnen Institute, die eine hohe Kundenzufriedenheit und -bindung aufweisen, langfristig höhere Gewinne.

Kundenbindung wirkt kostensenkend

Kundenbindung kann sich ebenfalls durch Kosteneinsparungen nachhaltig positiv auf den langfristigen Erfolg auswirken. Jedes Unternehmen muss vorab Investitionen in Werbung und Vertriebspersonal tätigen, um neue Kunden gewinnen zu können. Die Neukundengewinnung ist im Vergleich zur Pflege bestehender Kundenbeziehungen daher mit vielfach höheren Kosten verbunden. Mit zunehmender Beziehungsdauer sinken zudem die Transaktionskosten (zum Beispiel Verwaltungs-, Marketing- und Beratungskosten). So führt die Kundenbindung in der Regel auch zu einer allmählichen Steigerung der jährlichen Deckungsbeiträge der Kunden im Zeitverlauf.

Durch die gestiegene Nutzung der digitalen Kanäle tritt die persönliche Komponente des Bankgeschäfts in den Hintergrund. Der Vorteil der Kundennähe durch ein ausgeprägtes Filialnetz, vergeht aufgrund der zunehmenden Entfremdung und Entpersonalisierung der Kundenbeziehung. Diese Entwicklung ist mit einer tendenziell sinkenden Kundenloyalität und -bindung verbunden, was das Eindringen von Wettbewerbern in bestehende Kundenbeziehungen erleichtert. Der Trend geht dahin, mehrere Bankverbindungen parallel zu unterhalten. Das Internet verhilft den Kunden unterdessen zu einer größeren Marktmacht, da die Preistransparenz gefördert, Informationsasymmetrien reduziert und Wechselkosten gesenkt werden.

Speziell Vergleichsportale fördern die Transparenz des Marktes. Kunden ist es mit geringem Aufwand möglich, die besten, tagesaktuellen Konditionen der konkurrierenden Anbieter zu ermitteln und Transaktionen mit bisher unbekannten Instituten abzuschließen. Vor allem bei höherwertigen Produkten wird das Institut mit dem attraktivsten Angebot ausgewählt. Der Preis ist dabei einer der wichtigsten Faktoren, der Banken von ihrer Konkurrenz abhebt. Dies geht jedoch zugleich mit einem gestiegenen Anspruchsniveau der Kunden einher, sodass diese selbst bei niedrigen Preisen einen hohen Service und eine hohe Qualität erwarten. Zuletzt ist es den Kunden wichtig, von der jeweiligen Bank wertgeschätzt und verstanden zu werden.

Es kann resümiert werden, dass der Bankkunde von heute eine genaue Vorstellung davon hat, was er möchte, und nicht zögert, die notwendigen Schritte einzuleiten, um eben dies zu erhalten. Die Produkte müssen daher auf eine Weise dargeboten werden, die den Kunden begeistert. Neben der Preisgestaltung spielt vor allem die Kundenkommunikation eine entscheidende Rolle beim Kundenerlebnis.

Nur wenige Kunden wollen von der Bank kontaktiert werden

Aus diesem Grund wurden in einer eigens durchgeführten Studie die aktuellen Erfahrungen und Erwartungen von Bankkunden hinsichtlich der Kommunikation, der Erreichbarkeit und der Preisgestaltung der Institute abgefragt. Zudem wurde die wahrgenommene Kundenorientierung der Banken untersucht2). Die befragten Kunden pflegten im Schnitt Geschäftsbeziehungen zu zwei Banken. Hier gibt bereits ein Viertel der Kunden an, bei drei oder mehr Banken Kunde zu sein.

Im Zusammenhang mit dem aktuellen Kommunikationsverhalten der Bank wurde danach gefragt, wie häufig die Kunden derzeit über die unterschiedlichsten Wege kontaktiert werden. Die große Mehrheit der Kunden (73,35 Prozent) gibt an, dass keine telefonische Kontaktaufnahme erfolgt. Bei den restlichen Kunden überwiegt der Teil, der einmal im Jahr einen Anruf der Bank erhält (15,52 Prozent). Schwach ausgeprägt ist ebenfalls die Kontaktaufnahme per E-Mail. Hier geben 67,33 Prozent der Kunden an, dass sie keine E-Mails von ihrer Bank erhalten. Im Übrigen erfolgt die Kontaktaufnahme per E-Mail im Schnitt halbjährlich.

