Direct Banking

Lohnen sich Filialbanken noch?

Katja Drygala, Consultant Custom Research, YouGov Deutschland GmbH, Köln
Quelle: YouGov

Auch im digitalen Zeitalter macht Katja Drygala noch Potenziale für die Filialbanken aus. Die Beratung, die für zwei Drittel der Filialbankkunden entscheidend für die Wahl der Bankverbindung ist, sollte in der Kommunikation noch stärker genutzt werden. Gleichzeitig gilt es, Online- und Offline-Abschließer gleichermaßen in den Blick zu nehmen: Diejenigen, die Finanzprodukte online abschließen, sind zwar kritischer und wechselbereiter. Sie gehören jedoch vom Alter und Einkommen her eher in attraktivere Segmente und haben hohe Bedeutung für die Mund-zu-Mund-Propaganda. Die Offline-Abschließer hingegen sind treuer und zahlungsbereiter und bieten zum Beispiel bei Versicherungen hohes Vertriebspotenzial. Wenn es gleichzeitig gelingt, sie stärker in die digitalen Kanäle zu lenken, lassen sich auch die Kosten senken. Red.

Obwohl immer mehr Menschen Finanzprodukte online abschließen, setzen weiterhin viele auf die Beratung in der Filiale. Die Bedürfnisse dieser Kundengruppen sind teilweise sehr verschieden. Banken stehen vor der Herausforderung in Zeiten der Digitalisierung das Gleichgewicht zwischen den Interessen ihrer Kunden zu halten.

Der Anteil von Kunden mit Hauptbankverbindung bei einer Direktbank nimmt kontinuierlich zu. Klassische Filialbanken sehen sich dadurch immer größerer Konkurrenz ausgesetzt. Während immer weniger Filialbanken ohne Gebühren auskommen, locken Direktbanken mit kostenlosen Girokonten und Kreditkarten.

Filialbesuch hauptsächlich zur Bargeldversorgung

Zunehmende Filialschließungen kratzen zudem am Image von Filialbanken und nehmen einen wichtigen Vorteil, den sie gegenüber Direktbanken vorweisen können - den persönlichen Ansprechpartner vor Ort. Doch wie gehen Kunden mit dieser Entwicklung um? Wer ist bereit, Bankgeschäfte in Zukunft zunehmend online zu tätigen und sind diese Kunden attraktiv für Banken und Finanzdienstleister?

Eine bevölkerungsrepräsentative Umfrage des Marktforschungs- und Beratungsinstituts Yougov hat ergeben, dass zwei von fünf Deutschen (42 Prozent) ab 18 Jahren mindestens einmal im Monat eine Bankfiliale besuchen. Bei Personen, deren Hauptbank eine Filialbank ist, fällt dieser Anteil mit 48 Prozent noch etwas höher aus, während es unter Direktbankkunden mit 17 Prozent erwartungsgemäß deutlich weniger sind.

Der Hauptgrund für den Filialbesuch ist in beiden Gruppen jedoch der Gleiche und wenig überraschend: das Abheben von Bargeld (63 beziehungsweise 54 Prozent). Dahingegen sucht nur etwas mehr als jeder zehnte Filialbankkunde in der Regel eine Bankfiliale auf, um sich zu seiner finanziellen Situation beraten zu lassen, fast jeder Achte nutzt den Besuch zur Beratung zu bestimmten Produk - ten.

Platzbanken weiterhin Partner in der Beratung

Gerade die wahrgenommene Beratungsleistung ist allerdings etwas, das aus Kundensicht für Filialbanken spricht. So stimmen fast zwei Drittel der Filialbankkunden der Aussage zu, dass eine Bank, die keine persönliche Beratung vor Ort bietet, für sie nicht infrage kommt.

Auch die Beratungsqualität schätzt ein ebenso hoher Anteil dieser Kunden bei klassischen Filialbanken höher ein. Die häufig noch vorherrschende Verankerung der Filialbank als starker Partner in der Beratung ist somit ein wichtiges Kundenversprechen, das auch in der Kommunikation genutzt werden sollte.

Mehrheit erwartet Verschwinden der Filialen

Dennoch kann bei Kunden eine zunehmende Offenheit gegenüber Direktbanken und digitalen Angeboten im Banking verzeichnet werden. So nimmt die Hälfte der Deutschen an, dass sie ihre Bankgeschäfte in Zukunft noch stärker online abwickeln werden. Bei Direktbankkunden ist dieser Anteil mit 73 Prozent noch einmal deutlich höher ausgeprägt.

