DIGITALE ÖKOSYSTEME

Stillstand wäre das Ende des Erfolgs

Frauke Hegemann, Foto: comdirekt

Banken müssen nicht zu Fintechs werden - sie können aber viel von ihnen lernen, so Frauke Hegemann. Das bedeutet vor allem, dass der Fokus auf den Kunden kein bloßes Lippenbekenntnis bleiben darf, weder bei Prozessen noch bei Produkten. Im Transformationsprozess müssen Banken nicht alles selbst erfinden, sondern können vieles über die Kooperation mit Fintechs umsetzen. Auch Kooperationen mit Bigtechs sollte sich die Branche nicht verschließen - nicht zuletzt beim Mobile Payment. Insellösungen hält die Autorin hier für keinen vielversprechenden Weg. Red.

Lange Zeit galten sie als Rivalen: Banken und Fintechs. Glaubt man der aktuellen Staffel der Fernsehserie "Bad Banks", sind Fintechs jedoch das Allheilmittel der Banken. Die Wahrheit liegt vermutlich irgendwo dazwischen. Sowohl bei den Privatbanken als auch bei den Genossenschaftsbanken und Sparkassen sind Acceleratoren und Inkubatoren mittlerweile etabliert: Man arbeitet nicht gegen-, sondern miteinander. Banken profitieren von der Schnelligkeit und Innovationsstärke der Fintechs, diese wiederum von dem Kundenstamm und dem Marktzugang der Banken.

Das inzwischen gute Verhältnis zwischen Banken und Fintechs zeigt auch der aktuelle Fintech Kooperationsradar von PwC: 2014 gab es in Deutschland nur 22 neue Kooperationen zwischen Fintechs und Banken, 2018 waren es 178. Insgesamt belaufen sich die Kooperationen zwischen Banken und Fintechs auf 693, davon sind dreiviertel operativ, also nicht rein finanzieller Natur.

Kundenfokus darf kein Lippenbekenntnis bleiben

Auch eine Direktbank wie Comdirect verfügt mit der Start-up-Garage über einen Ort, an dem gezielt Fintechs oder Start-ups aus anderen Branchen gefördert werden. 2015 gegründet, gilt die Comdirect-Start-up-Garage als erster Accelerator einer deutschen Bank. Denn auch wenn Direktbanken die Fintechs der ersten Stunde sind, müssen sie sich kontinuierlich weiterentwickeln - ein Stillstand wäre für sie das Ende des unternehmerischen Erfolgs. Der Wettbewerb ist schließlich nur einen Mausklick entfernt und Kunden sind zunehmend wechselwillig. "Bank. Neu denken" lautet deshalb seit 2015 die Devise von Comdirect.

Entscheidend ist dabei der Fokus auf den Kunden. Der wird zwar immer wieder betont, allerdings bleibt es in vielen Instituten lediglich bei einem Lippenbekenntnis, dem nicht wirklich Taten folgen. Beim Kundenfokus ist zu unterscheiden in Prozesse und Produktangebote.

Bezüglich der Prozesse gilt: Was Kunden aus anderen Bereichen gewohnt sind, erwarten sie auch von ihrer Bank. Sprich: Wer unterwegs im Bus mal eben schnell über das Smartphone ein T-Shirt bestellt und bezahlt und dafür drei Klicks braucht, der möchte nicht an Öffnungszeiten und physische Orte gebunden sein, um seine Bankgeschäfte zu erledigen.

Hinzu kommt, dass die meisten Menschen mit der Regelung ihrer finanziellen Angelegenheiten eher eine lästige Pflicht als ein Vergnügen verbinden. Prozesse sollten also so gestaltet sein, dass sie einfach, schnell und möglichst intuitiv funktionieren.

Über reine Bankdienstleistungen hinausgehen

Der andere Aspekt beim Kundenfokus ist das Produktangebot. Wenn Banken bei ihren Kunden relevant bleiben wollen, müssen sie ihr eigenes Ökosystem erweitern, über reine Bankdienstleistungen hinausgehen. Denn inzwischen übernehmen die GAFAs Zahlungsdienstleistungen oder Check24 die Kreditvergabe, No-Fee-Broker das Wertpapiergeschäft.

Der große Vorteil, den Banken haben, ist das Vertrauen ihrer Kunden - und der Zugang zu ihnen. Banken müssen zu Bedürfnis-Erfüllern für ihre Kunden werden - bei allen Bereichen, die im weitesten Sinne mit Finanzen zu tun haben.

