Kreditgeschäft

Unternehmenskredite zwischen Fintechs und Softwarelösungen

Sandra Lange, Senior Consultant, PPI AG, Hamburg
Quelle: PPI

Im Firmenkreditgeschäft müssen Kreditinstitute digitaler und schneller werden, so die Autoren. Dabei stellt sich oftmals die Frage, ob für die Digitalisierung eher auf die Kooperation mit Fintechs oder die Lösungen von Softwareanbietern zurückgegriffen werden soll. Argumente sehen die Autoren für beide Vorgehensweisen. Die Wahl der richtigen Lösung ist abhängig von Handlungsbedarf und IT-Strategie. Red.

Der Markt hat sich gewandelt: Vorbei die Zeiten, als kleine und mittlere Unternehmen sich in Finanzierungsfragen ausschließlich an den Berater ihrer Hausbank gewandt haben. Neue Lösungsanbieter drängen auf den Markt und bieten beispielsweise Vergleichsportale für Firmenkundenkredite oder übernehmen die Finanzierungsabwicklung gleich selbst. Um im Wettbewerb zu bestehen, müssen Banken ihre Prozesse effizienter gestalten - und ihr eigenes Geschäft stärker digitalisieren.

Viele Kreditinstitute haben in dieser Hinsicht Nachholbedarf. In einer Umfrage1) , die PPI AG und Ibi Research 2017 veröffentlicht haben, beklagten beispielsweise eine Reihe von Banken zu lange Durchlaufzeiten sowie hohe Kosten und Komplexität der gewerblichen Kreditvergabe. Die Liste der "Zeitfresser" reicht von der Dokumentenprüfung über die Vertragserstellung, die Unterlagenarchivierung sowie Kundendatenänderungen bis zum Sicherheitenmanagement. Bei 50 Prozent der befragten Institute gibt es keine oder nur eine geringe IT-Unterstützung in den Prozessen zur Kreditentscheidung.

Das Ergebnis: Bei mehr als der Hälfte der Banken dauert die Kreditentscheidung im Durchschnitt länger als fünf Arbeitstage. Bis zur Auszahlung des Darlehens vergehen dann in der Regel noch einmal bis zu drei Tage, mit Ausreißern nach oben.

Digitaler werden

Die Ergebnisse der Umfrage belegen, dass die Digitalisierung entlang der Prozesskette ein zentraler Faktor bei der effizienten Gestaltung des Firmenkreditgeschäfts ist. In der Umfrage sahen die befragten Institute vor allem Bedarf bei der intensiveren IT-technischen Einbindung der Kunden, einer verstärkten Automatisierung von Funktionen und durchgängigeren Prozessen.

So lassen sich beispielsweise durch erweiterte Online-Angebote Vertriebsprozesse auslagern und automatisieren.

- Wenn potenzielle Darlehensnehmer das gewünschte Produkt anhand der Informationen auf der Internetseite auswählen und Daten bei der Kreditanfrage selbst eingeben, spart dies nicht nur viel Zeit in der Kundenberatung zum Beispiel durch den Wegfall zeitaufwändiger Beratungsprotokolle, sondern entspricht auch den Anforderungen fortschrittlicher Kunden, den sogenannten "Lead Usern".

- Das gleiche gilt für die Bestandsverwaltung, etwa wenn Kunden hinterlegte Informationen eigenständig online ändern können. In kritischen Fällen kann das System die zuständigen Bankmitarbeiter automatisch informieren, sodass nur dann Personalaufwand entsteht, wenn es tatsächlich notwendig ist.

Bearbeitungszeit kann für Unternehmen zur Existenzfrage werden

Dies sind nur zwei Beispiele, wie Abläufe bei der Kreditvergabe stärker automatisiert werden können. Daraus resultieren klare Vorteile für die Kunden: Sie erhalten eine schnellere Kreditentscheidung und profitieren von günstigeren Angeboten, soweit die Banken die Kostenvorteile weitergeben. Grundlegende Voraussetzung ist allerdings, dass Kunden ihre Daten bequem und sicher eingeben können. Denn bei der Auswahl eines geeigneten Kreditgebers legen Kunden heute besonders großen Wert auf einfache und schnelle Abläufe. Für Unternehmen kann sich aus der Bearbeitungsgeschwindigkeit im schlimmsten Fall auch eine Existenzfrage ergeben.

