PRIVATKUNDENGESCHÄFT

Die treuesten Bankkunden leben in Deutschland

Dr. Peter Kürpick, Foto: EPAM Systems

Im internationalen Vergleich sind die Deutschen relativ treue Bankkunden, so der Consumer Banking Report von Epam. Potenzial für Filialbanken macht die Studie für Deutschland bei den 18- bis 34-Jährigen aus, da sie überdurchschnittlich häufig eine Filialbank aufsuchen. Dennoch raten die Autoren auch ausdrücklich dazu, ausgetretene Pfade zu verlassen. Dazu gehört es, den Wert des Filialerlebnisses in digitalen Kanälen zu replizieren und durch Finanzbildung und Support Loyalität zu überzeugen. Red.

Dass die Deutschen ein ganz besonderes Verhältnis zum Geld und damit zu ihrer Bank haben, das erzählt man sich ja schon lange. Der aktuelle Consumer Banking Report von Epam hat dieses Verhältnis unter die Lupe genommen und mit anderen Ländern auf der ganzen Welt verglichen. Was soll man sagen: Das Vorurteil stimmt. In Deutschland leben die treusten Bankkunden der ganzen Welt. Und das gilt sogar für die "Generation Z"!

Die Deutschen sind relativ loyale Bankkunden

Im Sommer 2021 hat Epam Systems, in Zusammenarbeit mit Opinium Research jeweils 3 000 Personen in sieben Ländern befragt: neben Deutschland auch in den Niederlanden, in Großbritannien, den USA, Kanada, Hongkong und Singapur. Die Studie untersucht, wie sich die Einstellung der Verbraucher zum Bankgeschäft seit Beginn der Pandemie verändert hat. Die wichtigsten Ergebnisse beleuchten die zunehmend diversifizierte und fragmentierte Bankenlandschaft, die finanziellen Bedürfnisse jüngerer Verbraucher, die komplexe Beziehung zwischen digitalem und "realem" Banking sowie den Hype um Krypto-Investitionen.

Die vier zentralen Erkenntnisse der internationalen Auswertung lauten:

  • Die Verbraucher begrüßen die Entflechtung von Finanzdienstleistungen, ohne sich aber von ihrer Bank abzuwenden.
  • Der Informationsdurst wächst, die Kunden wollen Beratung.
  • Mobiles, ubiquitäres Banking wird erwachsen.
  • Der Hype um Kryptowährungen schlägt sich in echtem Interesse nieder - eine Chance für die Banken?

Die Daten zeigen: Deutsche Verbraucher bringen ihrer Bank weltweit das größte Vertrauen entgegen. Mit 31 Prozent vertraut fast jeder Dritte seinem Institut, während das im Durchschnitt der sieben Länder nur 24 Prozent, in den Niederlanden gar nur 19 Prozent tun. Dieses Vertrauen ist aufrichtig und resultiert nicht etwa nur aus der Scheu vor der Wechselprozedur: Nur 18 Prozent der Deutschen geben die Sorge vor dem aufwendigen Bankwechsel als Grund für ihre Loyalität an, das ist weltweit der geringste Wert. Im Schnitt liegt er bei 28 Prozent, in Hongkong sogar bei 39 Prozent.

Stattdessen geben 27 Prozent der Deutschen die Nähe einer Niederlassung als Grund an, warum sie nicht wechseln, das ist ein Spitzenwert. Weltweit denken nur 18 Prozent so, in den Niederlanden - als anderes Extrem - nur 7 Prozent.

Fazit: Die Deutschen sind relativ loyale Bankkunden und schätzen den Gang in die nahe gelegene Niederlassung. Für Banken, die auf dem Weg ins Digitale sind, ist diese Vorliebe allerdings ein zweischneidiges Schwert: Wird die Filiale geschlossen, verlieren viele Kunden einen der Gründe für ihre Loyalität. Das wichtigste Kriterium für das Verbleiben bei einer Bank war für die Deutschen zum Zeitpunkt der Befragung übrigens mit 59 Prozent die gebührenfreie Kontoführung.