Nicht alles selbst erfinden

Lange Zeit haben Banken versucht (oder versuchen es immer noch), selbst Innovationen zu konzeptionieren und umzusetzen. Gerade in klassischen Unternehmensstrukturen ist dies jedoch ein langwieriges und komplexes Unterfangen: Zuständigkeiten müssen definiert, Projektteams gebildet und letztens Endes personelle und auch finanzielle Kapazitäten geschaffen werden. Die Comdirect hat sich daher dafür entschieden, Innovationen zum einen intern zu entwickeln, beispielsweise die Sprachüberweisung und die Chat-Order in der Comdirect App, aber auch den Einsatz von Künstlicher Intelligenz im Kundenmanagement. Hierfür dienen unter anderem die sogenannten "Flagships", wo Mitarbeiter aus verschiedenen Bereichen gemeinsam an der Umsetzung eines Innovationsprojektes arbeiten. Zum anderen setzt die Bank smarte Kooperationen.

Das sind zum einen Kooperationen mit den Bigtechs. Bereits seit dem Frühjahr 2017 verfügt Comdirect über einen Alexa-Skill und war damit eine der ersten Banken in Deutschland, die Banking und Sprache verbinden. Zunächst war nur die Kurs abfrage über Amazons Echo möglich, später über den Echo Show auch die Visualisierung von Kurscharts. Mittlerweile können über Alexa zudem Push-Benachrichtigungen, beispielsweise beim Erreichen eines Kurszieles, aktiviert werden. Im Herbst 2017 kam die Action on Google für den Google Assistant dazu. Neben Kursen können Nachrichten zu börsennotierten Unternehmen abgefragt werden. Seit Sommer 2018 ist es möglich, den Konto- und Depotstand über den Google Assistant abzufragen und Überweisungen darüber vorzubereiten, die dann später in der App nur noch freigegeben werden müssen.

Die Fokussierung liegt beim Voice Banking klar auf der Convenience für den Kunden: Er kann ganz einfach über Sprache die Informationen abrufen, die er gerade benötigt. Ohne Klicks, ohne sich dafür an den Rechner setzen zu müssen. Die Spracherkennungsquote sowohl von Amazon als auch von Google ist dabei so hoch, dass es nicht zu frustrierenden Erlebnissen kommt.

Keine Insellösungen bei Mobile Payments

Ebenfalls mit den GAFAs wurde das mobile Bezahlen umgesetzt. Sowohl beim Deutschlandstart von Google Pay als auch bei dem von Apple Pay waren wir dabei. Viele Institute haben beim Markteintritt der Bigtechs gezögert, auch aus Sorge, den Kundenzugang bei einer solchen Kooperation zu verlieren. Stattdessen wurden eigene Lösungen für das mobile Bezahlen entwickelt. Die Comdirect hingegen hat sich bewusst für Google Pay und Apple Pay entschieden, denn zum einen handelt es sich um Anbieter und Systeme, die die Kunden sowieso nutzen - wir holen sie also dort ab, wo sie sich bewegen.

Zum anderen sollte eben keine Insellösung geschaffen werden, die im Zweifel nicht genutzt werden kann, sobald sich der Kunden außerhalb Deutschlands bewegt. Die Akzeptanz beider Mobile-Payment-Lösun gen bei den Kunden bestätigt diese Strategie: Sowohl Google Pay als auch Apple Pay werden von denjenigen, die es installiert haben, regelmäßig genutzt.

Kooperationsmöglichkeiten mit Fintechs

Noch vielfältigere Kooperationsmöglichkeiten ergeben sich jedoch aus der Zusammenarbeit mit Fintechs. So ist beispielsweise aus der Comdirect-Start-up-Garage der Sparcheck entstanden. Entwickelt vom Fintech Fino, können sowohl Kunden als auch Nicht-Kunden seit Sommer 2018 ihre Strom- und Gaskosten über den sparcheck optimieren, digital und mit wenigen Angaben und Klicks.

Ebenfalls im Produktbereich kooperiert die Bank über ihre Tochter Comdirect Versicherungsmakler AG mit der JDC Group. Seit Ende 2019 können Kunden mit nur einem Login, nämlich dem für ihr Konto, auch ihre Versicherungen digital verwalten, vergleichen und abschließen. Die Comdirect Versicherungsmakler AG nutzt für dieses Angebot sowohl im Backend als auch im Frontend die technischen Lösungen der JDC Group. So kommt bei der Verwaltung die JDC-eigene Kunden- und Vertragsverwaltungssoftware iCRM zum Einsatz. Im Frontend wurden die Funktionen der JDC-WebApp "allesmeins" erweitert, sodass beispielsweise der Zugang zum Versicherungsmanager über die Bankwebsite möglich ist.

