Verbraucherschutz

Wer oder wie ist "der Verbraucher"?

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Im Verbraucherschutz wurde das Bild vom "mündigen Verbraucher" in den letzten Jahren durch ein differenzierteres Verbraucherbild ersetzt. Gesetzliche Regelungen sind aber letztlich doch darauf ausgerichtet, das schwächste Glied in der Kette, den "verletzlichen" Verbraucher zu schützen - auch wenn diese Gruppe nur fünf Prozent der Gesamtheit ausmacht. Der Bankenfachverband will deshalb ein anderes Bild vom Konsumenten in die verbraucherpolitische Diskussion einbringen. Er betrachtet die Verbraucher als autonom und gesteht ihnen die Fähigkeit zu, aus ihren Entscheidungen in der Vergangenheit zu lernen. Verbraucherbildung ist deshalb wichtiger als regulatorische Vorgaben, so Peter Wacket. Red.

Der Verbraucheralltag gewinnt an Komplexität. Verbraucher müssen eine Vielzahl von Entscheidungen treffen, persönliche, berufliche, aber auch konsumbezogene und finanzielle Entscheidungen. Der erhöhte Wettbewerb, der im Zuge der Digitalisierung zusätzlich an Fahrt gewinnt, ermöglicht es den Verbrauchern, unterschiedliche Produkte bei verschiedenen Anbietern zu erwerben - dies gilt für Waren und Dienstleistungen ebenso wie für Finanzprodukte. Konsumkredite nehmen hier eine wichtige Funktion ein, da sie vielen Verbrauchern die Anschaffung von Gütern wie Autos ermöglichen.

Unterschiedliche Verbraucherleitbilder

In der aktuellen verbraucherpolitischen Diskussion existieren unterschiedliche Verbraucherleitbilder. Diese Leitbilder werden nicht zuletzt dann relevant, wenn der Staat Gesetze macht, um Verbraucher zu schützen und den Markt zu regulieren. Das Bild des "mündigen" Verbrauchers, der all seine Entscheidungen auf Basis von Informationen selbst treffen kann, wurde in den vergangenen Jahren durch ein differenzierteres Verbraucherleitbild ergänzt beziehungsweise ersetzt. Teile des Verbraucherschutzes, aber auch der Politik sprechen von "vertrauenden", "verletzlichen" und "verantwortungsvollen" Verbrauchern.

Grundsätzlich ist der Ansatz, die Gesamtheit aller Verbraucher nicht als homogene Gruppe aufzufassen, natürlich begrüßenswert. Problematisch wird dieses differenzierte Verbraucherleitbild allerdings dann, wenn die Gesetzgebung schlussendlich doch darauf ausgerichtet ist, das schwächste Glied in der Kette, also die "verletzlichen" Verbraucher, zu schützen. Aus diesem Grund bringt der Bankenfachverband ein eigenes differenziertes Verbraucherleitbild mit in die Diskussion ein. Doch zunächst ein näherer Blick auf die bereits bestehenden Vorstellungen, wie Verbraucher sind beziehungsweise wie sie gesehen werden.

Vertrauend, verantwortungsvoll oder verletzlich?

Der "vertrauende" Verbraucher wird als der in der Realität am häufigsten anzutreffende Verbraucher bezeichnet. Dieser hält es nicht für nötig, erhebliche Ressourcen in eine solide Informationsgrundlage zu investieren, da er grundsätzliches Vertrauen in die andere Marktseite hat, ebenso wie in die für die institutionellen Rahmenbedingungen verantwortliche Politik. Dieses Vertrauen des Verbrauchers halten die Vertreter des differenzierten Ansatzes für problematisch.

Da auch kostenlos bereitgestellte Information oder Verbraucherbildung vom vertrauenden Verbraucher ignoriert werde, sei nicht sicher gestellt, dass sich alle Verbraucher ausreichend informieren, Kompetenz aneignen und die nötige Zeit investieren. Wie allerdings das "ausreichende" und "nötige" Maß der Information und Kompetenzaneignung ermittelt wird - was also eigentlich der normative Maßstab ist - wird nicht geklärt.

