Fintechs

Die Symbiose zwischen Bank und Kunde wird auf eine neue Basis gestellt

Jochen Werne, Direktor Marketing, Business Development, Treasury & Payment Services, Bankhaus August Lenz & Co. AG, München

Im Zuge der Digitalisierungswelle entsteht eine neuartige Symbiose zwischen Mensch und Information, die auch das Bankgeschäft grundlegend verändert. Auch Kooperationen von Fintechs und Banken sieht Jochen Werne als Symbiose. Banken profitieren dabei von kundenfreundlichen Lösungen, die Fintechs von der Kundenbasis sowie den hohen Standards der Banken in Sachen Datenschutz und Compliance. Und das Miteinander zwischen Bank und Kunden verändert sich dahingehend, dass die Bank zum Filter in der Informationsflut wird. Red.

Der Begriff "Sýn bíos" stammt aus dem Altgriechischen, heißt übersetzt so viel wie "zusammen leben" und steht in der Biologie für Partnerschaften unter verschiedenen Arten, wobei durch das Zusammenleben für beide Parteien Vorteile entstehen. Spätestens seit dem Hollywood-Erfolg "Finding Nemo" kennt jeder zumindest ein Beispiel für eine Symbiose im Tierreich: Der Clownfisch, der zum Schutz vor Fressfeinden in einer Seeanemone lebt, da er als einziger Riffbewohner gegen ihr Nesselgift immun ist. Im Gegenzug wehrt der Clownfisch Fressfeinde der Anemone ab. Somit ziehen beide aus der Beziehung einen Nutzen und sichern so ihr Überleben. Im Geschäftsleben nennt man das eine klassische Winwin-Situation.

Symbiose 2.0: Mensch und Technik

Eine andere Form des "Zusammenlebens" entsteht gegenwärtig im Zuge der Digitalisierungswelle, eine Symbiose zwischen Mensch und Information. Längst ist die Symbiose von Mensch und Information auch im Bankgeschäft angekommen und bedrängt eine andere Form des Zusammenlebens, die über Jahrhunderte praktisch unverändert praktiziert wurde - die zwischen Bank und Kunde. Allerdings war diese durch die monopolartige, alternativlose Stellung der Banken ein eher aufgezwungenes und es führte keineswegs immer zu Win-win-Situationen.

Durch die Unzufriedenheit von Kunden mit den Services von Banken und den Siegeszug der Digitalisierung ist dieses Geschäftsmodell mittlerweile aufgebrochen. Zugunsten der Kunden, die durch neue technische Möglichkeiten mündig gemacht wurden und Wahlmöglichkeiten erhalten haben. Der Markt für Finanzdienstleistungen, der einst unverrückbar fest in der Hand der Banken war, hat sich rasant verändert. Und das, obwohl den Deutschen nachgesagt wird, sie würden eher den Partner als ihr Geldinstitut wechseln. Dennoch wollen immer mehr Menschen Bankgeschäfte bequem von zuhause aus erledigen statt am Schalter einer Filiale. Der Zulauf zu Online-Banken dokumentiert dies anschaulich.

Die Erwartungen an eine nutzerfreundliche digitale Kommunikation sind hoch: Ob einfache, aber sichere Authentifizierung, Kontoeröffnung ohne Post-Ident, Online-Banking über das Mobiltelefon oder Live-Chats mit dem Servicecenter - Kunden sehen dies heute als Selbstverständlichkeiten an. Diese Erwartungshaltung konfrontierte Bankhäuser mit wachsendem Konkurrenzdruck. Die Folge: Sie waren - und sind es noch immer - zur digitalen Wandlung gezwungen, um ihr Geschäftsmodell unter den neuen Anforderungen tragfähig zu machen. Vor einigen Jahren begannen dann auch noch Fintechs mit ihren digitalen Angeboten im Kundenstamm der traditionellen Institute zu "wildern", bis hin zum Robo-Advisor, der standardisierten, computergesteuerten Vermögensverwaltung gegen geringe Gebühren.

Marktkonsolidierung bei Fintechs absehbar

Für die Banken war es damit an der Zeit, das Heft wieder in die Hand zu bekommen. Ihr Mittel dazu: weitere Symbiosen. Für viele Großbanken gehört es mittlerweile zum guten Ton, Kooperationen mit kleinen, unabhängigen und innovativen Finanzdienstleistern einzugehen. Oder sie kaufen sie schlichtweg auf, um deren Geschäftsmodelle ins eigene Portfolio zu integrieren.

Das macht aber auch die gegenwärtige Situation für die Fintechs selbst deutlich. Zusammenschlüsse und Kooperationen sind nichts anderes als ein Beleg dafür, dass die Suche nach tragfähigen Geschäftsmodellen nicht einfach mit einer Idee zu Ende gedacht ist. Eine Marktkonsolidierung ist daher absehbar.

Nachahmermodelle drücken auf die Margen

Zwar scheinen weder die Geschäftsmodelle ausgereizt noch die Produktmöglichkeiten ausgereift, dennoch ähneln sich viele Services in ihrer Grundstruktur. Nachahmermodelle fluten den Markt und drücken auf die Margen. Das Wachstum ist in manchen Fällen offenbar geringer als erwartet. Zudem sind die Anforderungen der Gesetzgebung zu erfüllen, zum Beispiel beim Datenschutz. Nicht wenige Kunden haben Vorbehalte gegenüber Fintechs, weil sie sich um die Sicherheit ihrer Daten im Netz sorgen.