Das meistgenutzte Kommunikationsmedium ist der klassische Brief. Lediglich knapp ein Viertel der Kunden (23,86 Prozent) wird nicht postalisch von ihrer Bank kontaktiert. Der Turnus der Kontaktaufnahme ist bei diesem Medium deutlich ausgeprägter, da Briefe meist halb- oder vierteljährlich versendet werden. Dabei ist hervorzuheben, dass es insgesamt nur einen kleinen Teil an Kunden gibt, der aktuell weder über Telefon noch über E-Mail oder Brief angesprochen wird (9,46 Prozent), sodass eine kontinuierliche und turnusmäßige Kontaktaufnahme bei den meisten Kunden gegeben ist. Inhaltlich handelt es sich laut Angaben der Befragten hierbei meist um kampagnengetriebene Werbung und nur selten um eine Einladung zu Beratungsgesprächen. Der größte Teil der Kunden steht jeder Kontaktmöglichkeit der Bank grundsätzlich kritisch gegenüber.

Anrufe der Bank unerwünscht Quelle: Jessica Hastenteufel/Sabrina Kiszka

Ansprache am besten über das Online-Banking

Die Mehrheit derjenigen Kunden (66,29 Prozent), die nicht telefonisch kontaktiert werden, empfindet dies als angemessen. 78,84 Prozent der befragten Bankkunden stimmen der Aussage zu, dass sie keine telefonische Kontaktaufnahme wünschen. Die gefühlte Unangemessenheit steigt damit verbunden vor allem, wenn die Bank den Kunden öfter als einmal pro Halbjahr anruft. Daher wird Banken geraten, ihre Kunden nicht auf eigene Initiative telefonisch zu kontaktieren, da dies oft als störend und unangemessen empfunden wird. Insbesondere jüngere Berufstätige wollen nicht per Telefon angesprochen werden. Die persönliche Ansprache in der Filiale wird neben dem Telefonat am wenigsten durch die Kunden gewünscht. Rund die Hälfte der Kunden spricht sich ebenfalls gegen eine Kontaktaufnahme per E-Mail aus. Erfolgt die Kontaktaufnahme über dieses Medium häufiger als einmal im Jahr, steigt auch hier die empfundene Unangemessenheit an.

Etwas ansprechender ist für die Kunden eine Ansprache über das Online- Banking, wobei hier auch eine häufigere Ansprachefrequenz von den Kunden akzeptiert werden würde. Auch wenn sich immer noch 43,10 Prozent gegen eine Kontaktaufnahme per Brief aussprechen, ist es doch der Kommunikationskanal, der von den Kunden am meisten akzeptiert wird. Eine halbjährliche bis jährliche Kontaktaufnahme findet unter den befragten Bankkunden die größte Akzeptanz.

Generell werden diejenigen Medien bevorzugt, die am unverbindlichsten für den Kunden sind. Während das Telefonat und das direkte Gespräch in der Filiale persönliche Interaktion erfordern, können E-Mails sowie Nachrichten im Online-Banking gelöscht und Werbebriefe - oftmals nach einem flüchtigen Blick - im Altpapier entsorgt werden. Sie fordern daher kein weiteres Handeln durch den Kunden selbst. In diesem Sinne ist es nicht verwunderlich, dass die von den Befragten am häufigsten präferierte Option der Kommunikation lediglich ein halbjährlicher Brief - ohne weitere Bemühungen der Bank auf anderen Kanälen - ist. Die aktuelle Kontaktaufnahme durch die Banken, die den Schwerpunkt auf postalische Kommunikation setzt, wird allgemein folglich als angemessen bewertet. Es ist jedoch fraglich, inwieweit die Kontaktversuche der Banken bei den Kunden einen bleibenden Eindruck hinterlassen.

Vom klassischen Kampagnendenken abrücken

Noch adäquater ist für den größten Teil der Kunden keinerlei Kontaktaufnahme auf Initiative der Bank. Eine aktive Ansprache ist daher letztlich nur gewünscht, wenn sie mit den Bedürfnissen der Kunden in Einklang steht. Die Banken müssen aus diesem Grund vom klassischen Kampagnendenken mit breit gestreuten Mailings abrücken. Ein großes Potenzial zur Generierung von Kundenkontaktpunkten bietet in diesem Kontext das Smartphone, das Kunden bis ins mittlere Alter unzählige Male täglich nutzen. So nutzt eine Vielzahl der Bankkunden in Deutschland bereits eine Banking-App, wodurch eine gezielte individualisierte Ansprache beziehungsweise Einbindung von für den Kunden relevanten Informationen, Produkten oder Services möglich ist.