Der "verletzliche" Verbraucher wiederum verfügt schlicht nicht über die nötigen Fähigkeiten, um zuverlässig gute Entscheidungen zu treffen. Dies kann an fehlenden kognitiven Kapazitäten liegen, es wird aber auch das Fehlen technischer Voraussetzungen als Ursache angeführt, etwa der fehlende Zugang zum Internet als Informationsquelle. Solche Verbraucher benötigen demnach grundsätzliche, oft individuelle Hilfe, um überhaupt ihre alltäglichen Aufgaben bewältigen zu können.

Nur fünf Prozent "verletzlich"

Beiden Verbrauchertypen ist gemein, dass das Sicherstellen einer umfassenden, sachlichen Informationsbasis nicht ausreicht, um ihre Entscheidungen zu verbessern. Die erste Gruppe ist, überspitzt gesagt, intelligent, aber ignorant, während die zweite Gruppe nicht fähig ist, Information sinnvoll zu nutzen.

Die dritte Gruppe, die der "verantwortungsvollen" Verbraucher, zeichnet sich dagegen durch ein umfassendes Interesse aus. Sie streben einen durch politische Überlegungen beeinflussten Konsum an, der zum Beispiel ökologische Effekte oder andere gesellschaftliche Nebenwirkungen des Konsums in Rechnung stellt. Der verantwortungsvolle Verbraucher ist motiviert, viele Informationen einzuholen, aber möglicherweise zum Beispiel durch zeitliche Restriktionen daran gehindert. Ihm kann daher durch eine am Informationsangebot ansetzende Verbraucherpolitik geholfen werden.

Eine repräsentative Studie im Jahr 2013 ergab, dass knapp ein Drittel der Befragten der Gruppe der "verantwortungsvollen" Verbraucher, nur etwa fünf Prozent der Gruppe der "verletzlichen" Verbraucher und knapp 63 Prozent der Gruppe der vertrauenden Verbraucher zuzurechnen sind. Obwohl er in der Minderheit ist, wird gerade der verantwortungsvolle Konsument auch als normatives Leitbild herangezogen: Verbraucher sollten sich, so die Vertreter dieses Leitbildes, möglichst verantwortungsvoll verhalten.

Probleme bei der Gesetzgebung

Es wird deutlich, dass ein dreigeteiltes Leitbild wie das beschriebene zwar genauer differenziert, für die konkrete Regulierung beziehungsweise Gesetzgebung zieht es aber einige Probleme nach sich, da innerhalb von Gesetzen schlecht nach verschiedenen Verbrauchertypologien unterschieden werden kann.

Vor diesem Hintergrund bringt der Bankenfachverband einen neuen Aspekt in die verbraucherpolitische Diskussion um Leitbilder mit ein, indem er Verbraucher als in ihren Entscheidungen autonom betrachtet und ihnen die Fähigkeit zugesteht, aus ihren Erfahrungen zu lernen.

In diesem Fall schließen sich die beiden Aspekte des Verbraucherleitbildes nicht gegenseitig aus, wie dies bei den "vertrauenden", "verantwortungsvollen" und "verletzlichen" Verbrauchern der Fall ist, sondern sie beziehen sich aufeinander. Ohne autonome Entscheidungen und die Fähigkeit zu lernen hätte sich der Mensch nicht zu dem entwickeln können, was er heute ist.

Verbraucherautonomie ...

Die empirische Literatur aus Volkswirtschaftslehre und Psychologie zeigt, dass Menschen einen erheblichen Wert darauf legen, Entscheidungen autonom zu treffen und ihr Leben selbstbestimmt zu leben. Dies schlägt sich zum Beispiel in einer geringeren individuellen Lebenszufriedenheit bei Verlust von Autonomie nieder, aber in Experimenten auch in der signifikant positiven Zahlungsbereitschaft dafür, eigene Entscheidungen unbehelligt von paternalistischer Intervention treffen zu können. Es ist realistisch, im Verbraucherleitbild zu unterstellen, dass Verbraucher willens und fähig sind, ihre Autonomie zu erhalten.