Und wofür haben diejenigen, die eine Bankfiliale aufgesucht haben, diese genutzt? In Deutschland haben 66 Prozent Bargeld abgehoben, 46 Prozent Bargeld eingezahlt und 32 Prozent haben sich mit ihrem Bankberater getroffen.

Aber auch, wenn viele ihre Bank nicht wechseln wollen: Wenn sie Bedarf an weiteren Finanzdienstleistungen hätten, wären 36 Prozent der Befragten weltweit nicht abgeneigt, diesen Bedarf nicht bei ihrer Bank, sondern bei anderen Anbietern zu decken. Eine Bank für alles - das ist nicht mehr unbedingt gewünscht. Dass sie einen personalisierten Service bieten, gestehen 40 Prozent den traditionellen Finanzinstituten zu, aber immerhin 23 Prozent auch den neuen, digitalen Finanzunternehmen. Dass es einfach ist, die eigenen Finanzen zu verwalten, sehen 38 Prozent bei den traditionellen, aber auch 28 Prozent bei den neuen Anbietern.

Weltweit wird die Filiale für Jüngere wichtiger

Im vergangenen Jahr, so zeigen die Daten im Detail, haben drei Viertel der Befragten in Deutschland (76 Prozent) mindestens einmal eine Filiale ihrer Bank besucht. Wöchentlich waren 11 Prozent, monatlich 22 Prozent und "selten" 39 Prozent dort. In Hongkong (96 Prozent) und Singapur (88 Prozent) ist die Filialnutzung deutlich weiter verbreitet.

Bei den Altersgruppen liegen - weltweit gesehen - die Jüngeren (18 bis 34 Jahre) mit 82 Prozent Bankbesuch im vergangenen Jahr sogar leicht vor den Mittelalten (35 bis 54 Jahre, 81 Prozent) und den Älteren (55 plus, 75 Prozent). Erstaunlich: Weltweit gesehen haben 30 Prozent der Jüngeren zwischen 18 und 34 ausgesagt, dass der Zugang zu einer physischen Niederlassung im vergangenen Jahr für sie sogar wichtiger geworden ist.

Deutsche sind Schlusslicht bei der Nutzung von Banking-Apps

Als Gegenbeispiel zur traditionellen Filialnutzung haben wir unter anderem die Banknutzung mit einem Personal Voice Assistant, also etwa Alexa, Google Home oder Siri abgefragt. In Deutschland haben immerhin 29 Prozent solche Sprachassistenten mindestens einmal im vergangenen Jahr genutzt. 11 Prozent nutzen einen Sprachdienst "selten", 6 Prozent monatlich, 8 Prozent wöchentlich und 5 Prozent sogar täglich. Global gesehen geht hier die junge Generation voran: 55 Prozent der 18-34-Jährigen haben Sprachdienste genutzt, aber nur 12 Prozent der 55-Jährigen oder noch Älteren.

Eine Banking-App auf dem Smartphone haben 66 Prozent der Befragten in Deutschland genutzt, 19 Prozent tun dies täglich. Damit sind sie im Ländervergleich das Schlusslicht: In Singapur haben 95 Prozent eine mobile App genutzt.

Zufriedenheit mit dem Umgang mit der Pandemie im Mittelfeld

20 Prozent der Deutschen stimmen der Aussage sehr oder eher zu, dass sie einverstanden wären, finanzielle Transaktionen über eine Social-Media-Plattform wie Facebook, Instagram, Whatsapp oder Google abzuwickeln. Global wären 17 Prozent sogar einverstanden, ihre Social-Media-Plattform als Bank zu nutzen, also etwa mit einer "Facebook-Bank".

Die nachhaltige Positionierung einer Bank mit Maßnahmen zur sozialen Verantwortung und zum Umweltschutz wird in Deutschland überraschenderweise am seltensten gefordert: Für 46 Prozent der Befragten ist dies hierzulande wichtig - immerhin. Im Vereinigten Königreich trifft das dagegen für 54 Prozent, in Singapur sogar für 63 Prozent zu.