Während die befragten Kunden sich eher von den Kontaktaufnahmeversuchen der Bank gestört fühlen, ist es ihnen dennoch wichtig, bei wesentlichen Anliegen selbst auf die Bank zugehen zu können. So waren die drei größten Wünsche bezüglich der Kontaktmöglichkeiten eine gute Erreichbarkeit des Beraters, eine Chatfunktion im Online-Banking und ein rund um die Uhr erreichbares Callcenter.

Fast zwei Drittel ärgern sich über schlechtere Erreichbarkeit

Die telefonische Kommunikation wird von den Kunden demzufolge nur dann akzeptiert, wenn sie selbst einen dringlichen Grund zur Kontaktaufnahme haben. Die geäußerten Wünsche entsprechen den zuvor dargestellten Erwartungen der Kunden an eine jederzeitige und bequeme Verfügbarkeit des Leistungsspektrums der Bank. Angesichts der relativen Akzeptanz der digitalen Kanäle ist ein großes Kostenoptimierungspotenzial für Banken zu erkennen. Durch einen Ausbau der Interaktionsmöglichkeiten im Online-Banking können beispielsweise die Portogebühren deutlich reduziert werden. Dem Kunden ist zudem der Mehrwert der elektronischen Kontaktaufnahme zu vermitteln, um die Akzeptanz dieser Kanäle zu steigern. Hier kann an den Bequemlichkeitswunsch der Kunden appelliert werden.

Darüber hinaus erlebt die Hälfte der Bankkunden in den letzten beiden Jahren Veränderungen hinsichtlich der Erreichbarkeit ihrer Bank. Diese äußerten sich meist in Filialschließungen, kürzeren Öffnungszeiten und Beraterwechseln. 62,55 Prozent der Kunden ärgert es, dass die Bank schlechter für sie erreichbar ist.3) Hier haben Banken anscheinend den Rückgang in der Fläche nicht durch alternative, zielführende Kontaktwege kompensieren können. Derweil stimmten nur 25,36 Prozent der Aussage zu, dass die jeweilige Bank es geschafft hat, sie gut in die vollzogenen Änderungen einzubeziehen4) , woraus ersichtlich wird, dass die Institute sich bei den Umstrukturierungen nicht im Voraus aktiv nach den Kundenwünschen erkundigt haben, obwohl die Kunden letztlich über das künftige Bestehen einer Bank mitentscheiden.

Hauptbaustelle Konditionengestaltung

Daher wurden die Kunden auch danach gefragt, was sie sich im Allgemeinen von ihrer jeweiligen Bank wünschen. Das dringlichste Problemfeld der Kunden stellt demnach die aktuelle Konditionengestaltung dar. Die meisten Kunden wünschen sich bessere Konditionen und/oder mehr kostenfreie Möglichkeiten, was die bereits angesprochene Fokussierung auf den Preis verdeutlicht. In diesem Zusammenhang finden 56,11 Prozent der Befragten, dass ihre Bank ihnen einen niedrigeren Service anbietet, aber trotzdem die Preise erhöht.5)

Zudem versteht fast die Hälfte der Kunden nicht, wieso für bislang kostenfreie Leistungen nun Gebühren bezahlt werden müssen.6) Dabei herrscht großer Unmut darüber, dass die gestiegenen Gebühren mit niedrigeren oder keinerlei Guthabenzinsen einhergehen. Außerdem spielt das Preisempfinden für emotionale Komponenten der Geschäftsbeziehungen wie die wahrgenommene Fairness eine herausragende Rolle.

Anstatt das von den Kunden als negativ wahrgenommene Preis-Leistungsverhältnis zu verbessern, erhöhen Banken derweil aufgrund der anhaltenden Niedrigzinsphase ihre Kontogebühren weiterhin und reagieren mit undurchsichtigen Kontomodellen sowie versteckten Gebühren, was der Kundenerwartung nach Transparenz erheblich entgegenläuft. So erheben in Deutschland beispielsweise aktuell bereits über 200 Banken auch im Privatkundenbereich sogenannte Verwahrentgelte (Strafzinsen). Einige Banken erheben hierbei sogar einen Strafzins von 0,5 Prozent ab dem ersten Euro auf das Guthaben, um die Negativzinsen der EZB vollständig an die Kunden weiterzugeben. Das wohl dreisteste Gebührenmodell ist bei einer regionalen Genossenschaftsbank zu finden, die im Privatkundenbereich ab einem Betrag von 10 000 Euro einen Strafzins von 0,75 Prozent aufruft, um zusätzlich einen Zinsertrag zu generieren.