Damit gehen auch bestimmte Erwartungen von Kunden an die Entwicklung des Bankenmarkts einher. Mit Blick auf die Zukunft bis zum Jahr 2025 haben Befragte mehrheitlich den Aussagen zugestimmt, dass es kaum noch Bankfilialen geben wird und dass Selbstbedienungsmöglichkeiten im Online-Banking-Bereich den Service in Filialen überflüssig machen werden. Studien zeigen, dass Kunden in der Digitalisierung Chancen sehen, um Bankgeschäfte flexibel und bequem zu steuern sowie unabhängig von Ort und Zeit Kontakt zum Anbieter herstellen zu können.

Jeder dritte Filialbankkunde kann sich Video-Beratung vorstellen

Auch schon heute sind Kunden zunehmend affin, wenn es etwa um Mobile Banking geht. 62 Prozent der Deutschen nutzen ihr Handy beziehungsweise Smartphone für ihre Bankgeschäfte oder können sich eine Nutzung künftig vorstellen. Mehr als jeder Dritte (39 Prozent) nutzt das Smartphone für solche Zwecke mindestens einmal pro Woche.

In Bezug auf Beratungen stimmt immerhin auch fast ein Drittel der Filialbankkunden zu, dass Online-Beratungen zum Beispiel per Videochat für sie genauso infrage kommen wie Beratungen vor Ort in der Filiale. Hier zeigt sich entsprechend ein großes Potenzial für die zukünftige Ausgestaltung der Kundenkommunikation.

43 Prozent schließen nur offline ab

Beim Produktabschluss selbst lässt sich bei Kunden noch eine gewisse Vorsicht erkennen. Eine tiefere Analyse der Daten mit dem Connected-Data-Analyse-Tool Yougov Profiles zeigt,

- dass fast die Hälfte der Deutschen (43 Prozent) Finanzprodukte wie Konten, Kredite und Versicherungen nur oder überwiegend offline (in einer Filiale) abschließt.

- Dennoch ist der Anteil der Personen, die diese Produkte ausschließlich oder überwiegend online abschließen, mit 23 Prozent auch nicht unerheblich.

- Jeder Sechste (17 Prozent) schließt Finanzprodukte zu gleichen Teilen online und offline ab.

Online- versus Offline-Abschluss: Welche Kundengruppe ist attraktiver?

Für Banken und Finanzdienstleister stellt sich die Frage, ob Personen mit Präferenz zum Offline- oder zum Online-Abschluss die attraktivere Kundengruppe sind, um den zukünftigen Marktanforderungen bestehen zu können. Da Online-Abschließer zunächst günstiger zu bedienen sind, ist diese Frage gerade für die klassischen Filialbanken relevant.

Eine ebenfalls mit Yougov Profiles durchgeführte Zielgruppenanalyse der Online- und Offline-Abschließer verdeutlicht, dass gerade die Online-Abschließer viele für Banken attraktive Kundenmerkmale aufweisen. Bei der Betrachtung von soziodemografischen Eigenschaften fällt auf, dass Online-Abschließer häufiger männlich sind als Offline-Abschließer (58 versus 45 Prozent).

Wenig überraschend ist die Altersverteilung der beiden Gruppen: 47 Prozent der Offline-Abschließer sind 50 Jahre oder älter, im Vergleich zu 38 Prozent bei den Online-Abschließern. Die jüngere Altersgruppe der 30- bis 49-Jährigen ist hingegen stärker bei den Online-Abschließern vertreten (42 versus 33 Prozent).

Gerade diese Lebensphase, zu deren Beginn Personen zumeist schon fest im Berufsleben stehen, ist von vielen Ereignissen wie Familienplanung, Hochzeit oder Hauskauf geprägt. Diese erfordern eine entsprechende finanzielle Planung, bei der sich Banken bei Kunden positionieren können.

Online-Abschließer sind anspruchsvoller

Nicht nur sind Online-Abschließer häufiger in einer interessanten Altersgruppe vertreten, sie verfügen auch über ein höheres Einkommen als Offline-Abschließer. So liegt das monatliche Haushaltsnettoeinkommen bei den Online-Abschließern häufiger bei 3 000 Euro und mehr (30 versus 36 Prozent). Neben dem Haushaltseinkommen fällt auch das persönliche Einkommen bei den Online-Abschließern höher aus.

Darüber hinaus geben drei Viertel der Online-Abschließer (77 Prozent) an, dass sie die Entscheidungen über Bankangelegenheiten weitestgehend allein treffen. Bei Offline-Abschließern ist dies nur bei 64 Prozent der Fall. Für Banken ist diese Tatsache natürlich besonders wichtig. Online-Abschließer handeln bei Finanzen demnach autarker als Personen, die zu Offline-Abschlüssen tendieren.