Gefragt wurde in diesem Zusammenhang auch danach, wie die Banken mit der Pandemie umgegangen sind. Die Zufriedenheit damit liegt hierzulande mit 44 Prozent im internationalen Durchschnitt. Die Niederländer erweisen sich erneut als kritisch: Nur 28 Prozent von ihnen sind der Meinung, die Banken dort hätten die Pandemie gut bewältigt.

Neue Angebote vor Ort: Die Rettung der Filiale?

Die Innovationskraft einer Bank zeigt sich nicht nur in neuen digitalen Angeboten. Die Frage ist auch, mit welchen Mitteln der direkte Kundenkontakt und die Beratung in den Filialen gestärkt werden kann. Für den Consumer Banking Report haben wir einige Szenarien entworfen und abgefragt, wie die Kunden dazu stehen.

  • Einen "Community Hub" zum Beispiel, also einen physischen Treffpunkt und Ort des Austauschs für Finanzinteressierte, würden in Deutschland 21 Prozent nutzen wollen.
  • Sessions für die Weiterbildung in Finanzfragen befürworten 23 Prozent, ein "Financial Experience Centre" mit interaktiven Tools und der Beteiligung von Influencern 24 Prozent.
  • Einen "Advice-Drop-In" mit hilfreichen Eins-zu-Eins-Gesprächen sogar 36 Prozent.
  • Ein Working-Space in der Bankfiliale ist mit 16 Prozent dagegen wenig gefragt.
  • Und auf einen Kaffee würden immerhin 21 Prozent vor Ort vorbeischauen.

Bei all diesen Angeboten liegt die Nutzungsbereitschaft der Deutschen ein paar Prozentpunkte unter dem internationalen Durchschnitt. Am stärksten würden sie wohl in Singapur genutzt werden.

Und die Jungen? Die Generation Z schätzt jedes dieser Angebote mit 10 bis 15 Prozentpunkten mehr deutlich positiver ein. Möglicherweise zwingt also alleine schon der demografische Wandel die Filialleiter dazu, in Zukunft neue, attraktive Initiativen zur persönlichen Betreuung vor Ort zu starten.

Weitgehend positives Zeugnis für den Umgang mit der Pandemie Quelle: Epam Systems

Kryptowährungen gehören aus Kundensicht in die Bank

Bei der Betrachtung der Generation Z rückt automatisch das letzte große Thema des Banking Reports in den Fokus: die Frage der Kryptowährungen. Weltweit wünschen sich 38 Prozent der Jüngeren (18 bis 34 Jahre) von ihrer Bank, dass sie Möglichkeiten für das Krypto-Investment anbietet.

In Deutschland haben 92 Prozent der Befragten schon einmal von Kryptowährungen wie Bitcoin oder Ethereum gehört. 11 Prozent haben früher oder gegenwärtig Krypto-Investments getätigt. Hier liegen die 18-34-Jährigen mit 17 Prozent deutlich vor den Über-54-Jährigen mit 7 Prozent. 64 Prozent der Deutschen dagegen erwägen im Moment nicht, solche Investments vorzunehmen. Von dieser Gruppe geben 68 Prozent als Hauptgrund für ihre Ablehnung an, dass sie nicht glauben, dass ihr Geld dort sicher verwahrt ist; 31 Prozent misstrauen Krypto-Investments, da sie nicht verstehen, wie diese funktionieren.

Eine Querschnitts-Betrachtung des Reports mit Fokus auf der jüngeren Generation, zeigt ein vielschichtiges Bild: Generell sind jüngere Bankkunden vorsichtig mit ihren Finanzen und vertrauen sich gern einer traditionellen Bank an. Von dieser erhoffen sie sich ein steigendes Beratungsangebot und neue Formen der finanziellen Bildung. Zugleich sind sie Treiber des Wandels, indem sie sich ergänzend digitalen Anbietern, neuen Technologien und den Kryptowährungen öffnen. Aus der Experimentierfreude könnten neue Gewohnheiten entstehen, in denen die klassischen Banken dann nur noch eine geringe Rolle spielen.