Kunden schlecht informiert

Ein Großteil der Banken denkt des Weiteren darüber nach, kostenlose Konten vollständig abzuschaffen und weitere zusätzliche Gebühren einzuführen. Es scheint fast so, als sei der Fantasie für neue Gebühren derzeit keine Grenzen gesetzt (zum Beispiel tageszeitabhängige Gebühren für das Geldabheben am Automaten). Die Kunden haben zudem das Gefühl, nicht ausreichend über die zusätzlichen Gebühren informiert zu werden. Ende 2019 verlangten beispielsweise bereits zwei Drittel der Institute in Deutschland Abhebegebühren, was die verstimmten Kunden für Konkurrenzangebote wesentlich empfänglicher macht. Insgesamt hat ein Drittel der Banken in Deutschland im Jahr 2019 übergreifend die Preise erhöht oder Gebühren für Leistungen erhoben, die im Vorjahr noch kostenlos waren - im Schnitt um bis zu 30 Prozent bei den Online-, Basis- und klassischen Filialkonten sowie bis zu 20 Prozent bei den Premiumkonten.

Dieser Trend hielt auch im Jahr 2020 an. Im ersten Halbjahr haben rund 40 Prozent der deutschen Banken die Preise teils drastisch erhöht - vor allem in Geschäftsfeldern mit wenig Konkurrenz. Aufgrund der vornehmlich negativen Bewertung des bisherigen Preis-Leistungsverhältnisses der klassischen Banken dürfte diese Entwicklung nicht zur Steigerung der Kundenzufriedenheit beitragen und könnte damit zu deutlichen Kundenabwanderungen führen. Banken sollten dies berücksichtigen, da sie sich nicht ewig auf die einem Bankwechsel häufig entgegenstehende Bequemlichkeit der Bankkunden verlassen können.

Weitere von den Kunden geäußerte Wünsche sind eine bessere Erreichbarkeit der Berater vor Ort, gepaart mit einer kundenorientierten Beratung. Dem Bequemlichkeitsgedanken folgend wünschen sich die Kunden ein sicheres und zuverlässiges Online-Banking sowie den Zugang zu modernen Bezahlverfahren. Die vergleichsweise geringe Nennung der letztgenannten Punkte darf nicht zu dem Schluss verleiten, dass den Kunden jene Aspekte nicht wichtig sind. Denn nach der Bedeutsamkeit verschiedener Faktoren bei der Erledigung der Bankgeschäfte befragt, werden die Punkte gute Beratung (79,76 Prozent), Bequemlichkeit (59 Prozent), Möglichkeit zum Online-Banking (53,75 Prozent) und persönlicher Kontakt (53,48 Prozent) von der Mehrheit der befragten Kunden als wichtig bezeichnet. Da die Kunden diese Faktoren bei der offenen Frage nach expliziten Wünschen nicht in der gleichen Häufigkeit genannt haben, kann darauf geschlossen werden, dass die Banken die Kundenerwartungen in diesen Bereichen zumindest überwiegend erfüllen und die Kunden hier nicht so dringenden Handlungsbedarf sehen wie bei der Konditionengestaltung.