Strukturen auf dem Prüfstand

Reibungslos ineinandergreifende Prozesse sind eine weitere entscheidende Voraussetzung für mehr Effizienz im Kreditgeschäft. Nur nahezu jedes fünfte der befragten Institute ist in dieser Hinsicht sehr gut aufgestellt. Diese Banken verfügen über eine durchgängige, einheitliche Prozessführung, bei der sämtliche Informationen über alle Teilprozesse hinweg automatisch weitergegeben werden. Bei annähernd vierzig Prozent der Studienteilnehmer beeinträchtigen dagegen umständliche Prozesse die Effizienz: beispielsweise IT-Anwendungen ohne Schnittstellen, die auf diese Weise geschlossene Datensilos schaffen. Denn sie zwingen Mitarbeiter, redundante Daten aufzunehmen beziehungsweise einzugeben.

Die Problemsituationen sind von Kreditinstitut zu Kreditinstitut sehr unterschiedlich. Entscheidend ist, den Kreditprozess und die IT-Struktur insgesamt zu durchleuchten, um Schwachstellen zu identifizieren. Dabei zahlt es sich aus, offen und frei zu denken, um eingefahrene Pfade zu verlassen und Innovationen sinnvoll zu integrieren. Fintechs sind hier im Vorteil: Sie haben keine gewachsenen Strukturen. Sie starten "auf der grünen Wiese" und richten ihre Systeme von Anfang an auf maximale Effizienz aus.

Neben Kooperationen mit Fintechs stehen für die Institute in vielen Fällen auch Lösungen von etablierten Softwareanbietern bereit, um ihre Systeme auf den neuesten Stand zu bringen: Denn auch wenn diese im Gegensatz zu Fintechs nicht im Zentrum der öffentlichen Aufmerksamkeit stehen - in Agilität und Kompetenz stehen sie den Newcomern bei Softwareentwicklung und Digitalisierung in nichts nach. Das zeigen auch wiederholte Innovationsauszeichnungen, etwa durch den Deutschen Mittelstands-Summit.2)

Kooperationen mit Fintechs oder Softwarelösungen

Mit viel Erfahrung entwickeln die klassischen IT-Häuser innovative Softwarelösungen, damit Banken rechtliche, markt- und kundenspezifische Anforderungen in Sachen Transparenz, Risikominimierung und Rund-um-die-Uhr-Verfügbarkeit erfüllen. Kinderkrankheiten in den Systemen und sich negativ auswirkende Mitarbeiterfluktuation sind eher unbekannt. In der Regel stehen diese Unternehmen gefestigt im Markt.

Neben den großen Systemanbietern wie etwa SAP SE, Finanz Informatik GmbH & Co. KG und Fiducia & GAD IT AG hat sich eine Vielzahl von Anbietern mit unterschiedlichen fachspezifischen Schwerpunkten - dazu gehören Risikomanagement, Rating/Scoring und Meldewesen - am Markt etabliert. Meist umfasst ihr Angebot nicht nur die Umsetzung, sondern auch Beratung und Planung passender IT-Strukturen.

Argumente für Softwareanbieter ...

Im Vergleich zu Fintechs verfügen sie über folgende Vorteile:

- Sie arbeiten seit Jahren eng mit ihren Kunden zusammen und besitzen nicht nur gewachsenes Vertrauen ihrer Klientel, sondern auch umfassendes Knowhow hinsichtlich des Bedarfs der Bankenbranche.

- Regulierungsvorgaben von Gesetzgebern und Behörden kennen sie zum Teil bereits seit ihren Ursprüngen in allen daraus resultierenden Varianten.

- Nicht zuletzt haben sie die langfristige Branchen- und Marktentwicklung professionell im Blick, um vorausschauend auf die Anforderungen ihrer Auftraggeber zu reagieren und in ihren Produkten umzusetzen.