Gleichzeitig ist die Gruppe der Online-Abschließer bezüglich Finanzgeschäften auch anspruchsvoller in ihren Entscheidungsprozessen. Sie zeigen sich nicht nur selbstständiger, indem sie häufiger auf Vergleichsportalen recherchieren, sie investieren auch mehr Zeit und sind bereit, mehr Angebote zu vergleichen, auch wenn dies einen höheren Aufwand bedeutet (75 Prozent Zustimmung versus 52 Prozent bei den Offline-Abschließern). Bei ihren Entscheidungen gehen sie rationaler vor und entscheiden im Vergleich zu den Offline-Abschließern seltener aus dem Bauch heraus (14 versus 21 Prozent).

Selbstentscheider im Blick behalten

Grundsätzlich sieht die Gruppe der Online-Abschließer es als lohnender an, den Anbieter zu wechseln. Die Hälfte von ihnen gibt an, ständig nach Möglichkeiten zu suchen, ihr Geld gewinnbringend anzulegen. So ist es auch wenig überraschend, dass ein nicht unerheblicher Anteil von 42 Prozent der Online-Abschließer angibt, innerhalb der nächsten 6 Monate "sehr wahrscheinlich" zusätzliche Finanzdienstleistungen in Anspruch zu nehmen (versus 36 Prozent der Offline-Abschließer).

Ähnlich verhält sich es im Bereich Versicherungen. Hier unternehmen Online- Abschließer den ersten Schritt beim Produktabschluss häufiger selbst als Offline-Abschließer (82 versus 69 Prozent). Dies ergibt sich vermutlich daraus, dass sie sich auf diesem Gebiet sicherer fühlen. Denn Online-Abschließer schätzen ihre eigene Kompetenz in Bezug auf Versicherungen höher ein als die Gruppe der Offline-Abschließer. Auch geben sie häufiger an, bei Versicherungsangelegenheiten gelegentlich um Rat gefragt zu werden (45 versus 36 Prozent).

Die Tatsache, dass diese Personen also auch andere in ihren Entscheidungen beeinflussen, macht diese Zielgruppe nicht nur interessanter. Es verdeutlicht auch die Wichtigkeit für Banken und Finanzdienstleister, dieser Gruppe entsprechend Aufmerksamkeit zu schenken und sie bei der Gestaltung von Angeboten und der Kommunikation zu berücksichtigen.

Selbstbewusstere Online-Abschließer sind schwieriger zufrieden zu stellen

Das präferiert eigenständige Vorgehen der Online-Abschließer kann darin begründet sein, dass sie dem Bankensektor grundsätzlich weniger Vertrauen schenken und kritischer eingestellt sind. Vier von fünf Online-Abschließern sind der Ansicht, dass Banken versuchen, den Kunden das Geld aus der Tasche zu ziehen und mehr als die Hälfte (54 Prozent) lehnt die Aussage ab, Vertrauen in Banken und Bausparkassen zu haben. Bei Offline-Abschließern sind es im Vergleich dazu nur 43 Prozent..

Für Banken geht dies mit der Herausforderung einher, diese attraktive und gleichzeitig auch anspruchsvolle Zielgruppe der Online-Abschließer vom eigenen Angebot zu überzeugen und dann auch an sich zu binden. Denn nicht nur werden sie bei Interesse an einem Produkt mit höherer Wahrscheinlichkeit mehrere Angebote einholen. Sie bleiben auch nach Produktabschluss eher informiert und neigen stärker dazu, den Anbieter zu wechseln, wenn sie auf ein attraktiveres Angebot stoßen.

Offline-Abschließer verursachen höhere Kosten ...

Im Vergleich dazu legen Personen, die Finanzprodukte aktuell noch ausschließlich oder überwiegend offline abschließen, ein etwas anderes Verhalten an den Tag. Sie treffen Entscheidungen in Bezug auf Bank- und Versicherungsangelegenheit nicht nur seltener alleine als Online-Abschließer, sie fühlen sich durch finanzielle Angelegenheiten auch eher verunsichert (32 versus 26 Prozent bei Online-Abschließern). Daher verwundert es auch nicht, dass ihnen eine kompetente Beratung vonseiten der Anbieter wichtiger ist.

Für Banken und Finanzdienstleister ergibt sich daraus die Chance, diese Kunden durch gezielte Beratungen an sich zu binden. Einmal von einem Anbieter überzeugt, ist die Wahrscheinlichkeit bei Offline- Abschließern geringer, dass sie noch Angebote anderer Anbieter einholen.