Explizite Kundenwünsche nicht berücksichtigt

Für die künftige Wettbewerbsfähigkeit wird es maßgeblich sein, die Belange der Kunden zu verstehen, da ein kundenorientiertes Verhalten die Kundenzufriedenheit nachhaltig positiv beeinflusst. Aus diesem Grund wurden die Kunden nach ihrer Einschätzung bezüglich der Kundenorientierung ihrer Banken befragt. Fast die Hälfte glaubt demnach nicht, dass die Bank überhaupt weiß, was der jeweilige Kunde sich in Finanzangelegenheiten wünscht. Daraus wird ersichtlich, dass Banken ihre Kunden bei entsprechenden Anlässen nicht nach aktuell vorhandenen Wünschen befragen. Aber auch in dem Fall, dass Kundenwünsche bekannt sind, haben nur 42,05 Prozent der Bankkunden das Gefühl, dass die Institute gezielt auf eben jene Wünsche eingehen. Dies bedeutet, dass die explizit geäußerten Wünsche aktuell bei einem großen Teil der Kundschaft nicht durch entsprechende nutzenstiftende Produkte bedient werden. So haben aktuell bereits 37,98 Prozent der Kunden das Gefühl, die Bank biete ihnen nur die Produkte an, an denen sie selbst gut verdient. So gewinnt die Mehrheit (56,90 Prozent) den Eindruck, Banken würden sich nicht für ihre Wünsche interessieren. Genau die Hälfte der befragten Kunden hat zudem den Eindruck, die Banken könnten nicht einschätzen, was ihre Kunden in Finanzangelegenheit brauchen. Hierdurch wird deutlich, dass aktuell auf Basis der vorhandenen Kenntnisse über den Kunden keine zielführende Produktempfehlung ausgesprochen wird, die dem Kunden das Gefühl vermittelt, dass eine nutzenstiftende Betreuung erfolgt.

Unter dem Strich sind viele Kundenbeziehungen heutzutage vor allem durch eine fehlende Kundenorientierung gefährdet. Vor allem die Wertschätzung der Kunden ist aus deren Sicht mit Defiziten behaftet. Aktuell fühlt sich bereits über die Hälfte der Kunden nicht von ihrer Bank respektiert und wertgeschätzt.

Kommkunikationsverhalten ohne Mehrwert für die Kunden

In Anbetracht der angespannten Lage innerhalb der Bankenbranche ist es für Institute zunehmend wichtig, für den Kunden etwas Besonderes darzustellen. Um am Markt bestehen zu können und Wettbewerbsvorteile zu erlangen, müssen sie die Erwartungen der Kunden erkennen und im besten Fall sogar übererfüllen. Dies ist von entscheidender Bedeutung für ihren Erfolg. Dabei ist die Ausgangsposition für deutsche Banken verhältnismäßig gut, da sie im internationalen Vergleich über den engsten Kontakt zu ihren Kunden verfügen. Sie sind jedoch nicht in der Lage, diesen Vorteil hinreichend zu nutzen. Datenauswertungen können dazu verwendet werden, ein umfassendes Verständnis des Kunden und seiner Bedürfnisse zu generieren und so die Kundenbetreuung zu optimieren. Dabei wird vor allem der geringer werdende persönliche Kontakt mit den Kunden ausgeglichen. Für den Kunden maßgeschneiderte Lösungen sind entscheidend. 87 Prozent der Bankkunden stimmen zu, dass Bankdienstleistungen personalisiert sein sollten. Die Inhalte jeglicher Werbemaßnahmen müssen daher aktuell, aussagekräftig und für den Kunden relevant und eben nicht Teil offensichtlicher Cross- oder Up- Selling-Bemühungen sein. Gegenwärtig glaubt weniger als ein Drittel der Kunden, dass die Banken ihnen für sie relevante Produkte empfehlen. Das bisherige Kommunikationsverhalten liefert daher keinen Mehrwert für den Kunden. Hier kann es bereits helfen, den Kunden im nächsten Gespräch explizit nach seinen Wünschen zu fragen und die geäußerten Wünsche zu erfüllen.

Es ist daher wenig überraschend, dass deutsche Kunden im internationalen Vergleich aktuell verhältnismäßig unzufrieden mit ihrer Bank sind. Lediglich ein Drittel der Kunden gibt an, die jeweilige Bank habe es geschafft, sie durch eine Übererfüllung der Erwartungen zu begeistern. Es klafft folglich eine Lücke zwischen den eigentlichen Erwartungen der Kunden und den tatsächlichen Angeboten und dem Verhalten der Banken. So bezeichnet sich nur ein Drittel der Kunden als gebunden an das jeweilige Institut. Wenn der Finanzchef der Commerzbank die nun an die Kunden weitergegebenen Negativzinsen als "großes Potenzial" für die Banken bezeichnet, kommt das einer praktizierten Kundenverachtung gleich, da Einnahmequellen der Kundenbindung übergeordnet werden.

Indem die Institute nicht unmittelbar den veränderten Kundenerwartungen begegnen, erleben die Kunden den Mehrwert der Bankbeziehung nicht mehr, wodurch sie anfällig für Konkurrenzangebote werden. Die Erlebnisfokussierung, wie sie Technologieunternehmen und Fintechs bieten, ist keine Kompetenz von klassischen Banken. Daher ist es auch nicht verwunderlich, dass ein großer Teil der Kunden bereit ist, Finanzprodukte der großen Technologieunternehmen Google, Apple, Facebook und Amazon auszuprobieren.