- Zudem haben die etablierten Unternehmen in der Regel ein bewährtes Geschäftsmodell sowie einen breiten Kundenstamm und bieten neben langfristigen Partnerschaften eine (wesentlich) höhere Investitionssicherheit.

... und für Fintechs

Für Fintechs dagegen spricht folgendes: Ihre Leistungen sind online über wenige Schritte verfügbar, ihre Angebote sind personalisiert und auf digitale "Customer Experience" getrimmt. Und sie sind schnell, dank digitalisierter Prozesse. Viele Kreditinstitute kooperieren bereits mit Fintechs, um diese Vorteile zu nutzen. Einige steigen auch direkt bei den digitalen Unternehmen ein, wie die ING-Diba: Sie gab im Februar 2018 den geplanten Kauf des Start-ups Lendico bekannt, eines Online-Marktplatzes für Firmen- und Privatkredite.

Nachdem die Fintechs anfangs noch unter der Wahrnehmungsschwelle operieren konnten, nehmen die Behörden die Unternehmen mit bankähnlichen Angeboten seit einiger Zeit genauer in den Fokus. So sind sie zwischenzeitlich im Bankenverband angekommen: Im vergangenen Jahr verkündete die Organisation die Aufnahme einer Reihe von Fintechs als außerordentliche Mitglieder.

Auch wenn die jungen Unternehmen teilweise mit noch unerprobten Strukturen, Geschäftsmodellen und Systemen ihre Probleme haben, bleiben Fintechs dennoch ein ernstzunehmender Faktor hinsichtlich des ohnehin harten Wettbewerbs im Kreditgeschäft mit Firmenkunden. Gerade in diesem Bereich befinden sich die Margen auf einem historisch niedrigen Niveau. Nicht zuletzt vor diesem Hintergrund können eingefahrene Geschäftsprozesse und historisch gewachsene IT-Landschaften den Erfolg von Banken in diesem Segment nachhaltig gefährden - durch Defizite im Marktbereich, in der Marktfolge und an deren Schnittstellen. An einer modernen Bank-IT-Infrastruktur mit digitalisierten Prozessen führt deshalb kaum ein Weg vorbei.

Diese Herausforderung gilt es zu bewältigen. Ein erster Schritt dazu ist eine umfassende Analyse und Bewertung der aktuellen Systemlandschaft. Dazu bedarf es der Priorisierung und Beurteilung der Handlungsbedarfe im Abgleich mit der (zukünftigen) IT-Strategie. Bei der Aufnahme und Definition der Anforderungen an einzelne Anwendungen sind eine Vielzahl von Fragen, wie nach der Integration der angestrebten Lösung in die bestehende Systemlandschaft oder die Erfüllung aufsichtsrechtlicher Anforderungen zu beantworten. Neben den unterstützten fachlichen Funktionalitäten sind auch die Anschaffungs-/Betriebskosten, der Implementierungsaufwand aber auch technische Features wie unterstützte Datenbanken, Applikationsserver und Schnittstellen zu prüfen.

Aufgrund der hohen Komplexität eines Softwareauswahlverfahrens ist ein sogenannter Vendor Guide sehr hilfreich. Dank dieser Anbieter-Übersicht lassen sich schnell potentielle Hersteller identifizieren und geeignete Lösungen finden, unabhängig davon, ob es sich dabei um die Software eines Fintechs oder eines klassischen Anbieters handelt. Entsprechend schnell kann anschließend die technische Implementierung gestartet werden.

Fußnoten:

1) Umfrage unter 24 Instituten aus den Sektoren der Sparkassen sowie Volks- und Raiffeisenbanken.

2) Die Innovationskraft von Pro-Direct-Finance wurde 2014 im Rahmen des Deutschen Mittelstands-Summits zum zweiten Mal, nach 2008, mit dem Titel Top Innovator ausgezeichnet.

Zu den Autoren Sandra Lange, Senior Consultant, und Michael Wiemker, Senior Consultant, beide PPI AG, Hamburg.

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