Verbraucher sind es - zumindest in einer freien Marktwirtschaft - gewohnt, ihre Konsumentscheidungen selbst zu treffen. Etwaige Unterstützung im Entscheidungsprozess nehmen sie nach eigenem Willen in Anspruch oder eben nicht. Auch die Entscheidung, ob auf ein Konsumgut wie ein Auto gespart wird oder ob der Pkw per Kredit finanziert wird, möchten und dürfen Verbraucher selbst treffen.

Die Verbraucherhaushalte in Deutschland besitzen im Schnitt 1,2 Autos. Jeder Verbraucher entscheidet für sich selbst, ob und wenn ja welches Pkw-Modell er nutzen möchte und wie er es bezahlt. Er bestimmt aus eigenen Stücken, wohin er wie oft fährt und welchen Kraftstoff er verwendet. Eine bedarfsgerechte Verbraucherpolitik ist daher gehalten, die Individualität und Heterogenität von Verbraucherinteressen zu respektieren und den Wettbewerb zu fördern.

... und die Fähigkeit zu lernen

Verbraucher treffen in ihrem Leben eine Vielzahl von Entscheidungen. Die Ergebnisse jeder einzelnen Entscheidung dienen als Basis für Erfahrungen, die wiederum als Grundlage für neue Entscheidungen genutzt werden können. Auf diese Weise ermöglicht die Summe aller Erfahrungen ein lebenslanges Lernen.

Dabei können Verbraucher auch von Erfahrungen anderer Verbraucher profitieren, indem sie sich zum Beispiel über persönliche oder digitale Plattformen austauschen. Die Digitalisierung schafft hierbei fortlaufend neue Möglichkeiten, sich über Produkte und Dienstleistungen zu informieren und Bewertungen sowie Erfahrungsberichte anderer Verbraucher bei Konsumentscheidungen mit zu berücksichtigen.

Im Laufe des Lebens schafft sich ein Verbraucherhaushalt etwa zehn Autos an. Mit jedem Kauf wächst die Erfahrung hinsichtlich eigener Präferenzen beziehungsweise Modelleigenschaften. Im selben Zuge ändern sich natürlich auch Ansprüche der Nutzer und der Verwendungszweck der jeweiligen Fahrzeuge.

Gleichwohl dienen sämtliche Erfahrungen, die ein Verbraucher - im Übrigen auch bei anderen Konsumentscheidungen - regelmäßig trifft, als Grundlage für die nächste Anschaffung. Somit ermöglicht jede autonom gefällte Kaufentscheidung ein Lernen als Basis für künftige Entscheidungen.

Beispiel Verbraucherkredit

Zur Bezahlung von Konsumgütern nutzt jeder dritte Haushalt Ratenkredite. Jeder zweite Ratenkredit dient der Finanzierung eines Autos. Dabei werden bundesweit rund 98 Prozent der Kredite ordnungsgemäß zurückgezahlt. Dies zeigt, dass die große Mehrheit der Bevölkerung mit monatlichen Ratenzahlungen gut umgehen kann. Die Zahlung in Monatsraten ist vielen Verbrauchern von anderen Zahlungen wie Miete bekannt und für sie praxisgerecht, da sie mit dem monatlichen Gehaltseingang einhergeht.

Das Zurechtkommen mit einem bestimmten Betrag pro Monat beziehungsweise die regelmäßige Zahlung von Raten ist ein erlernbares Verhalten. Gerade auch für Verbraucher, die nicht "vorsparen" können oder wollen, bietet sich das "Nachsparen" in Form von Kredit als Möglichkeit an, sich Konsumgüter wie Autos oder Möbel anzuschaffen. Eine zielgerichtete Verbraucherpolitik sollte daher auf der Lernfähigkeit von Verbrauchern aufbauen und die finanzielle und wirtschaftliche Allgemeinbildung fördern.

Zum Autor

Peter Wacket, Geschäftsführer, Bankenfachverband e.V., Berlin, und Mitglied des Vorstands, European Federation of Finance House Associations (Eurofinas), Brüssel

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