Um echte und freiwillige Kundenbindung zu erzielen, muss eine emotionale Verbundenheit des Kunden zum Institut entstehen. Umso beunruhigender sollte es für klassische Banken sein, dass bereits heute viele Kunden eine stärkere emotionale Bindung zu diesen Technologieunternehmen als zu ihnen aufweisen. Und der Handlungsdruck wird größer, da diese Unternehmen aktuell an eigenen Girokontolösungen arbeiten. Die Bank- und Finanzdienstleistungen bieten für die Technologieunternehmen die Möglichkeit, die Kunden noch enger an sich zu binden. Hierbei geht es vor allem um die Beschaffung wertvoller Finanzdaten, um die Kundenkenntnis weiter auszubauen. Bereits jetzt drohen Banken aufgrund der erstarkenden Konkurrenz Milliardenverluste.

Starke Nachfrage nach Messenger-Kommunikation

Die Welt bewegt sich schneller als je zuvor und das erfordert eine entsprechende Adaptionsfähigkeit der Banken. Es hat sich insgesamt gezeigt, dass Investitionen in die Digitalisierung und Filialumgestaltung die Kundenzufriedenheit der Bankkunden nachweislich steigern. Dabei gilt es die Kundenbeziehung mithilfe von intelligenten virtuellen Assistenten wie Chat-Bots, die beispielsweise in Messenger integriert werden können, zu intensivieren. Denn gerade im Bankensektor hat die Nachfrage nach Messenger-Kommunikation (zum Beispiel Livechats) stark zugenommen. Hierbei können kompetente digitale Ratschläge das Kundenvertrauen stärken. Zusatzleistungen wie beispielsweise Reiseversicherungen können derweil die Attraktivität einzelner Produkte steigern.

Banken müssen es schaffen, zu einem integrativen Bestandteil im Leben der Kunden zu werden, sonst droht ihnen das Schicksal von Grundversorgern, die nur noch Standarddienste bereitstellen, während neue Anbieter die margenstarken Produkte besetzen. Die Kunden äußern ihre Erwartungen klar und deutlich - es ist nun an den Banken endlich zuzuhören.

Fußnoten

1) Thieme, Johnn/Schweiger, Benedict, Gefährdet zu viel Transparenz das Geschäftsmodell von Banken?, in: Die Bank, 9/2019, S. 26-31.

2) Im Rahmen der Kundenbefragung wurden 1 200 papierhafte Fragebögen an Privatpersonen verteilt. Bei der Ansprache wurde darauf geachtet, dass die Daten hinsichtlich der Altersstruktur in etwa gleichverteilt sind. Von den ausgereichten Fragebögen wurden 761 Frage bögen ausgefüllt zurückgegeben, was einer Rücklaufquote von 63,42 Prozent entspricht.

3) 8,67 Prozent der befragten Kunden sind diesbezüglich unentschieden, sodass nur 28,78 Prozent der Kunden bisher keinen Anlass zum Ärger über die Erreichbarkeit der Bank hatten.

4) Über ein Drittel der befragten Kunden (39,42 Prozent) verneint diese Aussage explizit.

5) Nur 17,35 Prozent der Bankkunden können diese Aussage verneinen, wodurch übergreifend eine negative Verschiebung im Preis-Leistungsverhältnis wahrgenommen wird.

6) Dabei äußerten sich 18,53 Prozent der Kunden unentschieden, womit nur ein Drittel der Kunden hier Verständnis für ihre Bank aufbringen kann.

Prof. Dr. Jessica Hastenteufel, IUBH Fernstudium, Bad Reichenhall und Privatdozentin, Universität des Saarlandes, Saarbrücken
 
Sabrina Kiszka, Wissenschaftliche Mitarbeiterin und Doktorandin am Lehrstuhl für Bankbetriebslehre, Universität des Saarlandes, Saarbrücken
Prof. Dr. Jessica Hastenteufel , Professorin für Betriebswirtschaftslehre , IU Internationale Hochschule, Erfurt
Dr. Sabrina Kiszka , Wissenschaftliche Mitarbeiterin , Lehrstuhl für Bankbetriebslehre, Universität des Saarlandes, Saarbrücken

Weitere Artikelbilder

Noch keine Bewertungen vorhanden


X