Höchstmöglicher Kundenkomfort plus Datensicherheit - hier haben Fintechs gegenüber Banken strukturelle Nachteile. Dazu zählen unausgereifte Strukturen und Ressourcen sowie mangelnde Erfahrung mit den regulatorischen Anforderungen, etwa den IT- Grundschutz-Katalogen des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnologie (BSI) und den Standards und Regelwerken nach ISO (Internationale Organisation für Normung).

Doch nicht nur bei der Routine im Umgang mit aufsichtsrechtlichen Themen sind Banken im Vorteil, auch bei den Möglichkeiten zum Cross-Selling. Dennoch sind sich viele Experten der Branche einig, dass die traditionelle Bankfiliale in ihrer heutigen Form angesichts der Vielzahl digitaler Möglichkeiten ein Auslaufmodell geworden ist.

Algorithmen können nicht alles

Angesichts der rasanten Disruption der Finanzindustrie durch die Digitalisierung gerät allerdings ein Faktor oft ins Hintertreffen: die menschliche Komponente. Die digitale Welt zeichnet sich vor allem durch eine nahezu unüberschaubare Informationsflut aus, und das keineswegs nur in der Finanzbranche. Privatpersonen können heute auf dem gleichen Wissenstand sein wie Finanzprofis. Theoretisch zumindest. Denn man kann davon ausgehen, dass nur ein kleiner Teil der Anleger auch angesichts von Möglichkeiten wie V-Logs, Online-Branchenvergleichen oder dem digitalen Meinungsaustausch in Finanz-Communities tatsächlich umfassend über Finanzprodukte und Anlagestrategien informiert ist.

Was bei aller Informationsflut in der Regel fehlt, ist die Verknüpfung mit der individuellen Situation. Kein Algorithmus kann den Anleger vor einer unüberlegten und womöglich falschen Entscheidung bewahren.

Filter in der Informationsflut

Genau das aber ist der Mehrwert, den Banken in diesem Umfeld heute wirklich leisten können: Wegweiser im digitalen Dschungel zu sein und ihre Kunden vor Entscheidungen aus dem Bauch heraus, den Fehlern der Behavioral Finance, zu bewahren. Und mehr noch: Das komplette Umfeld - und nicht nur das monetäre - des Kunden in die Entscheidungsfindung mit einzubeziehen. Dafür ist ein Gegenüber nötig, und zwar kein digitales, sondern ein menschliches. Hinzu kommen Vertrauen sowie ein Ort der persönlichen Begegnung. Wo dieser ist und wie er aussieht, bestimmt heute allerdings der Kunde allein. Ebenso, wann dieses Treffen stattfindet. Der moderne Kunde erwartet bestmöglichen Service unabhängig von Zeit und Ort. Fragt sich nur, wie Banken unter diesen Voraussetzungen ihr wichtigstes Asset für die Zukunft sichern können - das Vertrauen und die Loyalität der Kunden.

Auch für die Finanzbranche gilt das Gesetz "Survival of the Fittest". Die Funktion von Bank- und Finanzberatern muss heute die des Filters und Wegweisers in der Informationsflut sein. Für modernes Bankenmanagement bedeutet das den Aufbau eines andersartigen Betreuungskonzeptes mit kosteneffizienten Beratungsstrukturen einer schlagkräftigen und höchst flexiblen Mannschaft und der entsprechenden digitalen und mobilen Ausstattung. Im Zentrum des Denkens steht dabei stets die Frage: "Was will der Kunde der Zukunft eigentlich?"

Diese Frage stellte sich die Mediolanum Banking Group, zu der das Bankhaus August Lenz gehört, schon bei ihrer Gründung 1982. Das Ziel war und ist, den bestmöglichen Service anzubieten, ohne auf ein breites Filialnetz angewiesen zu sein, dessen Kosten letztlich auf die Kunden umgeschlagen werden müssen.

Die Alternative dazu ist das Konzept des Family Bankers, der unabhängig von Ort und Zeit Kunden persönlich und individuell berät. Er unterstützt nicht nur bei der Vorsorge- und Vermögensplanung, sondern begleitet langfristig beim Erreichen ganz individueller Ziele. Gleichzeitig aber hat der Kunde alle digitalen Möglichkeiten innovativer Online-Tools, beispielsweise den Personal-Finance-Manager "EuroinBlick". Er bindet auch Konten und Depots bei anderen Instituten ein. Ein ähnliches Tool wird auch für die Versicherungswelt an geboten, sodass alle finanziellen Informationen von einem Anbieter bezogen werden können.

Bei einer Verknüpfung von technischen Möglichkeiten und persönlicher, individualisierter Beratung und Begleitung sieht sich das Bankhaus August Lenz als Innovationstreiber der Branche. Diese beiden Bereiche werden sich in Zukunft immer weiter verzahnen. Die Symbiose zwischen Bank und Kunde wird damit auf eine neue, zukunftsfähige Basis gestellt.

Zum Autor Jochen Werne, Direktor Marketing, Business Development, Treasury & Payment Services, Bankhaus August Lenz & Co. AG, München
Jochen Werne , Direktor, Bankhaus August Lenz & Co. AG, München
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