Die Betreuung dieser Kunden gestaltet sich für Banken allerdings gleichzeitig intensiver. Denn Offline-Abschließer wünschen sich zum Beispiel beim "Papierkrieg" nicht nur häufiger Unterstützung, sie nutzen auch seltener mobile Selfservices als Online-Abschließer. Begründet ist Letzteres häufig noch mit Sicherheitsbedenken. Mehr als die Hälfte der Offline-Abschließer (52 Prozent) sorgt sich etwa beim Online-Banking um die Sicherheit. Bei den Online-Abschließern ist es dagegen nur etwas mehr als ein Drittel (37 Prozent).

... sind aber auch zahlungsbereiter

Hier liegt es bei den Banken, diesen Bedenken zu begegnen, um so auch aktuelle Offline-Abschließer an Online-Angebote und Services heranzuführen. Eine gezielte Unterstützung dieser Kunden kann sich langfristig nicht nur in einer Kostenreduktion für Filialbanken durch vermehrte Nutzung von Online-Services auswirken. Sie haben auch die Möglichkeit, die Kunden an sich zu binden.

Denn auch wenn Offline-Abschließer aktuell noch höhere Verwaltungskosten verursachen, weisen sie doch auch eine höhere Zahlungsbereitschaft bei Finanzprodukten auf. Nur 28 Prozent der Offline-Abschließer suchen sich zum Beispiel bei Versicherungen stets die billigste aus, während dieser Anteil bei Online-Abschließern mit 48 Prozent deutlich höher liegt. Gleichzeitig geben sie häufiger an, sich nur mit einer umfassenden Absicherung wohler zu fühlen, was für Finanzdienstleister ein hohes Vertriebspotenzial bedeuten kann.

Filialbanken mit guten Chancen am Markt

Die Tatsache, dass die Offline-Abschließer ein höheres Vertrauen zu Banken aufweisen und Anbietern eher treu bleiben, macht auch diese Kundengruppe attraktiv. Da sie zudem in der Gesamtbevölkerung noch einen hohen Anteil einnehmen, bleiben die aktuellen Offline-Abschließer für Banken weiterhin wichtig und sollten nicht vernachlässigt, sondern gezielt angegangen werden.

Die beiden Gruppen der Online- und Offline-Abschließer haben demnach durchaus unterschiedliche Bedürfnisse, die entsprechend bedient werden müssen. Auch wenn Direktbanken durch ihre schlankere Verwaltungsstruktur bereits einen Wettbewerbsvorteil vorweisen können, dürfen sich Filialbanken nicht abhängen lassen.

Mit den aktuellen Offline-Abschließern haben auch sie gute Chancen am Markt, wenn sie deren Potenziale richtig für sich nutzen. Durch den weiteren Ausbau digitaler Angebote kann auch die attraktive Zielgruppe der Online-Abschließer noch stärker angesprochen werden. Gleichzeitig können durch eine persönlichere und kundenfreundlichere Gestaltung des Online-Geschäfts zukünftig auch die aktuellen Offliner kosteneffizienter bedient werden - natürlich auch von Direktbanken.

Konsumenten werden zukünftig sicher nicht vollständig auf Bankfilialen verzichten wollen. Dennoch erwarten auch sie, dass Angebote für Online-Selfservices im Bankenmarkt zunehmen werden. Gerade alltägliche, schnelle und zeitkritische Bankgeschäfte möchten Kunden autonom erledigen, bei komplexeren Angelegenheiten wird der persönliche Kontakt allerdings weiterhin als unentbehrlich angesehen. Dieser Herausforderung müssen sich sowohl Filialbanken als auch Direktbanken stellen.

Quellen

Yougov Studie "Bankenmarkt Online und Offline - Lohnen sich Filialbanken noch?"

Repräsentative Befragung von 2 040 Personen im Zeitraum vom 11. - 13. September 2018

Yougov Profiles Analyse, Stand 10. September 2018

Yougov Studie "Service-Architektur 2025 im Finanzdienstleistungsmarkt"

Yougov Studie "Mobiles Banking per App - Wie Banken neue Kunden für ihre App begeistern können"

Yougov Studie "Wechselbereitschaft bei Girokonten - Wie Banken von der allgemeinen Marktentwicklung profitieren"

Yougov Studie "Fintech Tracker", Highlight "Digitale Beratung zu Geldanlagen - Robo Advisor und Verbraucherschutz"

Zur Autorin Katja Drygala, Consultant Custom Research, YouGov Deutschland GmbH, Köln

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