Neu ist seit Ende 2019 auch die Kooperation mit dem auf Open Banking spezialisierten Fintech Optiopay. Gemeinsam wurde ein intelligenter Sparassistent lanciert. "Make a deal" heißt die neue Plattform, bei der Nutzer automatisiert Spartipps und Gutscheinaufwertungen erhalten.

Eine weitere erfolgreiche Kooperation, allerdings im Bereich Prozesse, wurde mit dem Darmstädter Cybersecurity-Start-up Authada umgesetzt. Das von ihnen entwickelte E-Ident-Verfahren zur digitalen Nutzung der eID-Funktion des Personalausweises wurde in die Comdirect App integriert. Die Depot- und Kontoeröffnung ist seitdem komplett digital und ohne Medienbrüche möglich, denn für die Legitimation reicht das Smartphone aus, vorausgesetzt, der Kunde verfügt über ein Gerät mit Android-Betriebssystem sowie den neuen Personalausweis mit dazugehöriger PIN. Über die sogenannte eID-Funktion des Ausweises kann sich der Ausweisinhaber zu jeder Zeit, selbstständig und sekundenschnell gegenüber Comdirect identifizieren - dafür muss einfach der Ausweis im Kontoeröffnungsprozess an das Smartphone gehalten werden.

Banken als Infrastrukturdienstleister

Um dem Kunden Mehrwerte zu bieten, können Banken also ihr eigenes Ökosystem erweitern. Sie können aber auch Dritten ihre Infrastruktur zur Verfügung stellen. Comdirect hat beispielsweise die Comdirect API für Dritte geöffnet. Aktuell wird dies von der Online-Handelsplattform Guidants genutzt. Kunden, die beide Systeme nutzen, also die Comdirect- und die Guidants-Umgebung, haben dadurch jederzeit ihr Depot im Blick und können handeln, egal wo sie sich einloggen: ob auf der Website der Bank oder von Guidants oder über die Apps.

Auch im Banking agiert Comdirect mittlerweile als Plattform. Mit dem HSV-, dem BVB- und dem Finanzheldinnen-Konto machen wir Innovationen im Banking erlebbar. Fans des Hamburger Sportvereins, von Borussia Dortmund oder der Initiative Finanzheldinnen erhalten nicht nur ein kostenloses Girokonto samt Girocard sowie eine Kreditkarte im Design ihres Vereins beziehungsweise der Initiative. Sie können zudem kontaktlos mit beiden Karten bezahlen, bei den Sportvereinen auch mittels Bezahlarmband. Zum Angebot der Finanzheldinnen gehört zudem das Finanzheldinnen-Depot.

Mit Borussia Dortmund ist die Kooperation noch umfassender: Auf die Fans warten aktionsbezogene Rabatte und Erlebnisse. Ein weiterer Bestandteil der Partnerschaft ist das BVB-Fan-Depot. Damit können die Fans BVB-Aktien ohne Orderentgelt an deutschen Börsenplätzen kaufen. Das gilt auch für Wertpapiersparpläne. An den Nachwuchs wurde ebenfalls gedacht: Für die jungen BVB-Unterstützer gibt es das BVB-Junior-Fan-Depot zum langfristigen Vermögensaufbau sowie das BVB-Junior-Fan-Konto.

Zum smarten Finanzbegleiter werden

Wenn Banken beim Kunden relevant bleiben möchten, können sie also ihr eigenes Ökosystem erweitern - auch durch Kooperationen beispielsweise mit Fintechs - oder sie können zum Infrastrukturdienstleister, also zur Plattform werden. Wichtig ist in jedem Fall die Kundenzentrierung: Es müssen exzellente (mobile) Kundenerlebnisse geschaffen werden.

Die neuen Leistungen sollten zudem einen Mehrwert für den Kunden bieten. Banken müssen nicht zu Fintechs werden. Sie können aber viel von den jungen Unternehmen lernen - und durch kluge Kooperationen ihre Kundenrelevanz stärken.

Frauke Hegemann, Vorsitzende des Vorstands, comdirect bank AG, Quickborn
Linkedin
Twitter

 

Frauke Hegemann , Vorsitzende des Vorstands, comdirect bank AG, Quickborn

Weitere Artikelbilder

Noch keine Bewertungen vorhanden


X