Eingetretene Pfade verlassen

Der Consumer Banking Report von Epam führt die zahlreichen Einzeldaten zu fünf Erkenntnissen zusammen, die der Finanzwirtschaft den Weg zu einer erfolgreichen Kundenbeziehung aufzeigen können. Ob neuer, digitaler Diensteanbieter oder klassisches Bankhaus: Wer in Zukunft für den Verbraucher relevant sein will, der muss eingetretene Pfade verlassen und sein Angebot mit kreativen Ideen und personalisierter Technologie ausbauen. Ob neuer, digitaler Diensteanbieter oder klassisches Bankhaus: Wer in Zukunft für den Verbraucher relevant sein will, der muss eingetretene Pfade verlassen und sein Angebot mit kreativen Ideen und personalisierter Technologie ausbauen.

  1. Unverzichtbarer Teil des wirtschaftlichen Ökosystems werden: Den Banken Kunden abzujagen ist gar nicht so einfach, dafür vertrauen sie dieser Institution zu sehr. Auch ein Branchenneuling, der ein vergleichbares, volles Leistungsspektrum anbietet, kann sich nicht auf schnelles Wachstum verlassen. Erfolg versprechen dagegen die speziellen Nischen, die die Banken nicht abdecken können oder wollen - schließlich sind viele Kunden bei neuartigen Diensten experimentierfreudig und nutzen die Plattformen verschiedener Anbieter nebeneinander.
  2. Durch Bildung und Support Loyalität erzeugen: Die Vermittlung von Finanzwissen ist wahrscheinlich die größte Chance, die sich den Verbraucherbanken im Moment bietet. Ein Dienstleister, der Bildung produktiv machen kann, wird in der Lage sein, einen enormen Bedarf bei der Generation Z und den Millennials zu befriedigen - und so treue Kunden zu gewinnen.
  3. Angebot klar und verständlich herausarbeiten: Es spielt keine Rolle, wie gut ein Produkt ist oder wie viel Beratung angeboten wird - wenn die Zielgruppe nicht weiß, dass es das Produkt gibt oder warum sie es braucht. Um den Kreislauf zwischen Produkt, Markenangebot und Kundensupport zu schließen, müssen Finanzdienstleister die Komplexität reduzieren und eine ansprechende Geschichte erzählen.
  4. Kanalunabhängige Bankerlebnisse schaffen: Die Verbraucher wollen immer noch eine menschliche Interaktion mit ihrer Bank, aber das bedeutet nicht unbedingt, dass sie nach einer realen Interaktion suchen. Der Bankkunde von heute wünscht sich ein konsistentes, personalisiertes Erlebnis, unabhängig davon, ob er sich in eine App einloggt oder ein Gebäude betritt. Die Banken sollten weniger Energie dafür aufwenden, die Filiale neu zu erfinden, sondern vielmehr den Wert des Filialerlebnisses in ihren Netzen zu replizieren.
  5. Plattformen von Drittanbietern nutzen, ohne sich auf die zu verlassen: Verbraucher suchen zunehmend Rat und Informationen auf sozialen Plattformen - da ist es nicht verwunderlich, dass Dienstleistungsanbieter diese Plattformen nutzen, um Communities zu schaffen, Innovationen voranzutreiben und ihre Reichweite und Autorität zu steigern. Doch zugleich geben sie damit Kontrolle ab. Empfehlenswert wäre es, Tools und Dienste zu entwickeln, die die einzigartigen Fähigkeiten des Social Web nutzen, aber gleichzeitig die Verantwortung für die Daten, die Erkenntnisse, die Communities und das Engagement unter eigener Kontrolle behalten.

Die englische Originalfassung des Consumer Banking Reports kann unter https://www.epam.com/2021-banking-report bezogen werden.

Dr. Peter Kürpick , Geschäftsführer , EPAM Systems Deutschland, Berlin
Panos Archondakis , Global Head Banking & Wealth Management , EPAM Systems, London

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